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Debatte US-PräsidentenDen amerikanischen Traum erhalten

Obama ist auch nicht besser als George W. Bush. In den Machtzentralen von Washington pflegt man gern eigene Definitionen von Wirklichkeit.

Baute auch gern potemkinsche Welten: George W. Bush. Bild: ap

Mit dem Auszug von George W. Bush aus dem Weißen Haus dachten alle, jetzt ist Schluss mit Präsidenten, die sich wohlig in ihrer Scheinrealität einrichten. Jetzt erzählt kein Staatsoberhaupt mehr Geschichten vom Kaliber „Alle Iraker würden die GIs willkommen heißen“, wie damals beim zweiten Golfkrieg.

Aber weit gefehlt: Auch Barack Obama erfindet zunehmend seine eigene Realität – und viele progressiv orientierte US-Amerikaner reagieren mit Sprachlosigkeit. Oder sie nehmen ihn in Schutz: Er habe doch genug rechte und rassistisch motivierte Gegner, die ihn für einen sozialistischen Muslim halten. Aber diese Haltung ist gefährlich.

Am krassesten sieht man Obamas Ausflüge ins Un- und Halbwahre bei der Debatte über die NSA-Überwachung. Die NSA-Maßnahmen seien „transparent“, versicherte Obama nach den ersten Artikeln im britischen Guardian. In einer TV-Talkshow sagte er, es gebe „kein einheimisches Spionageprogramm“.

In der zweiten Augustwoche kündigte der Präsident an, er werde eine „hochrangige Gruppe von Experten von außen“ einsetzen, um „unsere gesamten geheimdienstlichen und Kommunikationstechnologien zu überprüfen“. Denn: „Wir brauchen neues Denken für eine neue Ära“.

Konrad Ege

ist Journalist und lebt seit Jimmy Carters Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten. Zuletzt schrieb er für die taz über die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit in den USA: „Austerität light“.

Spionagefreies Amerika

Was seitdem passierte, verdient Höchstnoten in der Kategorie Verdummung. Obama wies General James Clapper an, also den Geheimdienstkoordinator der USA, diesen Ausschuss zusammenzustellen. Das ist just jener Clapper, der fünf Monate zuvor im Senat vor laufenden Kameras gefragt wurde: „Sammelt die NSA irgendwelche Daten über Millionen oder Hunderte von Millionen von Amerikanern?“ Und sich daraufhin am Kopf kratzte und sagte: „Nein, Sir.“

Clappers Ernennung löste Befremden aus; das Weiße Haus reklamierte, Kritiker hätten den Schritt missverstanden. Selbstverständlich werde das Weiße Haus die Kommissionsmitglieder ernennen. Clapper sei nur aus „administrativen Gründen“ involviert.

Inzwischen bekannt gewordene Namen flößen kein Vertrauen ein: Füchse sollen offenbar auf den Hennenstall aufpassen. Wie ABC News berichtete, soll der „Terrorismusexperte“ Richard Clarke im Ausschuss sitzen. Dieser hatte 2012 in der New York Times vor chinesischen Cyberangriffen gewarnt und mehr Überwachung empfohlen. Nach bestehendem Gesetz, so Clarke, sei das Ministerium für Heimatschutz befugt, zu „inspizieren“, was im Cyberspace ins Land komme und was die Vereinigten Staaten verlasse.

Verschwörungstheorien galore

Ebenfalls in das Gremium sollen der frühere stellvertretende CIA-Direktor Michael Morell und Cass Sunstein. Der Juraprofessor war bereits 2008 unangenehm aufgefallen – mit einem Text über „Verschwörungstheorien“.

Die Regierung könnte diesen Theorien durch „kognitive Infiltration“ entgegentreten, schrieb er darin. Man müsse „verdeckte Agenten“ in Chaträume schicken, in soziale Online-Netzwerke und „sogar in Gruppen in realen Räumen“. Zudem könne die Regierung „unabhängige“ Experten verdeckt finanzieren.

Freilich geht es in diesem Zusammenhang nicht nur um Obama. Der Politikwissenschaftler Samuel Huntington, bestens bekannt durch seine These vom angeblich drohenden „Kampf der Kulturen“, hat seinen Freunden im US-Regierungsapparat geraten, sie müssten Machtstrukturen schaffen, die „gefühlt, aber nicht gesehen werden können“. Macht sei stark, wenn sie verborgen bleibe, so Huntington, der 2008 starb. „Demokratisch“ klingt das nicht, aber für die Macht ist es wohl leichter, wenn die Regierten glauben, sie könnten frei entscheiden.

Angesichts der Verfolgung von Edward Snowden und der Verurteilung von Chelsea Manning erlebt man gerade, wie empfindlich die Machthabenden reagieren, wenn jemand das Licht anknipst. Denn: Wer Daten sammelt, sammelt Macht. Geschieht das im Geheimen, bedeutet das noch mehr Macht, denn die Bespitzelten wissen nicht, was die Machthaber alles an Informationen über sie haben. Sie können dann nur hoffen, dass eine Demokratie doch nichts wirklich Schlimmes tun würde.

Ein amerikanisches Phänomen

Womit sich die ketzerische Frage stellt: Dass viele Politiker bei der Geheimdienstfrage so zahm sind, hat das etwas damit zu tun, dass in der NSA auch Informationen über ebendiese Politiker ruhen?

In jedem Fall scheint es mit einem hohen Risiko verbunden zu sein, die Machtstruktur herauszufordern. FBI-Direktor J. Edgar Hoover hat seine Position seinerzeit mit Akten in Geheimschränken gefestigt. In den 1970er Jahren befasste sich ein Senatsausschuss (das sogenannte Church Committee, benannt nach seinem Vorsitzenden Frank Church) mit Missetaten der Geheimdienste. Schon damals wurde gewarnt, die NSA könnte ihren nach außen gerichteten Apparat auch gegen das eigene Volk einsetzen.

Obamas Welt reicht über die Geheimdienstsache hinaus. In Guantánamo wird nicht gefoltert, dafür wird zwangsernährt. Wenn der Präsident Kürzungen in der staatlichen Rentenversicherung vorschlägt, sind das Maßnahmen, um dieses Programm zu schützen. Ende Juli sprach Obama auf einer Rundreise über Mittelklassejobs in einem Versandhaus von Amazon. Die Löhne bei Amazon sind freilich so dürftig, dass viele Beschäftigte mit Familien es kaum bis zur Armutsgrenze schaffen.

Es ist ein amerikanisches Phänomen. Die Elite schafft es nach Desastern wie dem Irakkrieg und dem Einbrechen der Wirtschaft gegen Ende von Bushs Amtszeit immer wieder, der Bevölkerung einen vermeintlichen Neuanfang anzubieten. Der zum Teil dann auch tatsächlich eintritt, zumal auf kultureller Ebene. Unter Obama wuchs in der Gesellschaft die Toleranz gegenüber nichttraditionellen Familien, gegenüber „anderen“ Religionen und Kulturen.

Aber unterm Strich zeigt sich, dass sich die jeweils neuen Machthaber in den harten Themen gar nicht sehr von ihren Vorgängern unterscheiden. Auch sie bauen Potemkinsche Welten, um den Glauben an den amerikanischen Traum zu erhalten.

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9 Kommentare

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  • F
    FRUST

    DER AMERIKANISCHE TRAUM,HAT DIE WELT KAPUTT GEMACHT1

  • F
    Fema

    Die Sache mit den Fema Camps ist auf jeden Fall eine Geschichte, die ich in meinem Ordner "Seltsames über Amerika" abgespeichert habe. Ein interessantes Thema. Aber hört selbst wie Obama die Fema Camps erklärt - "World War" fällt in dieser Rede auch das ein oder andere Mal: http://www.youtube.com/watch?v=moCCixXV_Bc

  • AD
    Antinationaler Deutscher

    Obama hat es nicht so leicht wie Bush. Als Schwarzer muß er einen Teil des sehr großen rechtsnationalistischen Lagers der weißen Amerikaner bedienen und die wollen numal Krieg und Imperialismus. Um Frieden im Inneren zu halten, muß man als US-Präsident Krieg nach Außen führen. Obama steht unter diesem Druck stärker als Bush.

  • Schwarz-Weiss-Weltsicht:

    Als ob es nur zwei Sorten von Politikern gäbe; jene die sich Scheinrealitäten zurechtlegen und jene, die dies nicht tun. Von der zweiten Sorte kenne ich jedenfalls niemanden. Die daraus abgeleitete Schlussfolgerung: "Obama ist auch nicht besser als Bush" ist momentan unter enttäuschten Linken zwar sehr beliebt, aber dennoch ziemlich vermessen. Wer die geplanten zweitätigen Militärschläge gegen Syrien allen Ernstes mit der Irak-Invasion vor 10 Jahren gleichsetzt, lebt jedenfalls auch in einer Scheinrealität....

    • O
      omg
      @Daniel Emanuel Wepfer:

      Ich finde auch, dass das nicht ganz klar 'rüberkam: Die Scheinwelt macht sich nicht unbedingt der Politiker, sondern sie wird für den, der ihm zuhört gemacht. Wenn Sie, lieber Herr Meier jetzt die Gefahren des geplanten Angriffs NICHT mit denen bei Beginn des Angriffs auf den Irak als vergleichbar betrachten können, heißt das schlicht nur, dass die Verdummung bei Ihnen hervorragend Wirkung gezeigt hat.

       

      Die "Berater" von Herrn Obama und Frau Merkel u.ä. Herrschenden wissen offenbar mehr über Sie, Herr Meier, und Ihre Art zu funktionieren als Sie selbst.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Die Machtdefinition existiert nicht. Es werden Gewaltverhaeltnisse beschrieben. Macht setzt immer Gegenmacht und auch kommunikatives Handeln voraus, auch Transparenz. Fehlt das, handelt es sich um Gewalt.

     

    Macht ist dabei kontingent, denn wer zur Gegenmacht nicht faehig ist, haengt in einem Gewaltverhaeltnis.

     

    Es sieht dazu eher nach gezielter Klimavergiftung aus. Das sind die Strukturen eines Regimes, nicht die einer Regierung.

     

    Obamas Versuche credibility ueber Trevor Martin und Mandela und Martin Luther King zu erlangen unterdruecken black american tacit knowledge (mittlerweile laengst wissenschaftlich untersucht); Schwarze mit staerkerer Pigmentierung werden viel schneller von "Schwarzen" mit hellerer Pigmentierung verdaechtigt, unerlaubte Dinge getan zu haben oder eher zu tun. Obamas Realitaet ist niemals dieselbe derer, die stark wirklich schwarz pigmentiert sind. Obama ist in der Konstellation wesentlich privilegiert.

    • H
      Hobbes
      @Andreas Urstadt:

      Ich glaube sie geben sich hier einer Illusion hin, Macht ist immer gleich Gewalt, nur wenn man nicht in der Lage ist Gewalt willkürlich einzusetzen lässt man sich binden. Wer es sich nicht leisten kann zu schießen verhandelt, wer es sich leisten kann schießt!

  • Auf jeden Fall geht es wie im Iraq nicht um das Gift an sich und wie im Kosovo darum, sich ein Land einzuverlaiben. Armes Georgien, der boese Putin. Bravo Iran!

    • DM
      Die Maschine funktioniert
      @fritz:

      "Iraq"

       

      Hilfe, wir werden amerikanisiert!