Debatte Tötung durch Drohnen: Perverse Waffen
Drohnen haben in den vergangenen Jahren tausende Menschen getötet – auch viele Zivilisten. Die UNO muss die unbemannten Kampfmaschinen ächten.
D er militärische Einsatz von Drohnen, das heißt von unbemannten Flugzeugen zur gezielten Tötung, wird von Befürwortern als „saubere Kriegsführung“ gehandelt. Seit Präsident Obama Drohnen im Wahlkampf als „großartigste Sache seit Ewigkeiten“ bezeichnete, kommen auch deutsche Politiker auf den Geschmack. Verteidigungsminister de Maizière und der Wehrbeauftragte Königshaus fordern Drohnen für die Bundeswehr.
Die militärische Effizienz von Drohnen ist allerdings alles andere als erwiesen, und die Kollateralschäden sind immens. Allein in Pakistan sind bei Angriffen durch Drohnen 2.000 bis 3.000 Menschen umgekommen, darunter sehr viele Zivilisten.
Strafrechtlich und völkerrechtlich sind die Probleme, die der Einsatz von Drohnen aufwirft, so groß, dass Obama – nach den Wahlen – verkündete: „Wir brauchen ein legales Fundament.“ Juristen hatten ihn auf zwei Lücken aufmerksam gemacht. Erstens sind gezielte Tötungen von Menschen in Friedenszeiten strafrechtlich schlicht illegal – reine Willkürakte. Und zweitens handelt sich bei diesen Einsätzen um einen Bruch des Völkerrechts.
, geb. 1944, ist freier Publizist und Historiker und lebt in Frankfurt am Main. 2011 erschien im Oktober Verlag der erste Sammelband mit seinen Essays, Kommentaren und Glossen: „Aufgreifen, begreifen, angreifen“.
Durch das im Artikel 51 der UNO-Charta garantierte Recht auf Selbstverteidigung sind Angriffe nur gedeckt, soweit die Sicherheit eines Landes und seine territoriale Integrität bedroht sind. In Kriegen dürfen laut dieser Regelung Kombattanten zwar getötet werden, aber nur, wenn die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der militärischen Notwendigkeit gewahrt werden. Beide Gebote werden missachtet, wenn durch eine Drohne ein mutmaßlicher Terrorist getötet wird, mit ihm aber auch seine halbe Familie und andere Opfer, die sich zufällig gerade in der Nähe des „Targets“ befanden.
Der ehrenhafte Krieg ist obsolet
Jenseits der rechtlichen Fragen stellen sich natürlich politisch-moralische. Der an der UdK Berlin lehrende koreanische Kulturwissenschaftler Byung-Chul Han verwies bei der Debatte über die ethischen Probleme des Drohneneinsatzes auf die seit dem Mittelalter entwickelten Lehre des „justus hostis“, des „ehrenhaften Feindes“. Den durfte man nur töten, wenn er symmetrisch, das heißt gleich gut ausgerüstet war und selbst dann nicht heimtückisch oder außerhalb des Schlachtfeldes.
So jedenfalls die Theorie. Diese Lehre der „ehrenhaften Einhegung des Krieges“ ist allerspätestens seit der Industrialisierung der Waffenproduktion und damit auch des Tötens obsolet geworden. Außerdem herrscht in Kriegen vermutlich seit jeher keine Symmetrie der Waffen, weil jede Seite versucht, aus waffentechnischen Neuerungen Vorteile zu ziehen (und meist die Seite mit den neueren, moderneren Waffen die Schlacht gewinnt).
Symmetrie der Waffen gibt es nur so lange, bis die eine oder andere Seite über eine neue oder zumindest effizientere Waffe verfügt. Dieses Zeitintervall verkürzt sich exponenziell etwa seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865). Hier gewann der Norden die Oberhand auch deshalb, weil er sich als Erster eine Vorform des Maschinengewehrs – das Repeating Gun oder Gatling Gun – verschaffte.
Fortan mobilisierten Politik, Militär und Wirtschaft in allen hochindustrialisierten Ländern den technischen Fortschritt zur Entgrenzung des Krieges durch permanente Innovation und Aufrüstung. Die Entwicklung von Drohnen bildet in diesem Prozess keinen qualitativen Sprung, wohl aber eine weitere Drehung in der nach oben offenen Gewaltspirale. Das technische Mittel – die Drohne – ermöglicht politische und militärische Kalküle, die wenn nicht die rechtlichen Grundlagen, so doch das zivilisatorische, also ethisch-moralische Fundament der Gesellschaft tangieren.
Dr. Seltsams neue Waffen
Drohnen töten ohne jedes Risiko für den Anwender. Gegen solche Waffen sprechen dieselben Argumente wie gegen die Neutronenbombe: Diese töten Menschen und andere Lebewesen durch hohe Strahlendosen, lassen aber Gebäude und Waffensysteme unversehrt. Neutronenbomben treffen also hauptsächlich Zivilisten und nicht die kämpfende Truppe.
Egon Bahr sprach 1978 von der „Perversion des Denkens“. Die Proteste gegen diese Waffen führten dazu, dass US-Präsident Bush sen. die unter Ronald Reagan seit 1981 produzierten Sprengköpfe vernichten ließ, weil die Bevölkerung solche Waffen mehrheitlich als unmoralisch und „religionswidrig“ ablehnte. Zustimmungsfähig sind sie wohl nur bei abgebrühten Militärs wie dem amerikanischen General John Joseph Pershing (1860–1948). Der blieb bis ans Ende seines Lebens der Devise treu, dass man es sich bei Waffen, deren Wirkung „auf Ungeschützte so tödlich“ sei wie chemische und biologische Waffen, nicht leisten könne, „die Frage ihres Einsatzes zu vernachlässigen“.
Die Wiederbelebung der Lehre vom „ehrenhaften Feind“ und von der Symmetrie der Waffen als Bedingung für einen geregelten Krieg, wie er Byung-Chul Han vorschwebt, ist aussichtslos. Wenn man politisch-militärische Kalküle mit Mitteln wie dem Einsatz von Drohnen verhindern will, gibt es nur einen Weg: Man muss Politik und Gesellschaft mit moralisch-politischen Gründen von der Notwendigkeit überzeugen, diese Waffen kollektiv und rechtlich verbindlich zu ächten, und die Staaten für ein Produktionsverbot gewinnen. Drohneneinsätze verwandeln die vom Kriegsschauplatz abgeschotteten Bedienungsmannschaften zu „bloßen Maschinen und Werkzeugen“ (Kant), die buchstäblich blind und taub sind gegenüber den Konsequenzen ihres Tuns.
Das Produktionsverbot für Drohnen müsste eine von der UNO mandatierte Behörde überwachen. Das böte noch keine Gewähr dafür, dass die Produktion eingestellt und bereits existierende Geräte zerstört würden. Verfahren für die Verhängung von Sanktionen gegen Verstöße des Produktionsverbots müssten entwickelt werden. Die Erfahrung mit anderen Verboten – zum Beispiel von Landminen – ist wenig ermutigend, weil große Mächte entsprechende Abkommen nicht unterzeichnen und Verbote ignorieren. Aber die Schwierigkeit dieses Wegs ist kein Argument gegen seine ethische Plausibilität und politische Vernünftigkeit.
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