Debatte Steinmeiers Deutschland-Plan: Wahlkampfschlager geht anders
Zwar erfüllt der blasse Kandidat die Forderungen nach einem positiven Leitbild für die verwirrten Sozis. Doch ist das ein Trick, um die direkte Konfrontation mit der Union zu vermeiden
Wenn man nicht genau hinschaut, könnte man meinen, Frank-Walter Steinmeier habe alles richtig gemacht. Der SPD-Spitzenkandidat verkündet, bis 2020 könnten unter seiner Führung vier Millionen neue Jobs entstehen. Die Arbeitslosigkeit würde "besiegt" dank neuer Stellen in der Industrie, in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Medien, Design und Kultur. Richtig an diesem Ansatz ist: Der blasse Kandidat erfüllt mit seinem "Deutschland-Plan" Forderungen nach einem positiven Leitbild für die verwirrte Sozialdemokratie, nach einem Ziel, das über den Alltag hinausweist und helfen könnte, sperrige Einzelmaßnahmen als Teil eines sinnstiftenden Ganzen zu präsentieren. Doch dieses Versprechen kommt vom Falschen und zur falschen Zeit.
Sieben Wochen Wahlkampf bis zum 27. September können nicht das Bild ausradieren, das sich die Öffentlichkeit in den vergangenen vier Jahren vom Außenminister und seiner Partei gemacht hat. Aufbruchstimmung gehört sicher nicht zu diesem Bild. Stattdessen erinnern Beobachter nun zu Recht daran, dass Steinmeier als Kanzleramtschef schon einmal ein Jobwunder-Programm zusammenzwang. Es hieß Hartz I bis IV.
Dieser "Plan" ist zudem ein Trick. Das ferne Ziel 2020 ermöglicht es der SPD, einen Wahlkampf ohne direkte Konfrontation mit der Union zu führen. Steinmeier kann die beliebte Kanzlerin nicht frontal angreifen. Und er will es auch nicht, denn die Fortführung von Schwarz-Rot ist zur einzigen Machtoption der SPD geschrumpft. Zugleich bietet das Konzept viele Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit mit Grünen und Linken - für die Zeit nach einer verlorenen Wahl. Steinmeiers Deutschland-Plan erfüllt viele Zwecke. Nur ein Wahlkampfschlager ist er nicht.
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