Debatte Neues Unterhaltsrecht: Frauen, geht arbeiten!
Geschiedene Mütter müssen grundsätzlich erwerbstätig sein. Skandalös? Nein, richtig – denn die neue Regelung macht Frauen unabhängiger von Mann und Staat.
![](https://taz.de/picture/267319/14/feminismus0516.20110516-10.jpg)
V or drei Jahren wurde das Unterhaltsrecht reformiert. Seit 2008 gilt nun: Nach einer Scheidung müssen Exeheleute wieder weitgehend für sich selbst sorgen. Konkret heißt das: Männer – denn in der Regel sind es eben nach wie vor Männer, die den Familienunterhalt verdienen, wenn Frauen wegen der Kinder beruflich zurückstecken – müssen ihren Exfrauen nicht mehr in jedem Fall nachehelichen Unterhalt zahlen.
Frauen haben jetzt eine "Erwerbsobliegenheit", selbst dann, wenn sie kleine Kinder haben. Gerade erst hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem Urteil klargemacht, dass Mütter grundsätzlich arbeiten müssen und nicht auf den Unterhalt des Exmanns hoffen können, wenn das jüngste Kind drei Jahre alt geworden ist und in einer Kita oder später als Schulkind in einem Hort betreut werden kann. Die Richter sagten klipp und klar: Ein Vollzeitjob ist geschiedenen Müttern zuzumuten, wenn es entsprechende Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt.
Männer ohne Verantwortung?
Ist das Urteil frauen- und mütterfeindlich? Entlässt es Männer aus ihrer Verantwortung, die sie mit dem Trauschein doch eingegangen sind? Verrohen Kinder in der Kita und im Hort?
Nein. Das jetzige Unterhaltsrecht spiegelt die grundsätzlich begrüßenswerte gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre wider. Und es wird dem Wunsch und dem Handeln vieler Frauen nach Unabhängigkeit von Mann und Staat gerecht.
Jede dritte Ehe wird heute geschieden, Ehen halten ohnehin nicht mehr so lange wie früher, und es sind vor allem Frauen, die die Scheidungen einreichen. Frauen sind heute besser ausgebildet als früher und häufig berufstätig, auch wenn sie Mütter sind. Sie sind aufgeklärter, und sie wollen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Sie wollen trotz fester Beziehung frei sein.
Das alte Unterhaltsrecht von 1977, das Frauen nach einer Scheidung rundum absicherte, weil der Exmann in jedem Fall zahlen musste, war in der Vergangenheit der Bundesrepublik durchaus auf der Höhe der Zeit. Es sorgte dafür, dass Frauen, die viele Jahre ihres Lebens ausschließlich der Familie widmeten, nach einer Scheidung nicht ins soziale Aus gerieten.
In der DDR gab es eine solche Regelung übrigens nicht, weil Frauen dort selbstverständlich gearbeitet haben, unabhängig davon, ob sie verheiratet oder geschieden waren oder ob sie Kinder hatten. Trotzdem: Das alte Gesetz machte Frauen abhängig, von ihren Männern, und wenn der nicht zahlen konnte, vom Staat. Und es entmündigte Frauen, denn sie wurden bewusst vom Arbeitsmarkt ferngehalten. Benachteiligt wurden aber auch Männer. Nur Gutverdiener konnten es sich leisten, nach einer Scheidung eine neue Familie zu gründen.
Recht muss Praxis werden
Das alles ist seit 2008 anders. Doch das neue Recht muss aber erst noch gängige Praxis werden. Dass noch immer so manche Frau nach einer Scheidung davon ausgeht, dass ihr Exmann für sie sorgt, zeigen allein die zahlreichen Prozesse um nachehelichen Unterhalt und die Frage, unter welchen Umständen Frauen eine Erwerbsarbeit zuzumuten ist.
Auch die Angst so mancher Frau, ihr Kind würde in einer Kita vernachlässigt, ist unberechtigt. Studien und die Erfahrungen hunderttausender Eltern bestätigen, dass Kinder am besten dort sozial gefördert werden, wo sie auf Gleichaltrige und auf fähige ErzieherInnen treffen. Vor allem junge Frauen, die zudem nicht lange verheiratet waren, sollten sich von dem Irrglauben verabschieden, dass ein Trauschein automatisch ein materiell gesichertes Leben bedeutet. Die beste soziale Absicherung sind noch immer eine solide Ausbildung und Erwerbsarbeit – und um beides lohnt es sich, zu kämpfen.
Aber genau an dieser Stelle wird es kompliziert, politisch. Denn so konsequent, wie der Gesetzgeber das Unterhaltsrecht modernisiert hat, so stur beharrt er auf dem altertümlichen Ehegattensplitting. Dieses Steuermodell fördert finanziell vor allem die sogenannte Einverdienerehe: Einer geht arbeiten, in der Regel ist das der Mann, und die Frau bleibt zu Hause. Und das unabhängig davon, ob das Paar Kinder hat oder nicht. Warum wird das Ehegattensplitting nicht endlich zugunsten der Individualbesteuerung abgeschafft oder wenigstens umgewandelt in eine ehrliche Familienförderung? So wie das in den meisten EU-Ländern der Fall ist.
Minijobs machen abhängig
Wer will, dass geschiedene Mütter arbeiten, muss zudem dafür sorgen, dass es genügend Kita- und Hortplätze gibt. Aber daran mangelt es bekanntermaßen in weiten Teilen Deutschland. Auch bis 2013, wenn unter Dreijährige einen gesetzlich garantierten Kitaplatz bekommen sollen, wird sich das vermutlich nicht groß geändert haben. Bislang fehlen noch immer 400.000 Plätze. Mehr noch mangelt es an der Bereitschaft vieler Unternehmen, Arbeitszeitmodelle zuzulassen, die dem Alltag von Familien und dem Alleinerziehender gerecht werden. Dem "Familienmonitor 2010" zufolge wünschen sich die meisten berufstätigen Eltern, 30 bis 35 Stunden in der Woche arbeiten zu gehen. Jetzt sieht es in der Regel anders aus: Mütter in Teilzeit mit durchschnittlich 20 Stunden, Väter meist Vollzeit mit reichlich Überstunden. Doch es muss auch für Führungskräfte möglich sein, Teilzeit zu arbeiten.
Darüber hinaus sind zwei Drittel der 7,3 Millionen Minijobber Frauen. Aber die 400 Euro, die Frauen mit diesen unsicheren, unattraktiven Stellen verdienen, sind für sie bares Geld. Die müssen sie nämlich nicht versteuern. Allein aus diesem Grund sind nicht wenige verheiratete Mütter Minijobberinnen. Arbeiten sie regulär Teilzeit und verdienen dadurch mehr als 400 Euro, bleibt von ihrem Einkommen aufgrund der herkömmlichen Wahl der Steuerklassen nichts oder fast nichts mehr übrig. Das macht Frauen erneut abhängig und unmündig.
Ach ja: In ein paar Jahren wird es sicher auch Männer geben, die sich bei ihren Exfrauen Unterhalt einklagen: Nämlich dann, wenn die Frau den großen Karriereweg einschlagen konnte, und der Mann die verantwortungsvolle und erfüllende Aufgabe der Kindererziehung zu einem Großteil übernommen hat.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche