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Debatte Missbrauch in der Katholischen KircheSturz vom Thron

Kommentar von Philipp Gessler

Warum fällt es dem Papst so schwer, sich angemessen bei den Missbrauchsopfern zu entschuldigen? Sieben Gründe für das Versagen der katholischen Kirche.

N atürlich, es ist nicht einfach. Aber die Frage ist schon, warum sich die katholische Kirche auch gut zwei Monate nach Bekanntwerden der ersten Missbrauchsfälle weiterhin so schwertut, das verbrecherische Geschehen der vergangenen Jahrzehnte so schonungslos aufzuklären, wie es den Opfern zusteht. Und warum, das als Zweites, es ihr so häufig misslingt, die richtigen Worte und Zeichen des Bedauerns und der Bitte um Entschuldigung zu finden, die von einer zunehmend skeptischen Öffentlichkeit auch ernst genommen werden können. Dafür gibt es, ohne dass dies eine Entschuldigung wäre, mehrere Gründe.

1. Das Thema Kindesmissbrauch durch ihre Mitarbeiter ist für jede Institution unendlich peinlich, ja für ihren Ruf desaströs, was derzeit nicht nur bei der katholischen Kirche, sondern auch bei der Odenwaldschule zu beobachten ist. Das ist ein Grund dafür, dass das Thema nur so zögerlich an die Öffentlichkeit dringt - und angesichts begründeter Vermutungen von Fachleuten ist wohl damit zu rechnen, dass in den kommenden Wochen noch einige andere Institutionen mit ähnlichen Meldungen von sich reden machen werden.

2. Die katholische Kirche tut sich besonders schwer mit der Aufklärung, da in ihren führenden Positionen nur Zölibatäre wirken, denen das Reden, ja das Nachdenken über Sex und die Versuchungen der Macht auch auf diesem Feld sowieso schon extrem schwerfällt. Es fehlt nicht nur an Erfahrungen. Sex ist, spätestens seit dem Einfluss der hellenistischen Körperfeindlichkeit in den ersten Jahrhunderten, für die christliche Ideologie mindestens etwas Schwieriges. Zugleich ist das Zölibat, wie Nina Streeck (taz vom 12. 3.) schlüssig darstellte, ein Machtinstrument der Kirche, das kaum einfach abgeschafft oder freigestellt werden könnte. Zwar hat schon Paulus die Priesterehe empfohlen; auch theoretisch ist eine katholische Kirche mit einer anderen Sexualmoral - also etwa ohne Pillenenzyklika und Zölibat - denkbar. Praktisch aber käme dies einer Revolution in der Kultur der Kirche gleich. Und Revolutionen gibt es in Roms Kirche aus Prinzip nie.

3. Der Missbrauch von Kindern wiegt bei der katholischen Kirche auch nach ihrem Selbstbild besonders schwer, da es ein doppelter Vertrauensbruch ist: Das missbrauchte Kind verliert nicht nur den Glauben und das Vertrauen in den einen Geistlichen, der sich an ihm verging - es verliert Glauben und Vertrauen in eine ganze Institution, ja in eine Sicht der Welt, in der es einen Gott gibt, der die Liebe ist. Geistlichen wird ja gerade deshalb eine besondere Nähe etwa in der Beichte zugestanden, weil sie dieses Vertrauen zu verdienen scheinen, als Männer Gottes. Der Missbrauchsskandal ist deshalb für die katholische Kirche auch ein ideologisches Desaster. Kein Wunder, dass der Drang zur Aufklärung bei manchen Bischöfen begrenzt ist.

Empfindlicher Priestermangel

Philipp Gessler

42, ist Reporter der taz und beschäftigt sich viel mit religiösen Themen. Er hat Geschichte, Journalistik, Theologie und Politologie studiert.

4. Die katholische Kirche leidet schon jetzt unter einem extremen Priestermangel - der Missbrauchsskandal wird diese Tendenz wohl noch verstärken, da nun bei der Auswahl der Priesteramtskandidaten noch strengere Maßstäbe angelegt werden müssen und da der nun schlechter gewordene Ruf der Kirche Nachwuchs eher abschreckt.

Die Kirche hat es bei ihren Priestern zudem mit einem Personal zu tun, das zwar eine lange und gute Ausbildung hinter sich hat - es kann diese Ausbildung aber fast nur im Kirchenraum nutzen. Auch das verführt manche Oberhirten dazu, das unangenehme Missbrauchsthema lieber beiseitezuschieben. Es schafft ja doch nur Ärger.

5. Ein Männerbund, zumal ein stark hierarchisch verfasster, tendiert immer dazu, Skandale am besten erst einmal zu vertuschen - auch die DFB-Schiedsrichter-Affäre bietet ein aktuelles Beispiel dafür. "Das regeln wir jetzt erst einmal intern", diese Neigung existiert immer da, wo es tendenziell oder traditionell eine Befehl-Gehorsam-Struktur gibt, wo eine Ansammlung von Machos mit Augenzwinkern Fehlentwicklungen oder Sünden vertuschen zu können glaubt, weil es etwas gibt, was alle ideologisch oder mental stark miteinander verbindet. Wo Frauen mit entscheiden und demokratisches Denken vorherrscht, wie es etwa in der evangelischen Kirche der Fall ist, sind Missbrauchsfälle schwerer unter dem Deckel zu halten.

Sind wir nicht alle Sünder?

6. Es gibt eine unselige Tradition des Verschweigens in der katholischen Kirche - dass es seit Jahren zynische Witzchen über Hochwürden und seine Messdiener gibt, zeigt, dass auch im Kirchenvolk selbst eine Tendenz zum Wegschauen geherrscht hat. "Man kann alles machen, man darf nur nicht darüber reden", dieser in katholischen Kreisen weit verbreitete Spruch, meist gemünzt auf Sex mit Frauen oder Männern, deutet an, dass die Lüge schon lange Einzug gehalten hat in das Leben des deutschen Katholizismus. Auch das Institut der Beichte verführt dazu, Sünden als etwas Lässliches anzusehen. Denn sind wir nicht alle Sünder? Dieses Denken erschwert die Aufklärung.

7. Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut - dies böse Wort erklärt auch, warum manche Bischöfe den Missbrauchsskandal nur als böse Medienkampagne missverstehen. Sie verstehen nicht, dass sie in einer offenen, demokratischen und medial verfassten Gesellschaft selber sich öffnen, sich demokratisieren und sich medial wirksam aufstellen müssen. Wer sich selbst auf einen Thron setzt, fällt besonders tief. Deshalb müssen die Bischöfe runter von ihrem Thron. Sie müssen Abschied nehmen von dem theologisch begründeten Dünkel, Nachfolger der Apostel zu sein. Und wenn überhaupt, dann ist nur die Kirche als Ganzes unfehlbar in dem Sinne, dass sie in ihrer 2.000-jährigen Geschichte dann doch immer wieder einen Weg zurück in die Nähe des Evangeliums gefunden hat. Übrigens meistens dank der Menschen am Rande der Kirche, die sie später dann gern heiliggesprochen hat.

Die katholische Kirche ist angesichts des Missbrauchsskandals derzeit wie in einem Zeitraffer einem umfassenden Lernprozess ausgesetzt. Dieser Prozess ist schmerzhaft und wird lange dauern. Das Gute aber ist: Die Kirche hat keine Alternative.

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11 Kommentare

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  • F
    Feinfinger

    Wieso wird hier von den Verbrechen der letzten Jahrzehnte gesprochen? Krankt der Autor an dem menschlichen Dilemma, sich selbst und seine Zeit als absoluten Referenzpunkt zu setzen? Die katholische Kirche hat sich mit Verbrechen etabliert, ist durch Verbrechen reich geworden und übt in verbrecherischer Weise Macht auf die Menschen und ihre Gesellschaften aus. Das kann man bei kritischen Geistern aus allen Epochen nachlesen. Otto von Corvin beschreibt den Werdegang in "Der Pfaffenspiegel" und gibt ein weiteres Bild in "Die Geißler". Johann Most beschreibt "Die Gottespest". Karlheinz Deschner bringt uns in mehreren Bänden "Die Kriminalgeschichte des Christentums", eingeteilt nach Epochen, näher. Die Verbrechen der letzten zwei Jahrtausende beschreibt es wohl, oder eher übel, besser. Wenn jemand aussieht wie ein Stinktier, wenn jemand sich verhält wie ein Stinktier und wenn jemand riecht wie ein Stinktier, dann kann man das auch beim Namen nennen.

     

    @Franz-Martin

    Sozialistische Regime sind Klientel der taz? Was für eine Substanz haben Sie sich den auf die Hostie geträufelt? Man kann seine eigenen Verbrechen doch nicht damit entschudigen, dass auch andere die gleichen Verbrechen begangen haben. "Die Mächte der Unterwelt werden den Fels der Kirche nicht zerbersten lassen." Auweia, da war die Hostie aber überdosiert, oder? Lieber nochmal freidenken, wenn der Rausch nachgelassen hat wünscht

     

    mit dionysischem Gruß

     

    Feinfinger

  • H
    historiker

    @Franz-Martin:

     

    da sie schon ein historisches argument als Kochloeffel benutzen, um die taz mit stalin in einen topf zu werfen, hier ist noch eins: die (katholische) kirche hat in ihrer geschichte millionenfachen mord, dito einkerkerung und freiheitsberaubung sanktioniert und davon profitiert. die am ende toten waren u.a. amerikanische und afrikanische ureinwohner. uebrigens auch die juden im spanien des ausgehenden 15. jahrhunderts. der fels der kirche hat schon viele zerschmettert ...

  • MM
    mensch meier

    Tach, franz-martin,

     

    womit habe ich diese üblen beleidigungen verdient?

    Die taz ist ein typisch westdeutsches produkt mit basis im (ehemaligen) westberlin.

    die klintel ist tendeziell vor allem aus (ehemals) westdeutschen - auch weils davon einfach viel mehr gibt.

     

    ich bin kein sozialistisches regime, auch die "klientel" der taz ist es nicht.

     

    dementsprechend empfinde ich es als absurde beleidigung, wenn der taz eine position zu einem kirchenskandal mit solchen bezügen verwehr wird.

     

    abgesehen davon ist kritik immer erlaubt.

     

    Darf ein Katholik jetzt nicht mehr Kuba kritisieren?

     

    Unfug!

  • HF
    hi frnz+maddin

    sieh mal, ich habe auch keine ahnung, aber dafür ist das archiv ja da.

    in diesem fall richtet sich der aufrichtigkeitsparmeter aber auf vollgas an die kirche, weil keine abmahnung, keine anzeigen, kein garnix, nur kinder vermöbeln.

    surf zum csd mal im netz auch gerne regenbogen(pun)presse und youtube clips, sieh dich dann einfach mal um und lese was katholiken dann schreiben und wie sie agieren und lesben anspucken wollen und fluchen weil sie die ganze bande verdächtigen genau das zu tun was viele priester nun mal ne ganze weile weltweit verbrochen haben und die wurden dafür nicht wirklich bestraft, da sind wir uns doch einig.

    bleibt noch um deinem aufriss zu folgen noch ein blick in den jesuitenschwur und auf die geschichte im dritten reich und so weiter. eigentlich ist das thema katholische kirche schon mehrfach gestorebn und keiner hat es gemerkt, wegen galilei , inquisition, hexenverbrennung, you name it...

  • SB
    S. Brehm

    Der Kommentar von Franz-Martin erinnert mich an die Geschichte von zwei Jungens, die beide Steine geworfen und dabei eine Scheibe zerbrochen haben. Zur Rede gestellt, wer denn die Scheibe zersplittert habe, antwortete einer der Jungens: "Ich nicht ! Er auch !"

     

    Eine typische (katholische) Antwort, die zu beschönigen versucht, was allerdings den Mißbrauchsopfern nicht gerecht wird. Wer sich - wie Franz-Martin - mit solchen Ablenkungsmanövern herausreden will, sollte sich zutiefst schämen ! Aber wie heißt es so treffend: "Wie der Herr, so der Knecht !"

  • C
    Claus

    Es hat auf der anderen Seite ein erheblich stärkeres Geschmäckle, wenn du die Verbrechen der Priester im Nebensatz abtust, um wortreich auf sozialistische Regime etc einzuprügeln.

     

    Ist das jetzt schon Verdrängung oder noch Kleinreden von diesen Verbrechen?

     

    Das ist genau die Strategie der katholischen Kirche.

     

    Wie im obigen Artikel aufgeführt.

  • SP
    Siegfried Paul Posch

    Der römische Bürger Paulus, der hier angesprochen

    ist, verbietet aber gewiß auch der Frau zu lehren.

    Welche Institution kirchlicher Lehre kennen Sie, die

    ein Zölibatsgelübde zurückweisen würde? Und: G. W. F.

    Hegel vertrat die Ansicht, die Frau könne nicht erben,

    das sei ein Unrecht. Welche Nation ist dafür

    verantwortlich, daß diese Meinung nicht mehr Raum

    gewinnt?

    Siegfried P. Posch

  • L
    Linda

    Manche römisch-katholischen Pfaffen sympatisieren mit dem Islam, denn dessen Verkünder Mohammed hat mit der 9-jährigen Aischa die Ehe vollzogen. Legalisierung von Verbotenem durch Ehe!!

  • M
    Musenheinz

    @Franz-Martin:

     

    Hahahaha, vielen Dank, herrlichstes Kirchenkabarett!

     

    Aber Vorsicht:

    Kirchenkabarett in der Fastenzeit wird mit Fegefeuer nicht unter 666 Jahren bestraft!

  • B
    Brausewind

    Ach, bin ich gerührt und ergriffen von so viel Objektivität und dem spürbaren Willen, Missbrauchsopfern endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Augenscheinlich ist der Herr Kommentator von der Unfehlbarkeit und Überlegenheit der Lutherischen Kirchen überzeugt, und ich muss ihm sagen, recht hat er. Gottlob haben deren Religionsdiener ja alle Apostolizität von sich gestreift, deshalb können auch ihre Bischöfinnen (nur eine anachronistische Reminiszenz an graue Vorzeiten!)nun ungeniert und alkoholisiert durch die Botanik rasen. Leider haben ja auch protestantische, wie staatliche und private Einrichtungen so ihre Problemchen, auch mit dem leidigen Missbrauch, und das ganz ohne Männerbündelleien und mit Frauenquote. Komisch. Leider war es ja auch Luther, der seinen Schäfchen riet: Esto peccator et pecca fortiter, sed fortius fide et gaude in Christo, qui victor est peccati, mortis et mundi! Nunja, da decken wir mal schnell den Mantel des Schweigens und der Nächstenliebe drüber. Gottlob haben wir ja die Papisten, wozu sollte denn die Katholische Kirche sonst noch taugen, wenn nicht zum Prügelknaben der Nation und zum Sündebock für die Schuld der Vielen, nicht wahr!?

  • F
    Franz-Martin

    Na ja, es hat schon ein "Geschmäckle" wenn sich die TAZ um "Aufklärung" bei der Kath. Kirche bemüht. Da werden edelste Forderungen und Schlussforderungen gezogen, aber bei der eigenen Klientel, den sozialistischen Regimen der Gegenwart und Vergangenheit, wo bis heute tausendfacher Mord, hunderttausendfache Einkerkerung und millionenfache Freiheitsberaubung und Missbrauch allerzeit und allerorts ausgeübt wurde, fehlt jedes "Aufklärungs"-Bemühen.

    Ich vermute, analog zu den Sozialisten, es geht nicht um die Opfer bei der TAZ, sondern um Bewahrung eines Status des Kulturkampfes gegen christliche Institutionen, aber eines ist sicher, die Mächte der Unterwelt werden den Fels der Kirche nicht zerbersten lassen.