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Debatte MigrationRuhe für die Ausländerfront

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Statt der Regierung zu erklären, was Migranten wollen, erklärt Böhmer den Migranten, was die CDU will. So hat die Integrationsbeauftragte ihr Amt geschickt im Sinne der CDU umgedeutet.

D rei ehemalige Bundesausländerbeauftragte unterstützen den Aufruf, die sogenannte Optionspflicht abzuschaffen. Jenen integrationspolitisch unsinnigen Kompromiss bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, nach dem zwar alle in Deutschland geborenen Kinder mit ausländischen Eltern neben deren Staatsangehörigkeit nun auch einen deutschen Pass bekommen, wenn die Eltern ein Daueraufenthaltsrecht besitzen. Doch mit 18, spätestens aber mit 23 Jahren müssen sie einen der beiden Pässe abgeben. Sonst wird ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen.

"Eine Einbürgerung auf Widerruf ist absurd", sagte die Exbundesausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP) jüngst bei der Vorstellung des Aufrufs. Ihre Vorgängerin, die FDP-Politikerin Liselotte Funcke, und Marieluise Beck, ihre grüne Nachfolgerin, sehen das auch so. Alle drei gehören zu den ErstunterzeichnerInnen des Aufrufs "Wider den Optionszwang".

Die CDU-Parteilinie zählt

Nicht dabei: Die jetzige Amtsinhaberin, die CDU-Politikerin Maria Böhmer. Und nicht nur das: Kaum war der Aufruf veröffentlicht, ließ Böhmer eine Presseerklärung verbreiten, in der sie diesen als "rückwärtsgewandt und anmaßend" geißelte. Und die CDU-Position zum Staatsbürgerschaftsrecht als "Chance" anpries.

Das ist symptomatisch dafür, wie Böhmer ihr Amt versteht. Während sich ihre Vorgängerinnen als - mitunter durchaus kritische - Fürsprecherinnen der Migranten gegenüber der Bundesregierung begriffen, macht Böhmer es genau andersherum: Statt der Regierung zu erklären, was die Migranten wollen, erklärt sie den Migranten, was die Regierung will. Priorität hat dabei die CDU-Parteilinie. Damit hat Böhmer ihrem Amt seine ursprüngliche Bedeutung genommen.

taz

Sabine am Orde ist Politikwissenschaftlerin und Redakteurin im Inlandressort mit dem Schwerpunkt Migrations- und Integrationspolitik.

Dabei ließ es zu Beginn der Legislaturperiode durchaus hoffen, dass die Bundeskanzlerin Integration zur Chefsache erklärte und Vertreter der MigrantInnen zum Integrationsgipfel ins Kanzleramt lud. Die ehemalige Ausländerbeauftragte wurde zur Integrationsbeauftragten umbenannt und bekam den Rang einer Staatsministerin. Die Erziehungswissenschaftlerin Böhmer, die Vorsitzende der Frauen-Union ist und lieber Kulturstaatsministerin geworden wäre, zog in ein großes Büro im Kanzleramt und durfte am Kabinettstisch Platz nehmen.

Doch was zunächst als Aufwertung daherkam, entpuppte sich später als Ruhigstellung. Böhmer konzentrierte ihre Arbeit auf das Thema Integration, die sie - unausgesprochen - vor allem als Beseitigung von Defiziten bei den Migranten versteht. Worin die Mängel bestehen und wie man sie beseitigen kann, will Böhmer am liebsten selbst festlegen. Damit hat sie die Migranten, die sie eigentlich stärken sollte, geschwächt. Böhmers Vorgängerin Beck war SPD-Innenminister Otto Schily regelmäßig in die Parade gefahren - wenn mitunter auch mit mäßigem Erfolg. Von Böhmer aber hört man kritische Worte an der Politik der Regierung überhaupt nicht mehr.

Dabei hätte es dafür durchaus lohnende Anlässe gegeben, zuvorderst bei der Verschärfung des Zuwanderungsrechts, die Innenminister Wolfgang Schäuble vor gut zwei Jahren durchsetzte. Die Verbände der Deutschtürken waren so empört, dass sie Böhmers Renommierprojekt, den Nationalen Integrationsgipfel, boykottierten. Und was tat die Integrationsbeauftragte? Sie übernahm Schäubles Spin, kanzelte die Deutschtürken ab und rechtfertigte die Verschärfungen beim Familiennachzug gebetsmühlenartig mit der Bekämpfung von Zwangsehen. Doch ob diese so verhindert werden können, darf bezweifelt werden.

Auch bei Fehltritten in den Ländern kam von Böhmer keine Kritik. Beim Muslim-Test, mit dem Baden-Württemberg seit 2006 die Gesinnung von Einwanderern aus muslimischen Ländern vor deren Einbürgerung überprüfen wollte, fand die Integrationsbeauftragte "das Anliegen völlig gerechtfertigt". Andere schrien auf, der Test wurde modifiziert.

Als ihr hessischer Parteifreund Roland Koch seinen Wahlkampf mit dem Thema Jugendkriminalität rassistisch aufheizte, hielt sich Böhmer bedeckt. Erst nach der Wahl nannte sie Kochs fehlgeschlagenes Kalkül verharmlosend "Zuspitzung". Als sich 17 CDU-Politiker in einem offenen Brief gegen diese Art von Wahlkämpfen wandten, war Böhmer nicht dabei. Auch bei dem jüngsten Verbalausfall gegen Rumänen von NRWs CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers war Kritik von ihrer Seite nicht zu vernehmen.

"Keine war bislang so schlecht"

"Sie hat unsere Sorgen und unsere Kritik nicht ins Bundeskabinett eingebracht, zumindest bekommt man davon in der Öffentlichkeit nichts mit", sagt denn auch der Chef der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat. "Sie ist keine Anwältin unserer Interessen." Damit spricht Kolat aus, was man vielerorts in den Migrantencommunities hört. Bei Flüchtlingsinitiativen fällt das Urteil noch drastischer aus: "Sie war keine ernsthafte Hilfe für Flüchtlinge", heißt es bei Pro Asyl. Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat bezeichnet Böhmer gar als "Komplettausfall": "Wir hatten noch nie eine so schlechte Beauftragte."

Daran ändert auch der Nationale Integrationsplan wenig, den Böhmer stets anführt, wenn sie nach den Erfolgen ihrer Arbeit gefragt wird. 400 Selbstverpflichtungen, mit dem der Bund, die Länder und Kommunen, Wissenschaft und Sport, Kultur und Migrantenverbände die Integration der Einwanderer verbessern wollen, wurden nach dem Integrationsgipfel von Böhmers Stab zu einem Wälzer zusammengestrickt. Etwas Vergleichbares gab es bei der rot-grünen Vorgängerregierung nicht.

Doch im Integrationsplan steht Wichtiges neben Banalem, Neues neben Altbekannten. Jede noch so schräge Maßnahme wird aufgeführt. Viele von ihnen liefen bereits, als Böhmer in ihr Amt kam. Sie alle sind Selbstverpflichtungen, die nicht einklagbar sind. Über rechtliche Rahmenbedingungen durfte beim Integrationsgipfel nicht gesprochen werden.

Entsprechende Gesetze sind aber eine zentrale Grundlage dafür, ob gesellschaftliche Teilhabe überhaupt möglich ist. Diese zu erreichen, muss Ziel einer Integrationsbeauftragten sein. Sonst ist sie bestenfalls überflüssig.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

9 Kommentare

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  • M
    MigrantvierterGeneration

    Danke für die Meinung zu Frau Böhmer. Ich möchte aber in einem wichtigen Punkt widersprechen:

     

    Da Böhmer Teil der Regierung wurde, muss sie - im Gegensatz zu ihren Vorgängern - zuerst die Interessen "des deutschen Volkes" vertreten. Das ist so im Grundgesetz durch den Schwur, den alle Minister und die Kanzlerin ableisten müssen, festgelegt.

     

    Im Übrigen sind die Interessen Deutschland hinsichtlich des Themas Migration tatsächlich in erster Linie eine effektive Integration, um gesellschaftliche Probleme durch Zuwanderung zu minimieren. Was gibt es daran zu auszusetzen?

     

    Und die Sprachtests waren lange überfällig, wer diese anprangert, aber bei den Parallelgesellschaften wegschaut, ist unglaubwürdig! Es kann doch nicht im Ernst wieder der Zustand gewünscht werden, dass immer neue Heerscharen von Zugewanderten hierher strömen, die sich zu Deutschland, seiner Kultur und Sprache nicht bekennen wollen, sondern hauptsächlich die Sozialsysteme an Deutschland attraktiv finden. Wem nützt so etwas bitteschön?

  • J
    Jack

    @ Krause:

    Migranten brauchen einen Fürsprecher innerhalb der Regierung, weil sie nicht wahlberechtigt sind und entsprechend einen (wenn überhaupt) geringen Einfluss auf die politische Entscheidungen haben, die sie betreffen.

  • M
    Miriam

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    Wie der Sprachtest Zwangsehen verhindern kann, erkennt man am Fall von Sirin (Kurdin aus Batman), die einen Deutschkurs am Goethe-Institut in Istanbul besuchte:

    http://www.zeit.de/2009/38/C-Zuwanderung-Tuerkei

    (Seite 2)

     

    "Ihr Mann, ein kurdischer Mechaniker, lebt in Hamm. Sie kannten sich schon lange, als Cousin und Cousine. Anders als Ferda hat sie sich den Ehemann nicht ausgesucht. Aber Sirins Familie hat sich schwer verliebt in den Bräutigam. Sirin wirkt eher kühl, wenn sie über ihn spricht. (...) Sirin erreicht ihr Ziel. »Wenn ich die Prüfung nicht schaffe, werde ich zurück in meine Heimat gehen«, sagt sie. Wenige Tage später fällt sie durch – die Heirat ist geplatzt."

  • GK
    Goebel Kah

    Vielleicht vertritt Frau Böhmer diese Linie:

    Man kann als Zuwanderer nicht nur Forderungen stellen. Sehe ich auch so.........

  • M
    Miriam

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    Wie der Sprachtest Zwangsehen verhindern kann, erkennt man am Fall von Sirin (Kurdin aus Batman), die einen Deutschkurs am Goethe-Institut in Istanbul besuchte:

     

    http://www.zeit.de/2009/38/C-Zuwanderung-Tuerkei

    (Seite 2)

    Zitat:

    "Ihr Mann, ein kurdischer Mechaniker, lebt in Hamm. Sie kannten sich schon lange, als Cousin und Cousine. Anders als Ferda hat sie sich den Ehemann nicht ausgesucht. Aber Sirins Familie hat sich schwer verliebt in den Bräutigam. Sirin wirkt eher kühl, wenn sie über ihn spricht. (...) Sirin erreicht ihr Ziel. »Wenn ich die Prüfung nicht schaffe, werde ich zurück in meine Heimat gehen«, sagt sie. Wenige Tage später fällt sie durch – die Heirat ist geplatzt."

  • A
    arki

    Migranten wandern zu, Immigranten wandern ein. Warum verstehen sich die Integrationsbeauftragten eigentlich immer Assimilationsbeauftragte?

  • K
    Krause

    Warum brauchen Migranten innerhalb der Regierung einen Fürsprecher? Wir sollten aufhören Migranten wie Kinder zu behandeln. Im übrigen haben sich insbesondere die Türken ja schon ganz gut selbst-organisiert und sind in der öffentlichen Diskussion für wahr nicht zu überhören. Weiterhin ist die Ausländerpolitik der Regierung demokratisch legitimiert und es gibt keinen Grund, diese selbst zu konterkarieren.

  • A
    Andi

    Mein Nachbar, mit dem ich schon 20 Jahre beferundet bin und ihm immer die Hausschlüssel übergebe, wenn ich zum Urlaub fahre, sagte einmal: "Würde mir jetzt die Staatsbürgerschaft angeboten, würde ich diesen nicht annehmen wollen. Alleine die Tests sind ein Ablehnungsgrund. Oder willst du, Andi, mir, dass ich diese Tests jetzt nachhole?"

     

    Natürlich nicht. Meinen Nachbar würde ich zu Millionen von meinen Landsleuten tauschen.

    Wir müssen endlich aufhören, den Migranten(was für ein hässlisches Wort), alles zu diktieren.

    Frau Böhmer hat genauso viel Ahnung von Integration, wie ich von der Atomphysik.

  • KB
    karin bryant

    Nein, die schlechteste war die Gruene M.Beck...die erklaerte : das muessen wir aushalten

     

    Diese Aussage steht fuer die gruene Politik gegen die authochone Bevoelkerung.