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Debatte Korruption und LobbyismusLeitplanken gegen Lobbyisten

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Deutschland ist in Sachen Korruptionsbekämpfung ein Entwicklungsland. Dabei würde es schon helfen, vier einfache Regeln zu befolgen.

Welcher Lobbyist hat das opulente Essen ausgerichtet? Bild: dpa

D eutschland befindet sich, was Korruption und Lobbyismus angeht, im Stadium der Selbsttäuschung. Dass wir in internationalen Vergleichen betreffs Korruptionsbekämpfung und Transparenz bei Lobbyismus regelmäßig eher bei Rumänien als bei Finnland eingeordnet werden, wird mit Achselzucken zur Kenntnis genommen. Bei der Bildungspolitik – siehe Pisa-Studie – sorgen solche Nachrichten für nationales Hyperventilieren – bei alarmierenden Befunden zum Lobbyismus sind politische Klasse und Öffentlichkeit erstaunlich schwerhörig.

So weigern sich die Parlamentarier halsstarrig, die Antikorruptionskonvention der UN zu unterzeichnen. Geltendes Recht ist hierzulande, dass sich Bundestagsabgeordnete, die über Autobahnbau entscheiden, ganz legal von Unternehmen ein Auto schenken lassen können. Dass solche Abgeordnetenbestechung fortan strafbar wäre, erscheint der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten als unzumutbare Einschränkung ihres Jobs.

Mag sein, dass die politische Klasse so wenig Antennen für das Thema Lobbyismuskontrolle hat, weil sie dort ein Feld vermutet, auf dem populistische Vorurteile gegen sie gedeihen. Oder ist die Weigerung, das Naheliegende zu erkennen, schon Anzeichen einer Abhängigkeit von den Geld- und Aufmerksamkeitsströmen, mit denen Lobbyisten die Politik versorgen? Verhält sich die politische Klasse wie ein Süchtiger, der alles tut, seine Sucht zu verbergen, auch vor sich selbst?

Bild: taz
Stefan Reinecke

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Fakt ist, dass der Lobbyismus mächtiger geworden ist. In den 70er Jahren gab es in Bonn etwa 600 Lobbyisten, derzeit sind es in Berlin rund 5.000. Es gibt aber ein paar einfache Schritte, mit denen die Politik sich gegen allzu große Nähe zu Interessenvertretern wappnen kann.

1. Auszeit für Expolitiker. Man muss die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft verriegeln. Gerade aus der rot-grünen Regierung kamen spektakuläre Anschlussverwendungen. Exkanzler Gerhard Schröder steht im Ruf, aus seinem Amt und den dort gewonnenen Kontakten Geld gemacht zu haben, ja sogar als Kanzler protegiert zu haben, was danach Job wurde. Schröder arbeitet für die deutsch-russische Nord Stream AG, die mit einer Ostsee-Gaspipeline Geld verdient. Als Kanzler hatte er genau dieses milliardenschwere Pipeline-Geschäft vorangetrieben.

Gewiss haben Politiker, die in Demokratien stets mit unsicheren Jobperspektiven rechnen müssen, ein legitimes Interesse, nach Wahldesastern nicht im sozialen Aus zu landen. Dies liegt auch im Interesse des Gemeinwohls, weil ansonsten bei Abgeordneten eine soziale Selektion Richtung öffentlicher Dienst droht. Eine faire Lösung wäre eine unabhängige Kommission, die Jobangebote prüft, wenn Politiker innerhalb von drei Jahren in Branchen anheuern, mit denen sie zuvor als Volksvertreter zu tun hatten.

2. Keine Lobbyisten in Ministerien. Ein besonders trübes Erbe von Rot-Grün, bei dem demokratische Selbstverständlichkeiten als Ballast entsorgt wurden, ist das Programm Seitenwechsel. Angeblich um Beamte mit dem wirklichen Leben zu konfrontieren, wurden Konzernvertreter in Ministerien eingeschleust. Dort schrieben sie teilweise an Gesetzen mit, die ihre Arbeitgeber betrafen – und standen während dieser Zeit noch auf deren Gehaltszettel. Von Lobbyismus im üblichen Sinne konnte dabei keine Rede mehr sein: Die Interessenvertreter waren vom Vorraum in die Machtzentrale selbst eingedrungen.

Seit 2008 dürfen externe Mitarbeiter keine Schlüsselrollen mehr bekleiden. Das gilt allerdings nicht für zeitlich befristete Einsätze, ein eindeutiges gesetzliches Verbot der Mitarbeit von Interessenvertretern in Ministerien fehlt.

3. Transparenz bei Lobbygruppen. Interessen zu vertreten ist in einer Demokratie nichts Ehrenrühriges. Allerdings ist, gerade wenn wirtschaftliche Macht im Spiel ist, Fairness geboten, damit gut organisierte, kapitalstarke Verbände und Firmen nicht zu sehr im Vorteil sind. Zum Fairplay gehört, dass für alle sichtbar ist, wer welche Interessen vertritt, und Camouflage von Einzelinteressen als Gemeinwohl möglichst ausgeschlossen ist. Deshalb ist ein verbindliches und strafbewehrtes Lobbyregister überfällig. Ein Beispiel könnte sich Deutschland an Österreich nehmen, wo seit 2011 alle pressure groups auskunftspflichtig sind.

4. Parteispenden von Unternehmen. Die Zeiten, als Hunderttausende in die Parteien strömten, sind lange vorbei. Parteien brauchen viel Geld, wenn sie die digitalen neuen Öffentlichkeiten bespielen wollen, ohne die Ortsvereine veröden zu lassen. Zum Glück gibt es, neben dem Staat, Großspender. Die CSU erhält regelmäßig mehrere hunderttausend Euro im Jahr vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Auch CDU, FDP, SPD und Grüne werden von Konzernen bedacht. Wer mehr als 50.000 Euro schenkt, muss dies kundtun.

Die Frage ist, ob diese Spenden stets uneigennützig fließen oder ob nicht doch mitunter freundliche Gegenleistungen erbracht werden. Diesen Verdacht legte die Mövenpick-Affäre nahe, als ausgerechnet ein Unternehmen der Hotelbranche der FDP mit Euros zur Seite stand, die wiederum umgehend eine Senkung der Mehrwertsteuer für Hoteliers auf den Weg brachte. Klug wäre es, Spenden von Unternehmen, deren Gewinne von Steuergesetzen abhängen, schlicht zu verbieten.

Mangel an Waffengleichheit

Diese vier Punkte sind kein Allwetterschutz gegen illegitime Beeinflussungen. Es sind Leitplanken, die an besonders verkehrsreichen Stellen Unfälle verhindern helfen. Was bleibt, ist der Mangel an Waffengleichheit, unter dem kleine Interessenvertreter leiden und der große pressure groups bevorzugt.

Lobbyismus ist nicht mit einem Handstreich ein für alle Mal zu reglementieren. Es ist eher ein zäher Kampf in unübersichtlichem Gelände, zwischen der demokratischen Öffentlichkeit und jenen, die zu viel Publizität scheuen. Doch wenn auf jeder Visitenkarte zu lesen ist, wen der freundliche Herr, der dieses opulente Abendessen ausrichtet, eigentlich vertritt, wäre etwas gewonnen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • In diesen Tage wird in der EU die Netzneutralität geopfert. Relativierend "entschuldigt" wird dies mit einem Kuhhandel im Zusammenhang mit Roaminggebühren. Welch eine Farce! In Wahrheit können die Freudensprünge der Lobbyisten der Provider gar nicht hoch genug reichen angesichts dieses "Erfolges". Es wird immer schlimmer. Ihr Beitrag ist aktueller denn je...

  • I
    Irmi

    Um Lobbyismus zu unterbinden gehört auch, das kein einziger Politiker, welcher Partei auch immer irgendwo Vorstandsfunktionen hat, irgendwo Vorträge hält wo sie tausende Euro erhalten. Keinerlei Parteispenden mehr.

     

    http://www.3sat.de/page/?source=/scobel/147293/index.html

    Im Zentrum der Macht

    In Berlin werden Entscheidungen getroffen.Beratung oder schon Manipulation?

     

    http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,259242,00.html

    STANDORT DEUTSCHLAND

    Die Lobby-Republik

  • A
    anonym

    "Die Lobby kann nicht mit einem Handstreich gelöst werden" die Ausage find ich gut, und den Artikel so klein wie möglich auf der Seite positionieren! Sehr schön

  • H
    Hasso

    ABWÄHLEN! Wer den Bürger bescheißt muss Konsequenzen spüren! Schaut man aber auf die Wahlprognosen, so muss man annehmen, dass der Wähler ein Masochist ist. Nach jeder Wahl bekommen wir eine neue Lobby-Regierung.

  • FV
    Franz vege

    Es fehlt Kritik an der Lobby für Einwanderung aus Bulgarien und Rumänien.

     

    Oder darf man das ignorieren?

  • B
    bono

    Ein klassischer taz-Beitrag - alle anderen sind böse und verlogen, die taz hingegen ist links und ehrenvoll. Gähn.

  • V
    vic

    Ich verstehe den Beitrag nicht. Unstrittig sind die taz-Artikel zu Themen wie "Solarenergie" alle von der milliardenschweren Solar-Industrie gekauft. Warum wird das in den Beitrag nicht erwähnt?

  • L
    Lobby-Watch

    Das jüngste Beispiel:

     

    "Das grüne Widerstands-Idol Daniel Cohn-Bendit hat den Marsch durch die Institutionen geschafft: Er ist Mitglied einer Brüsseler Lobby-Initiative, die Microsoft, Google und Facebook bei der EU Gesetzgebung hilft. Gesteuert wird die Gruppe von der PR-Firma Burson Marsteller, die unter anderem der Deutschen Bahn bei Stuttgart 21 diskret zur Hand ging."

     

    Hier weiterlesen: http://www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2013/03/51249/

     

    Özdemir und Fischer sind die anderen, die von den Grünen gedeckt werden...

    Übles Pack diese Lobbyisten.

    Schlimm das die Grünen in dem Artikel so bravourös davonkommen.

  • M
    MK1964

    "Klug wäre es, Spenden von Unternehmen, deren Gewinne von Steuergesetzen abhängen, schlicht zu verbieten."

     

    Klingt gut, aber würden Sie mir mal irgendein Unternehmen, irgendeinen Verein oder irgendeinen Mitmenschen zeigen, dessen Finanzen NICHT von Steuergesetzen abhängig ist!

  • M
    Magnat

    Viele Politiker halten es wohl für erstrebenswert in der Parteienhirarchie empor zu kommen dank Günstlingswirtschaft. An exponierter Stelle wird man dann von Lobbyisten umgarnt und versorgt bis hin zum Übertritt in die Wirtschaft nach dem Ende im politischen Amt. Das ist Korruption, ganz einfach. Gern zeigt man auf Länder wie Italien und ferneren Staaten. Dabei hat man sich doch in der deutschen Bananenrepublik so nett eingerichtet. Dem Gemeinwohl verpflichtet zu sein, ist den meisten Abgeordneten nicht mehr in Erinnerung, oder? Korrupten Mitbürgern steht quasi Bestandsschutz zu. Es liegt soviel Dreck vor unserer deutschen Tür, daß ein Licht am Ende des Tunnels verdeckt bleiben wird. Der Artikel von Herrn Reinecke weist in die richtige Richtung.