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Debatte JugendarbeitslosigkeitDie Propagandamaschine läuft

Kommentar von Ursula Engelen-Kefer

Die EU-Granden und auch Angela Merkel bemerken endlich die Jugendarbeitslosigkeit – und verordnen die falschen Maßnahmen. Deutschland kann's recht sein.

Abhängen zu Hause: Student George aus Athen hat seinen Job in einem Lagerhaus vor 14 Monaten verloren. Bild: reuters

J etzt jagt eine Initiative die nächste, jetzt will die EU die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. An Appellen für Arbeit, Ausbildung und Mobilität auf höchstrangiger Ebene mangelt es nicht, die dramatisch steigende Jugendarbeitslosigkeit wird das nicht stoppen. Der EU-Gipfel Ende Juni kündigte wolkenreich eine „Jugendgarantie“ für Beschäftigung und Ausbildung an.

Nun lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel die Spitzen der EU-Regierungen höchstpersönlich nach Berlin. Ob dies zu mehr Verbindlichkeit führt oder eher Wahlkampfaktionismus ist, um Herz für ein soziales Europa zu zeigen, bleibt abzuwarten.

Bekanntlich sind die mit drastischen Kürzungsmaßnahmen verbundenen milliardenschweren Rettungsoperationen vor allem der Finanzbranche, den Wohlhabenden und internationalen Steueroasen zugutegekommen. Die bitteren wirtschaftlichen und sozialen Folgen trägt indessen die Mehrheit der Bevölkerung, der Sozialstaat wird weiter abgebaut.

Das Ergebnis ist eine anhaltende Wirtschaftsrezession, die von den Krisenländern auch auf andere Euroländer übergreift. Entsprechend schnellte die Erwerbslosigkeit europaweit auf über 12 Prozent hoch, bei jungen Leuten liegt sie etwa doppelt so hoch, in Griechenland und Spanien sind die jungen Erwachsenen zu über 50 Prozent ohne Job.

Nur ein Randthema

Bild: Archiv
Ursula Engelen-Kefer

Die promovierte Volkswirtschaftlerin war von 1990 bis 2006 stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und saß von 1986 bis 2009 im SPD-Vorstand.

Trotzdem blieb die Erwerbslosigkeit bei den Verhandlungen um den EU-Fiskalpakt mit der rigorosen Schuldenbremse nur ein Randthema. Die Vereinbarungen à la Merkozy schüren die Konflikte zwischen den EU-Ländern und den Arbeitnehmern. Deutschland wird zu Recht als Sparkommissar für die verheerenden sozialen Verschlechterungen in den Krisenländern verantwortlich gemacht. Denn verordnet wird den Krisenstaaten die Medizin der Agenda 2010, als ob es zusätzlich zur hohen Arbeitslosigkeit nicht schon genügend unsichere Beschäftigung mit Niedrigstlöhnen gerade für junge Menschen geben würde.

Doch unverdrossen propagiert die EU-Kommission nicht nur den weiteren Abbau des Kündigungsschutzes und Eingriffe in die Lohn- und Tarifpolitik der Gewerkschaften, sie will jetzt auch das Rentenalter gleich auf 69 Jahre hinaufsetzen. Ältere und jüngere Arbeitnehmer werden gegeneinander ausgespielt. Ein Schelm, der vermutet, dass die bedrückende Jugendarbeitslosigkeit genutzt werden soll, um den Abbau sozialstaatlicher Einrichtungen voranzutreiben.

Gleichzeitig kann der von der EU-Kommission vorgelegte Maßnahmenkatalog nicht funktionieren. Er kreist um folgende Schwerpunkte: Die duale Berufsausbildung nach deutschem Muster soll eingeführt, kleine und mittlere Betriebe sowie die Gründung von Start-ups sollen gefördert werden. Eine europaweite Qualifizierungs- und Beschäftigungsgarantie spätestens vier Monate nach Beendigung der Ausbildung, nach dem Beispiel Österreichs, wurde nur empfohlen, ein Mechanismus zur Um- und Durchsetzung nicht beschlossen.

Die Fehler im Einzelnen

Doch die Einführung und der Ausbau einer betrieblichen Berufsbildung hängen entscheidend davon ab, ob genügend Unternehmen qualifizierte Ausbildungs- und Arbeitsplätze anbieten können. Selbst in der stets als Modell gepriesenen Bundesrepublik bilden nur noch ein Fünftel der Betriebe aus, indessen hunderttausende junger Menschen in öffentlich finanzierten Bildungswarteschleifen geparkt werden.

Und bei einem jährlichen Rückgang des Wirtschaftswachstums von 5 bis 6 Prozentpunkte – wie etwa in Griechenland – bedeutet eine vernünftige betriebliche Berufsbildung die „Quadratur des Kreises“. Zum einen: Zieht die öffentliche Hand nicht an einem Strang mit den Tarifparteien, läuft sowieso überhaupt nichts. Dann braucht es eine entsprechende Infrastruktur an Verbänden und Facheinrichtungen. Nichts davon ist in den Krisenländern vorhanden. Die deshalb vorgesehenen 6 Milliarden Euro für die Förderperiode bis 2020 sind da lediglich der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Ähnliches gilt für die geplanten 70 Milliarden Euro der Europäischen Investitionsbank (EIB) zur Finanzierung von Klein- und Mittelbetrieben.

Die angekündigte Verknüpfung mit der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für junge Menschen bleibt völlig undurchsichtig. Zudem können die Krisenländer die Mittel zur Rückzahlung der Kredite nicht aufbringen.

The winner is … Deutschland

Übrig bleiben dürfte mithin vor allem die Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität. Die Propagandamaschine von Wirtschaft und Bundesregierung, dass es einen Mangel an Auszubildenden gäbe, läuft bereits auf vollen Touren. Nach anfänglichem Zögern ziehen immer mehr qualifizierte Arbeitnehmer aus Griechenland, Spanien oder Italien in die Bundesrepublik. Die aktive Anwerbepolitik – 5.000 junge Spanier für 33.000 freie Ausbildungsplätze – trägt Früchte.

Ein derartiger brain gain für Deutschland und entsprechender Braindrain für die Krisenländer kann jedoch keine dauerhafte Lösung sein. Damit wird der Druck verringert, den hierzulande vielen jungen Menschen in „Bildungswarteschleifen“ oder unsicheren Jobs mit Niedriglöhnen eine qualifizierte Ausbildung und Arbeit zu geben. Für die Krisenländer besteht in dem Braindrain eine große Gefahr für die eigene wirtschaftliche Entwicklung. Dies zeigt das Beispiel der neuen Bundesländer mit der Abwanderung qualifizierter jüngerer Menschen besonders drastisch.

Eine brain circulation, also der gezielte Einsatz dieser jungen Menschen in der Bundesrepublik zum Erwerb von Qualifikationen für ihre Heimatländer, ist graue Theorie. In einem Europa der Freizügigkeit können die Menschen dort arbeiten und leben, wo sie wollen, und nicht zur Rückwanderung gezwungen werden. Höchst fraglich ist auch die Qualität der Ausbildung und Arbeit – siehe die vielen Dienstleistungen zu Hungerlöhnen.

Notwendig ist stattdessen die gezielte Entwicklung qualifizierter Ausbildung und Arbeit in den Krisenländern selbst. Hierzu bedarf es des politischen Willens und praktischen Durchhaltevermögens bis auf die Spitzenebenen von EU und Mitgliedsländern.

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11 Kommentare

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  • J
    Jen

    http://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/suedeuropas-jugend-soll-ausbildungsplaetze-in-deutschland-erhalten-a-909070-3.html

     

    Der Witz daran ist ja folgender: Junge Spanier kommen bereits MIT fertiger Ausbildung! hierher und wollen hier arbeiten! Stattdessen sagt man Ihnen, sie müssten erst 3 Jahre oft erneut identischen ! Beruf lernen. Das ist mir schon bei den Bulgaren aufgefallen: Es kamen welche, die Mitte 20 waren und schon längst in Bulgarien als Koch ausgebildet waren UND Berufserfahrung darin hatten.

     

    Statt diese in DE direkt zum Lohn eines Festangestellten gleich fest einzustellen, sollen sie erneut im gleichen Beruf eine Ausbildung machen zu geringerem Entgelt, der Rest ist dann HZL, natürlich vorher mit Praktikum.

     

    diese Personen haben den Beruf bereits gelernt. Bei echtem Mangel könnnte man diese direkt zum Festangestelltenlohn anstellen ohne erneute Ausbildung.

     

    Aber es gehört in vielen Bereichen zum Geschäftsmodell Azubis auf Halde zu produzieren. Sind diese fertig gelernt, werden sie nicht übernommen, sondern dann kommt oft der Nächste.

     

    von daher hat Frau Engelen-Käfer Recht mit dem Hinweis, dass auch in DE schon längst nicht alle Azubis wirklich ausgebildet und/oder gebraucht werden. Ein "Azubimangel" ist übrigens ein miserabler Indiikator für "Fachkräftemangel"

    Das liegt daran, dass viele Betriebe auch über Bedarf ausbilden, oder das in manchen Branchen ausgebildet wird, statt Altausgebildete endlich zu übernehmen.

     

    ein echter Indikator ist eher die Engpassanalyse der ARGE, die aber in den meisten Berufen Fachkräfteüberschüsse aufzeigt.

  • H
    Hafize

    Nicht Deutschland gewinnt, sondern die Eliten hier setzen sich durch. Dabei wird Deutschland auch nicht viel besser: Niedrige Wachstumsquoten, hoher Exportdruck aus China und eine miserable Einwanderungspolitik plus hohe Grundarbeitslosigkeit. Deutschland ist kein Modell in diesem Europa.

     

    Aber für Südeuropa wird es das wohl werden, nur das die Länder dort noch ärmer sind und deswegen schneller absteigen. Die Jugendlichen dort waren dort erst zig Regierungen egal, jetzt scherrt sich die Kanzlerin hier auch nicht um südeuropäische Jugendliche, denn die Summen verwässern sich, je näher sie an tatsächliche Jugendliche kommen. Am Ende ist das praktisch Nichts.

     

    Europa braucht Wachstum und Südeuropa muss den Teufelskreis aus Negativwachstum, Schulden, Schuldendienst, Nachfrageschwäche und Arbeitslosigkeit rasch durchbrechen, sonst zahlt ganz Europa die Zeche. Und Chance für die Jugend kommt am Besten über eine Zukunft, über Wachstum. Programme helfen nur sehr sehr bedingt.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Wo die Milliarden versickern werden ist doch klar, was sich nicht ändern wird ist auch klar. Übrigens viele Jugendliche in den südl. Ländern sind trotz Studium und Ausbildung arbeitslos, das Problem liegt also wo anders, deshalb wären wohl auch ein paar neue Lösungsansätze nötig.

  • SK
    S. Kahn

    Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel!

     

    Das wir es mit einer Art Propaganda zu tun haben, lässt ja auch die von den Staaten in Heiligendamm beschlossene ILO-Statistik vermuten. Demnach wird nur als Arbeitsloser gezählt, der weniger als 1 Stunde pro Woche arbeitet. Ausbildungsplatzsuchende, Berufsrückkehrer und Rentner, die gerne einen Job hätten und alle, denen ihr Teilzeitjob nicht ausreicht, werden hier nicht mit einbezogen.

     

    In Wirklichkeit sind die Fakten wesentlich schlimmer.

    Schöne neue Welt!

  • RB
    Rainer B.

    @ neubau

     

    Berechtigter Einwand!

     

    Mir ist selbst der Begriff "Wirtschaft" zu wage.

    Es soll in der bundesdeutschen Geschichte mal eine Zeit gegeben haben, in der "Wirtschaft" eine gesamtgesellschaftliche Aktivität im Interesse und zugunsten aller Bürger gewesen sein soll. Mag ja sein.

    Heute jedenfalls ist "Wirtschaft" eine Investition einer kleinen Minderheit, die über das Gros des Vermögens dieses Landes verfügt, allein zum Zwecke der Vermehrung dieses Vermögens. Nicht selten werden diese Investitionen gegen den erklärten Willen einer großen Mehrheit und zu deren Nachteil getätigt.

  • V
    vic

    @ Die Propagandamaschine läuft

     

    Nein, sie schreibt einen Kommentar. Wie viele andere vor ihr und nach ihr auch.

  • W
    Wolfgang

    'Hartz V' für Europas Jugend >?<

     

    "6 Milliarden Euro" für die Jugend Europas, aber 1200 Milliarden TEuro (1,2 Billionen) für Europas Finanz- und Monopolbourgeoisie. (1:200)

     

    Aufwachen, brave europäisch-deutsche Michels!

     

    Merke: Den Kapitalismus, die (A)"Soziale Marktwirtschaft" der BDA-Bourgeoisie und Quandtschen BDI-Erbschafts-Aktionäre (- und deren spezialdemokratischen "Sozialpartner" -) in EU-Europa beseitigen!

  • DM
    Dr. Manhattan

    Hier etwas Aufklärung zu den immer wiederkehrenden Schreckensstatistiken:

     

    Zitat: "Für Griechenland meldete die europäische Statistikbehörde Eurostat Ende 2012 eine Quote von 57,9 Prozent, für Spanien 55,2 Prozent. Jeder zweite Jugendliche ist dort ohne Job. Oder? Dass diese Interpretation falsch ist, darauf verweist Eurostat in einer versteckten Anmerkung seines Statistik-Glossars: Eine hohe Quote bedeute "nicht zwangsläufig, dass die Gruppe der jungen Arbeitslosen groß ist". Denn sie misst nur den Anteil der Arbeitslosen an allen Jugendlichen, die Arbeit suchen oder haben. Schüler und Studenten bleiben also außen vor - obwohl sie mehr als die Hälfte der unter 25-Jährigen ausmachen."

     

    Quelle:http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/jugendarbeitslosigkeit-in-spanien-quote-gibt-verzerrtes-bild-ab-a-902014.html

  • DP
    Die Propagandamaschine läuft.

    Ursula Engelen-Kefer schreibt als "Journalistin" in der taz? Wer soll das dumme Gerede derer ernst nehmen, die erst schweigen wenn ihre Genossen in Griechenland oder Spanien die Kassen plündern oder es in Italien unmöglich machen mehr als 18 Angestelte zu haben um selbst in Deutschland 1998-2005 eine Rekordarbeitslosigkeit und Rekordschulden anzuhäufen. Soviel Unverfrorenheit gabs früher wenn der Pfarrer das Milchmädchen schwängerte und es jeder wusste, er aber Sonntags von der kanzel auf sie zeigen konnte und alle nickten. So in etwa ist es heute "links" zu sein. Bald sind Wahlen. Die Propagandamaschine läuft. Aber ohne mich.

  • N
    neubau

    Liebe taz, liebe Autorin,

     

    wieso ist der Gewinner "Deutschland"? Das ist doch eine Lüge! Es profitiert die deutsche Wirtschaft - und die ist nicht das Land!

     

    Ich warte auf den Tag, an dem die Linke beginnt, zu verstehen, dass sie sehr korrekt mit Sprache umgehen muss, wenn sie sich gegen den Zeitgeist wehren möchte.

  • A
    autocrator

    ich hatte oft meine liebe not mit Frau Engelen-Kefer, zu oft trägt sie in ihren verschiedenen ämtern entscheidungen mit, die letztlich kontraproduktiv sind.

     

    Aber in diesem kleinen aufsatz zeigt sie, dass sie doch so einiges verstanden hat, v.a. über die inneren zusammenhänge.

     

    Was sich daraus ableitet, bleibt bei ihr zwar genauso nebulös-unklar, wie es die absichtserklärungen der regierungen sind - zum einen sicher deshalb, weil sich soetwas nicht in einem kurzen aufsatz unterbringen lässt, zum anderen weil die materie hinreichend kompliziert ist, um da eine lösung einfach so aus dem ärmel zu schütteln.

     

    aber insgesamt: einer der wenigen lichtblicke der erkenntnis bei einem mitglied der politischen klasse. - auch wenn ich keine hoffnung habe, dass da etwas konstruktives draus erspriesst, dazu ist "das system" zu arretiert.