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Debatte Gebärmutterhalskrebs-ImpfungVermeidbarer Tod für viele Frauen

Kommentar von Ellen Johnson-Sirleaf

Der Gebärmutterhalskrebs ließe sich weltweit ausrotten - mit einfachen Impfungen. Ein Aufruf der liberianischen Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf.

S eit ich im Jahr 2006 Präsidentin von Liberia wurde, ist es eines meiner vordringlichen Ziele, Frauen den Weg in alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche zu ebnen. Aber die Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Lage kann ihnen nicht helfen, wenn sie an einer Krankheit sterben, die wir inzwischen erfolgreich bekämpfen können. Heute haben wir die historische Chance, weltweit 250.000 Frauen jährlich vor dem Tod zu bewahren, indem wir Gebärmutterhalskrebs ausmerzen.

Bild: dpa
Ellen Johnson-Sirleaf

ist seit 2005 Präsidentin von Liberia. Die Finanzexpertin untersuchte als eine von sieben Persönlichkeiten den Völkermord in Ruanda für die Organisation für Afrikanische Einheit. Der obige Text erscheint auch bei "Le Soir", Belgien, "El País", Spanien, und dem "Philadelphia Inquirer", USA.

Diese Chance ergibt sich dank neuer, bahnbrechender Impfstoffe, die vor den meisten Formen des Gebärmutterhalskrebses schützen. Dieser Schutz nützt jedoch Frauen nicht, die diese Impfstoffe nicht erhalten oder deren Länder sie nicht finanzieren können.

So schließe ich mich solidarisch der Europäischen Kommission an, die sich im September des letzten Jahres auf einer hochrangigen Konferenz in Brüssel zu diesem Thema mit Vertretern der Zivilgesellschaft, staatlicher Gesundheitsinstitutionen, der Pharmaindustrie und der Vereinten Nationen beraten hat, um eine globale Lösung für die Bekämpfung einer nun vermeidbaren Krankheit zu finden.

Wir wissen heute, dass nahezu alle Fälle von Gebärmutterhalskrebs durch Stämme des durch Geschlechtsverkehr übertragenen humanen Papillomvirus ausgelöst werden, was jährlich 500.000 Frauen betrifft. Während sich vier von fünf durch Gebärmutterhalskrebs verursachte Todesfälle in Entwicklungsländern wie meiner Heimat Liberia ereignen, sind die Auswirkungen dieser Krankheit jedoch überall auf der Welt spürbar. Im Zuge meines Engagements habe ich das Schicksal vieler Betroffener aus allen Schichten kennengelernt: Politikerinnen und Unternehmerinnen, Hausfrauen und Bäuerinnen aus Europa wie aus Afrika. Auch die Vorsitzenden der Brüsseler Konferenz zu Gebärmutterhalskrebs, Vaira Vike-Freiberga, die frühere Präsidentin Lettlands, und Lieve Fransen, eine hohe Beamtin der Europäischen Kommission, haben durch diese Krankheit Familienmitglieder verloren.

Die Entwicklungsländer sind mit zirka 80 Prozent der Fälle unverhältnismäßig schwer von Gebärmutterhalskrebs betroffen. Die Krankheit tritt gewöhnlich bei Frauen zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr auf. Dies hat gerade in Entwicklungsländern katastrophale Folgen, da Frauen dort häufig durch ihre Berufstätigkeit das finanzielle Rückgrat ihrer Gesellschaft und ihrer Familien bilden. Wenn die Ehemänner zum Beispiel als Folge von Bürgerkriegen oder Aids als Versorger ausfallen, hängt die gesamte Familie häufig gänzlich vom Einkommen der Frau ab.

Das Engagement gegen Gebärmutterhalskrebs erfordert Anstrengungen sowohl seitens der wohlhabenden als auch der armen Länder, der Industrie und der Aktivisten, der Ärzte und der Krankenschwestern, damit jedes Mädchen geimpft werden kann. Die entwickelten Länder müssen zu ihrem eigenem Wohl den Impfschutz auf alle Mädchen ausdehnen. Dies wird in Großbritannien bereits praktiziert und in den USA konkret diskutiert. Besondere Anstrengungen sind jedoch in den Entwicklungsländern notwendig, wo jedes Jahr noch immer 200.000 Frauen an Gebärmutterhalskrebs sterben. In Liberia würde dies nicht nur unseren Töchtern, Schwestern, Tanten und Müttern das Leben retten - sondern auch unseren Bäuerinnen, Marktverkäuferinnen und den Pflegemüttern unserer Aids-Waisen.

Der Schutz aller Mädchen in Europa hilft indirekt auch, jedes Mädchen in Afrika zu schützen. Da die Impfstoffhersteller durch Verkäufe zu höheren Preisen in den entwickelten Ländern ihre Investitionen wiederherausbekommen können, wären stark gesenkte Preise in den Entwicklungsländern möglich. Dies würde es uns erlauben, unsere Mädchen ebenfalls zu beschützen. Solche Preisstaffelungen sind bereits Realität. Die Erfahrungen mit Aids zeigen, dass die Welt nicht weiter bereit ist, eine Situation hinzunehmen, in der die Frage, wo Menschen leben, darüber entscheidet, ob Menschen leben.

Wie im Fall von Aids denken einige, dass es unmöglich ist oder eine wenig lohnende Investition, Gebärmutterhalskrebs in Entwicklungsländern zu bekämpfen. In Anbetracht der Menge an anderen, ebenso dringlichen medizinischen Herausforderungen in diesen Ländern, die weniger als 15 US-Dollar pro Person und Jahr für Gesundheit ausgeben, erscheint diese harte Einschätzung vielleicht fair. Dennoch, die Entwicklung dieses Impfstoffs bedeutet jedoch, dass es nun möglich ist, dieser Krebsart, die die meisten Todesopfer in den Entwicklungsländern fordert, ein Ende zu setzen. Hierzu muss den Frauen in den ärmsten Ländern dieselbe moderne Vorsorge angedeihen wie den Frauen aus den Wohlstandsnationen. Gerade aus dem Kampf gegen Aids haben wir hinsichtlich der Implementierung viel gelernt. Damit solche Programme auch erfolgreich sind, müssen sie auf jedes Land und dessen bereits vorhandene Gesundheitsstrategien zugeschnitten sein, es müssen Effektivität und Kosteneffizienz sichergestellt sein, und vor allem müssen die Betroffenen schon bei der Planung miteinbezogen werden.

Wir befinden uns an einer historischen Schwelle: Gebärmutterhalskrebs kann in unserer Generation ausgemerzt werden - durch höhere Investitionen für Impfung, Vorsorge und Behandlung. Mit relativ geringem Aufwand an Kosten und politischem Willen können wir eine tödliche Krankheit besiegen und der Welt zeigen, dass das Leben und die Gesundheit von Frauen und Mädchen zählen. Die Welt kann sich entscheiden, den vermeidbaren Tod hunderttausender Frauen nicht mehr hinzunehmen - ob in Monrovia, München oder Manila. Wir müssen nunmehr nicht länger hilflos dabei zusehen, wie Gebärmutterhalskrebs alle vier Jahre eine Million Frauen tötet. Wir wissen nun, wie wir sie schützen können, und sollten alle daran mithelfen. Vor diesem bahnbrechenden Impfstoff war ihr Tod tragisch. Es jetzt an entschlossenem Handeln fehlen zu lassen, während Hilfe möglich ist, hieße, dass alle künftigen durch Gebärmutterhalskrebs verursachten Todesfälle unnötig wären.

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2 Kommentare

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  • MV
    Mirjam van Reisen, Leiterin, Europe External Policy Advisors

    Präsident Ellen Johnson-Sirleafs Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs, sowohl durch Früherkennungsuntersuchungen als auch Impfungen, ist Teil ihrer Mission zur Stärkung von Frauen in Entwicklungsländern. In diesem Streben wird sie von einer Fülle von Frauenrechtsaktivisten und Medizinerinnen begleitet.

    Laut Studien der WHO und PATH schützt die Impfung gegen die HPV Stränge 16 und 18, die für 70 Prozent aller Gebärmutterhalskrebsarten weltweit und auch in Entwicklungsländern verantwortlich sind. Auch wenn 70 noch keine 100 Prozent sind, kann dieser bahnbrechende, neue Impfstoff einen entscheidenden Einfluss auf die Bekämpfung von Gebärmutterhalskrebs haben. Viele Industrieländer haben daher nationale Gesundheitsrichtlinien eingeführt, die garantieren, dass junge Mädchen von dieser neuen Impfung profitieren. Die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe unterstützen diese Impfung ebenfalls entschieden.

    Unbestritten ist die Vorsorgeuntersuchung ein wichtiger Bestandteil aller Massnahmen gegen Krebs, allerdings in Entwicklungsländern, anders als die einfachere Impfung, häufig technisch nicht durchführbar.

    Wir unterstützen Ellen Johnson-Sirleaf in ihrer Kampagne für ein abgestuftes Preismodell und finanzielle Unterstützungsprogramme, damit garantiert werden kann, dass die Impfungen denen zur Verfügung stehen, die am stärksten durch diese Krankheit betroffen sind, Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern.

  • MG
    Martin Gerken

    Frau Johnson-Sirleaf ist ein wundervolle Werbeträgerin der Pharmaindustrie! Leider verschweigt sie, dass die Wirksamkeit des Impfstoffes gegen Krebs gar nicht gesichert ist (es ist nur gesichert, dass sie gegen Vorstufen hilft - und das nur bei wenigen HPV-Unterarten).

    Gerade Gebärmutterhalskrebs läßt sich durch regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen wirksam bekämpfen. Deswegen sterben bei uns ja auch so viel weniger Frauen daran als in der "3. Welt".

    Die HPV-Impfung ist die teuerste Impfung die wir haben. Wie schön für die Pharmaindustrie, dass Fr. Johnson für weiterhin hohe Preise plädiert. Im Selbstbedienungsladen "Deutsches Gesundheitssystem" wurden ja gerade wieder die Beiträge erhöht. Da bleibt dann weniger für Entwicklungshilfe übrig - auch schade!