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Debatte FinanztransaktionssteuerTop Secret!

Kommentar von Stephan Schulmeister

Wie Goldman Sachs mit einer angeblichen Geheimstudie gegen die Finanztransaktionssteuer vorging – und alle darauf hereinfielen.

Goldman Sachs-Zentrale in New York. Bild: ap

I n fünf Wochen haben es Banken, Großindustrie, Wissenschaft und Bundesbank mit einer konzertierten Aktion geschafft: Selbst Finanzminister Wolfgang Schäuble glaubt nun, dass sich die Finanztransaktionssteuer nicht wie geplant realisieren lässt. Man habe den Repo-Markt vergessen! Und der sei für den Liquiditätsausgleich zwischen den Banken unverzichtbar!

Diese Behauptung geht auf Goldman Sachs zurück. Anfang Mai brachte die Investmentbank einen „Research Report“ mit dem Titel „Financial Transaction Tax: How Severe?“ in der Financial Community in Umlauf. Die Studie wurde nicht publiziert, sondern bewusst geheim gehalten: Ihr Topsecret-Charakter sollte sie interessant machen, und gleichzeitig konnten ihre gravierenden methodischen Fehler von Ökonomen nicht demaskiert werden.

Zur Aufklärung: Repos (repurchase agreements) dienen Banken zur kurzfristigen Beschaffung von Liquidität. Dazu werden für ein paar Stunden (tri-party repos) oder über Nacht (overnight) Wertpapiere an den Kreditgeber mit der Verpflichtung verkauft, sie danach wieder zurückzukaufen. Die Finanztransaktionssteuer würde dafür einen Steuersatz von 0,1 Prozent berechnen.

Stephan Schulmeister

geboren 1947, ist Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung in Wien. Letztes Buch: „Mitten in der großen Krise. Ein ,New Deal' für Europa“ (Picus Verlag, Wien 2010, 160 Seiten, 9,90 Euro).

Der Bluff funktioniert

Der Boom des Repo-Markts ist eine Begleiterscheinung der kurzfristigen Spekulationsgeschäfte von Investmentbanken wie Goldman Sachs, Deutsche Bank oder BNP Paribas. Wenn eine Bank am Nachmittag schmerzvoll erkennt, dass sie bis morgen leider noch ein paar hundert Millionen braucht, so deshalb, weil ein Intraday-Derivatgeschäft gescheitert ist. Nützliche Banken, welche Unternehmen oder Häuslebauer finanzieren, brauchen keine schnellen Repos.

Viele Studien dokumentieren, welche verhängnisvolle Rolle die schnellen Repo-Transaktionen bei der Finanzkrise ab 2008 gespielt haben und welches enorme Risiko die tri-party repos weiterhin darstellen. Die Finanztransaktionssteuer hat das Ziel, dieses schnelle Trading teurer zu machen. Dazu müssen auch die schnellen Repo-Transaktionen erfasst werden, denn sie ermöglichen und erleichtern die Finanzalchemie.

Doch die Politik ließ sich von der von Goldman dirigierten Aktion bluffen: Andere Banken wie die Citigroup publizierten zeitgleich ähnliche Studien, deutsche Industriekonzerne stimmten in den Chor ein, das Deutsche Aktieninstitut gab seinen wissenschaftlichen Segen, und Bundesbankpräsident Jens Weidmann beschied, „die nicht beabsichtigten Nebenwirkungen“ der Finanztransaktionssteuer könnten „erheblich“ sein.

Goldman bluffte mit folgenden Horrorzahlen: Die 42 größten europäischen Banken würden durch die Finanztransaktionssteuer 92 Prozent ihrer Gewinne einbüßen, deutsche und französische Banken tief in die Verlustzone rutschen. Allein die Deutsche Bank müsste angeblich 362 Prozent ihres Gewinns berappen! Statt eines Aufkommens von 34 Milliarden Euro, wie es die EU-Kommission schätzt, müssten die Banken 170 Milliarden Euro zahlen, das meiste davon für Repos (118 Milliarden).

Absurde Berechnungen

Zu diesen Zahlen kommt Goldman durch die absurde Annahme, dass die Finanztransaktionssteuer keinen Rückgang der Spekulation bewirkt. Um das Ausmaß des Grotesken deutlich zu machen: Nach der Goldman-Methode würde Großbritannien bei einer Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent Einnahmen in Höhe von 56 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erzielen.

Dies wäre weit mehr, als Einkommensteuer und Mehrwertsteuer gemeinsam erbringen. Der Trick basiert darauf, dass Goldman einfach davon ausgeht, dass die Spekulationsgeschäfte ungehindert weitergehen, die sich 2010 auf das 563-Fache des britischen Bruttoinlandsprodukts beliefen. Aber der Sinn einer Finanztransaktionssteuer wäre ja, viele dieser schnellen Handelsgeschäfte zu unterbinden.

Um die negativen Effekte einer Finanztransaktionssteuer aufzublasen, erfindet Goldman zudem den Begriff der „annual effective tax rate“, die sich aus dem Steuersatz mal der jährlichen Transaktionen ergibt. Für die schnellen „tri-party-repos“ ergäbe sich dann eine Steuerbelastung von 360 Prozent. Analog gälte dann für die Mehrwertsteuer von 19 Prozent: Wenn eine Familie täglich konsumiert, beträgt der effektive Mehrwertsteuerjahressatz 19 Prozent mal 365 Tage = 6.935 Prozent. Das kann man sich natürlich nicht bieten lassen!

Eine Wanderdünen-Rechnung

Ein weiteres Goldman Sachs-Argument: Künftige Riester-Rentner müssten einen Großteil der Steuer zahlen. So würde ein 30-jähriger Kleinsparer, der bis zur Rente jährlich 1.000 Euro investiert, am Ende 14 Prozent seiner Einzahlungen verlieren. Die methodischen Tricks sind subtil und können hier nicht im Detail vorgestellt werden. Aber im Kern läuft es darauf hinaus, dass Goldman völlig unrealistische Renditen von jährlich 6 Prozent annimmt, um über den Zinseszinseffekt die Transaktionswerte aufzublasen, die von der Steuer angeblich betroffen wären. Doch wenn es um die Steuerbelastung für den Kleinsparer geht, werden diese Renditen nicht berücksichtigt – sondern nur seine Einzahlungen. Wie eine Wanderdüne wechselt also der „Nenner“ in dieser Bruchrechnung.

Parallel zu den Studien von Goldman und Citibank publizierte das Deutsche Aktieninstitut eine ebenso absurde Untersuchung, die zeigen sollte: Die deutsche Realwirtschaft würde von der Finanztransaktionssteuer schwer getroffen. Bayer müsste jährlich 45 Millionen Euro zahlen, und Siemens sogar 100 Millionen.

Doch mit der Finanzierung und Absicherung von realwirtschaftlichen Produkten wie Chemieerzeugnissen oder Elektroteilen hat dies nichts zu tun. Vielmehr haben sich auch die Konzerne inzwischen Abteilungen zugelegt, die wie Investmentbanken agieren und spekulieren. Daher ist es nur konsequent, dass auch die großen Firmen von der Finanztransaktionssteuer getroffen werden. Zudem argumentiert das Aktieninstitut genauso unseriös wie Goldman und nimmt einfach an, dass die Spekulationsgeschäfte trotz Steuer ungestört weitergehen.

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12 Kommentare

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  • Schade, dass der Autor des Artikels keine Ahnung vom Repo-Geschäft hat. Er wüsste dann zumindest, dass die Hauptfinanzierungsgeschäfte der EZB durch Repos abgewickelt werden. Die Repo-Märkte waren gerade in der Finanzkrise die einzige Möglichkeit für Banken Liquidität zu beschaffen, da das Vertrauen so gering zueinander war, dass Banken sich nicht mehr ohnen Sicherheiten Kredite vergeben haben. Repos sind nichts anderes als Kredite, die durch Sicherheiten "besichert" sind, d.h. die eine Bank gibt der anderen Bank nur gegen Sicherheit einen Kredit, das sind meistens Staatsanleihen. Der nächste Irrtum des Autors sind "die Gefahren durch Tri-Party" Repos. Weiß der Autor was überhaupt damit gemeint ist? Tri-Party Repos sind gegenüber allen anderen Formen der Repo-Abwicklung die sicherste Variante, da eine dritte Partei mit involviert ist. Sie übernimmt die Verwahrung, die Abwicklung etc. der Sicherheiten.

     

    Ich würde mir sehr wünschen, dass die Autoren einen besseren Sachverstand haben bzw. sich besser informieren, bevor sie zum Teil einen großen Unsinn schreiben.

  • W
    W.Wacker

    "Nützliche Banken, welche Unternehmen oder Häuslebauer finanzieren, brauchen keine schnellen Repos."

     

    Im Kontrast dazu steht die Meldung:

    "Vor allem die Landesbanken und Sparkassen hatten Alarm geschlagen, weil sie Repo-Geschäfte nutzen, um sich gegenseitig zu finanzieren."

     

    Meinung ohne Ahnung beim Kommentator?

  • DL
    Daniel L

    "Nützliche Banken, welche Unternehmen oder Häuslebauer finanzieren, brauchen keine schnellen Repos."

     

    Das ist mal eine ganze neue Klassifizierung von Banken. Ausserdem gefährlich naiv. Es lässt Menschen glauben Sparkassen wären etwas besseres als global tätige Banken. Aber auch die Sparkassen haben ihr Handelshaus (DekaBank) und die sind genauso böse unterwegs am Repomarkt wie alle anderen grossen Häuser. Eine Investment Bank ist nichts anderes als ein Portal zum Kapitalmarkt (und Repomarkt ein Teil davon). Firmen die Kapital am Markt beschaffen wollen über Aktien oder Anleihen müssen über eine Investment Bank gehen, deren Rolle ist eben nicht das Kreditgeschäft. Aber auf beiden Wegen können sich Firmen finanzieren. Vielleicht meinte der Autor ja Hendge Funds?

  • D
    dieter

    Bei Pferdewetten wird zusätzlich zur Mehrwertsteuer Vergnügungssteuer fällig.

    Beim Wetten auf den Zuckerpreis, oder auf sinkende Weizenpreise wird noch nicht mal Mehrwertsteuer bezahlt.

    Den Politikern Naivität vorzuwerfen ist naiv.

    Das Wahlvieh ist naiv und soll es bleiben...

  • W
    W.Wacker

    Geheimreport. Toll. Google suche sagt, da ist er:

     

    http://www.wiwo.de/downloads/8281810/1/GoldmanSachs.pdf

     

    Sooo geheim wohl doch nicht.

  • H
    Hannes

    Zitat Elke: "Die Politiker, die sowas mitmachen, sind nicht naiv. Sie sind mit von der Partie. "

     

    Das ist so nicht ganz richtig. Eine Minderheit macht sich schon Gedanken darüber... und ist hilflos...

     

    War zumindest 2010 so, besser geworden ist es offensichtlich nicht.

     

    http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=wu&dig=2010%2F06%2F22%2Fa0113&cHash=503241eff7dc1ea1d450739237e3b881

  • A
    aaaa

    Ich hätte mir einen Link zu der Studie oder zu den Quellen gewünscht, das wäre wirklich toll.

  • E
    Elke

    Die Politiker, die sowas mitmachen, sind nicht naiv. Sie sind mit von der Partie.

     

    Prima Artikel. Aber welche Konsequenzen hat das jetzt? Keine. DAS ist das Problem. Das müsste doch für die ewige Verbannung aller Beteiligten reichen. Wirste aber nicht erleben.

  • B
    baixa

    Interessante Doku über Goldman Sachs:

     

    http://vimeo.com/49730552

  • A
    Arne

    Danke. Gut und verständlich erklärt.

  • E
    Empörling

    Gut geschriebener Artikel, weiter so taz!

     

    Ihr seid die ersten, bei denen ich diese Informationen gelesen habe, das ist für mich ein wichtiges Zeichen für kritischen Journalismus.

     

    Hoffentlich bekommt die Thematik jetzt die Aufmerksamkeit, die sie verdient - es kann nicht sein, dass Goldman-Sachs und deren Marionetten-Politiker

    [bzw. (ehemalige) Mitarbeiter(!)] ein so wichtiges politisches Instrument/Projekt wie die Finanztransaktionssteuer in einer Nacht-und-Nebelaktion mit einer Kaskade an Lügen und Halbwahrheiten loswerden können.

     

    Also: bitte weitere Berichterstattung zu dem Thema, haut ordentlich auf die Pauke, bis die anderen Medien das endlich auch aufgreifen!!!

     

    Ein weiteres diesbezügliches Thema: Morgan Stanley und Meryll Lynch wollen die umstrittenen CTOs wieder auflegen, die die Hypokrise auslösten. Davon las ich gestern allerdings (leider) nur in der "Welt"(??!)

    Also taz, bitte auch dazu nochmal was bringen.

  • E
    eksom

    Wenn genügend naive Politiker/Innen in allen Ländern dieser Welt die nicht rechnen können, alles glauben was denen die Banken vorrechnen besser "vorsetzten", dann glauben diese Politiker/Innen auch an den Weihnachtsmann und an den Osterhasen. Ist doch schön, oder? Glauben versetzt (Kapital)-Berge, oder nicht?!