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Debatte FairphoneIn der Aktualitätsfalle

Kommentar von Svenja Bergt

Sicherheitslücken, keine Ersatzteile mehr: Das Scheitern des Fairphones ist exemplarisch für die Elektronik aus dem Internet der Dinge.

Die Batterie des Fairphone 1 ist rausnehmbar. Es gibt halt keinen Ersatz mehr Foto: Sandra FauconnierwikimediaCC3

N achhaltig, reparierbar, fair – das war das Versprechen. Doch am Ende ist es leider anders: Die Fairphone-Macher haben es nicht geschafft, ihre bisherigen Geräte tatsächlich nachhaltig zu gestalten. Die Ankündigung, keine Ersatzteile mehr für die erste Generation des Telefons zu liefern, ist der letzte Hinweis darauf, dass die Strategie nicht erfolgreich war.

Für BesitzerInnen des Telefons ist das bitter. Für die Macher des Fair­phones, hoffentlich auch für andere Unternehmen, in jedem Fall aber für die Politik ist es eine Gelegenheit, Lehren daraus zu ziehen. Um es selbst (für andere Unternehmen) oder beim nächsten Mal (für die Fairphone-Hersteller) besser zu machen. Oder, und das ist noch wichtiger, die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu setzen. Denn die Probleme beim Fairphone sind exemplarisch für die aktuelle und für künftige Elektronik-Generationen.

Wer heutzutage sein Produkt mit einer endlichen Lebensdauer versehen will, der braucht keine Sollbruchstellen mehr, keine angesägten Teile oder labilen Steckverbindungen. Zumindest dann nicht, wenn es um ein Elek­tro­nik­gerät geht. Meistens reicht schon das Nichtstun. Nämlich, die Software nicht aktuell zu halten. Smartphonehersteller haben dieses Prinzip schon vor Jahren perfektioniert.

Mittlerweile versucht Android-Hersteller Google gegenzusteuern, doch Smartphones sind fast schon wieder von gestern: Smarte Uhren, Wasserkocher, Waschmaschinen sind die aktuelle und nächste Generation der mit Software versehenen Geräte. Und auch, wenn wohl nur wenige versuchen, sich mit ihrem Wasserkocher ins Online-Banking einzuloggen – wenn ein veraltetes Betriebssystem Angreifern so viele Sicherheitslücken bietet, dass es ein Leichtes ist, seine Abschaltautomatik zu manipulieren, dann werden sich Verbraucher wohl doch einen neuen Wasserkocher kaufen. Notgedrungen.

Systemproblem auch bei Fairphone 2

Ein ähnliches Problem hat das Fairphone. Und zwar sowohl die erste als auch die zweite Generation. Letztere liegt immerhin mittlerweile bei Android 6.0. Aktuell wäre die 7er-Version, demnächst soll die 8er kommen. Schlimmer ist es beim Fairphone 1: Das steckt immer noch bei Version 4.2 fest. Zum Telefonieren ist das noch brauchbar, aber in persönliche Accounts einloggen sollte man sich mit so einem Gerät eigentlich nicht mehr.

Dass die Fairphone-Macher daran gescheitert sind, liegt an einer etwas komplizierten Gemengelage, die auch damit zu tun hat, dass ein Prozessorhersteller keinen Zugriff auf einen notwendigen Quellcode bietet. Das hätte sich vorher klären lassen, aber der Punkt ist: Es ist ein Problem, wenn so der Hersteller einer einzelnen Komponente einen Update-Prozess torpedieren kann.

Elektronikgeräte brauchen keine Sollbruch­stellen mehr. Eine in­aktuelle Software reicht

Helfen würde hier eine Pflicht zur Offenlegung entsprechender Quellcodes. Natürlich schreien da die Hersteller, dass damit ihr Markt kaputt gehen würde. Dass es durchaus quell­offene Software gibt und trotzdem Unternehmen, die damit Geld verdienen, ist vielleicht noch nicht zu ihnen durchgedrungen – aber in diesem Fall würde auch eine Offenlegung gegenüber dem Geschäftspartner reichen. Auch aus Gründen der Software-Sicherheit ist mehr Offenheit keine schlechte Idee, denn mehr Menschen, die einen Quelltext lesen, finden in der Regel auch mehr Fehler.

Alternative offenes Betriebssystem

Doch es gibt noch eine Alternative: offene Betriebssysteme. Momentan werden Systeme wie Lineage nur in der Nische angewendet und gelten als etwas für Freaks. Mozilla, das mit Firefox OS das Potenzial gehabt hätte, zumindest ansatzweise eine Konkurrenz für Android und iOS zu werden, hat dessen Entwicklung längst eingestellt. Warum? Keine Nachfrage, daher kein Angebot an Apps, daher keine Nachfrage … – ein Teufelskreis.

Gerade im Hinblick auf smarte Wasserkocher, Alarmanlagen und Staubsaugerroboter, Fernseher und Sprinkleranlagen, das ganze Internet der Dinge also, wäre aber eine Förderung von offenen Betriebssystemen sinnvoll. Bei denen viele Menschen in den Quelltext schauen, Fehler finden, bei denen es entsprechende Updates gibt, Sicherheitslücken geschlossen werden. Damit die Waschmaschine nicht auf den Sperrmüll muss, weil ein Programmierer mal einen schlechten Tag hatte.

Doch selbst, wer sich damit abgefunden hat, dass er sein Fairphone 1 besser nur noch zum Telefonieren verwendet, wird das in absehbarer Zeit nur noch dann können, wenn sich Ladekabel und Steckdose in unmittelbarer Nähe finden. Denn im Juli teilte das Unternehmen seinen Kunden mit: Die Ersatzteile sind aus. Da ein Akku, der zwei Jahre mit weitgehend gleichbleibender Qualität durchhält, heutzutage schon an ein Weltwunder grenzt, ist die Rechnung einfach. Spätestens in zwei, drei Jahren werden die Glücklichen, die auf den letzten Drücker noch einen Akku erstanden haben, ihr Telefon aussortieren.

Politisches Gegensteuern

Bei anderen Herstellern, die auf fest verklebte Komponenten setzen – Öffnen verboten –, ist die Situation für Verbraucher eher noch schlechter. Um so wichtiger wäre, dass es endlich ein politisches Gegensteuern gibt. Der Hebel wäre ein ganz einfacher: eine Verlängerung der Gewährleistung für Elektronikgeräte – und zwar mit einer Beweislastregelung zugunsten der Kunden. Momentan müssen Kunden nach einem halben Jahr beweisen, dass der Defekt schon beim Kauf vorhanden war. Unmöglich.

Eine gestaffelte Gewährleistung – denn smarte Waschmaschinen sollten schon ein paar Jahre länger durchhalten als ein smartes Telefon – wird dazu führen, dass die Zahl der wegen Ach-lohnt-doch-nicht-mehr-die-Reparatur-Entsorgungen deutlich sinkt. Und sich gleichzeitig die Reparierbarkeit der Geräte deutlich verbessert. Schließlich hätten die Hersteller dann einen Anreiz, Reparaturen so schnell und effizient wie möglich durchzuführen – und nicht erst das gesamte Produkt auseinanderzubauen, bis der defekte Akku freigelegt ist.

Nachteile gäbe es für diejenigen, die gerne im Jahresrhythmus ein neues Smartphone kaufen. Die Preise der Geräte dürften mit längerer Haltbarkeit merkbar ansteigen. Denn dass die Industrie Regeln zur Nachhaltigkeit und Reparierbarkeit uneigennützig umsetzt – das wird auch mit dem besten Gesetz nicht passieren.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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8 Kommentare

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  • Produktsupport kostet Geld - viel Geld.

    Dabei meine ich nicht die Kosten für Hotlines. Jedes Produkt ist eine Mischung aus Hardware-Komponenten und Software. Die Software muss aus Sicherheitsgründen ständig aktualisiert werden. Wer mit alten Softwareversionen arbeitet, arbeitet praktisch immer unsicher. Hardware-Komponenten werden auch ständig weiterentwickelt. Damit erhält man eine gigantische kombinatorische Vielfalt an möglichen Kombinationen. Das ist vom Testaufwand sehr teuer.

    Das gilt aber nicht für die Akkus. Es gibt da alternative Anbieter und es wäre für Fairphone tatsächlich nicht so schwierig gewesen, weiterhin Akkus für das Fairphone I anzubieten. Teuer ist vor allem der Softwaresupport.

  • Vorsichtige regulatorische Eingriffe wie die Verpflichtung zu einheitlichen Steckern und der sukzessiven Absenkung von Roaminggebühren sind toll.

    Und wir haben doch schon zwei Jahre Garantie? Konnte letztens aufgrund dieser mein ein Jahre altes defektes Smartphone austauschen.

    Ansonsten sollten wir vielleicht einfach froh sein, daß man es hier mit einem Bereich menschlicher Aktivität zu tun hat, wo es einen deratig raschen und kontinuierlichen Fortschritt gibt, was eben zwangsläufig auf Kosten ewiger Rückwärtskompatibiltät geht.

     

    Wie jemand jetzt schrieb "Es ist wahrscheinlich das Teil in unserem Alltag, dass am häufigsten genutzt wird. Wenn man das dann in Relation zur Größe (also Menge Müll) setzen, dann gibt es glaube ich viele andere Dinge, bei denen man sich viel mehr über den dadurch entstehenden Müll Gedanken machen sollte."

  • 1: Android ist quelloffene Software. Anders wäre es auch nicht möglich gewesen das es eine Fair Phone spezifische Abwandlung (nennt sich dann “fork”) von Android gibt. Google kümmert sich um die Wartung der Hauptinstanz von Android und die Hersteller nehmen dann abwandelungen daran vor.

     

    2: OpenSource Software ist nicht automatisch sicherer als closed source Software. Es gibt diese Idee das bei OpenSource Software ja jeder nach Sicherheitslücken suchen und sie dann schließen kann. Das stimmt in der Theorie auch, in der Praxis passiert das aber fast nie. Anders herum ist es relativ leicht an Projekten mit zu arbeiten und das tun dann oftmals auch Menschen die eigentlich nicht qualifiziert sind. Am Ende des Tages sehe ich keine großen Sicherheits Vor- oder Nachteile bei Open Source Software.

    Paradebeispiel ist OpenSSL, dass ist OpenSource Software zur Verschlüsselung, die weit verbreitet ist. Kritische Sicherheitslücken finden sich darin dennoch regelmäßig und die Auswirkungen sind auch jedes mal ziemlick knackig!

     

    3: Die allermeisten IoT Geräte laufen bereits jetzt auf quelloffenen Betriebssystemen. Das sind fast immer irgenwelche Linux Derivate, die oftmals in Kombination mit Ein-Platinen-Computern, wie dem Raspsberry Pi genutzt werden.

     

    Und dann das Elend mit den Regulierungen. Der IoT Markt ist deshalb für Anbieter so attraktiv, weil jeder Hans und Franz dort mit einem entsprechendem Fundraiser und zwei Freunden die programmieren und designen können einsteigen kann. Längere Gewährleistungsfristen sorgen dafür das die Einstiegshürde angehoben wird und am Ende des Tages auch dieser Markt von den üblichen Monopolisten kontrolliert wird.

    Sinnvoll wäre eine Verpflichtung zur Angabe der zu erwartenden Lebensdauer, dem Zeitraum in dem Updates bereitgestellt werden und bei IoT Geräten auch eine Angabe ob überhaupt ein Update-Mechanismus implementiert wurde. Dann kann der Kunde entscheiden was er will.

  • Fazit:

     

    Was bleibt ist, dass einzig politischer Druck helfen kann. Die Hersteller müssen über die Hardware-Gewährleistung hinaus zu bspw. 5 Jahren Updates verpflichtet werden und diesen Druck an die Komponentenhersteller weitergeben. Im Zweifel müssen gerade Komponentenhersteller verpflichtet werden ihre Treiberquellen zu öffnen, wenn sie diese nicht mehr selbst pflegen wollen. Projekte wie Lineage können diese Quellen dann aufnehmen und für Altgeräte aktuelle Betriebssysteme veröffentlichen.

     

    Dass die Situation bei "anderen Herstellern, die auf fest verklebte Komponenten setzen" schlechter ist kann man so pauschal übrigens auch nicht stehen lassen. Die Reparaturspezialisten von iFixit bescheinigen den Apple-Telefonen durchweg bessere Reparierbarkeit als vergleichbaren, leichter zu öffnenden Konkurrenzprodukten. Zusammen mit der längeren Software-Unterstützung würde ich das am ehesten als Nachhaltig bezeichnen.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Matthias Niess

    FairLötet e.V.

    Verein zur Förderung sozial fairer Elektronikproduktion

  • Vielen Dank für diesen Beitrag. Sie sprechen hier ein sehr wichtiges Thema an und zeigen, dass auch das Fairphone nicht davon verschont bleibt. Ich möchte hier ein paar Informationen ergänzen und einen Fehler korrigieren.

     

    1. Alternative: offene Systeme

     

    Tatsächlich IST Android ein vollständig offenes Betriebssystem aus Linux-Basis. Das von ihnen angesprochene Lineage nennt sich selbst "an Android distribution".

     

    Da es für das (geschlossene) Betriebssystem iOS jür jedes Modell bisher mindestens 5 Jahre Support gab, kann man bezweifeln, dass Offenheit der Betriebssysteme - wenn auch wünschenswert - das zentrale Problem ist.

     

    Wo das wirkliche Problem liegt, sieht man, wenn man sich anschaut warum es keine Updates für das Fairphone 1 gibt.

     

    2. Die Update-Problematik

     

    Sämtliche Androidgeräte verwenden Komponenten unterschiedlicher Hersteller. WLAN-Chips von Broadcom, Funkmodems von Qualcomm und ARM-Prozessoren von Mediatek. Damit diese Komponenten mit dem offenen Android-Betriebssystem funktionieren, brauchen sie Treiber. Das sind kleine Programme, welche die Anweisungen des Betriebssystems in Signale übersetzt, die von den Geräten verständen werden können.

     

    Da diese Treiber Rückschlüsse auf den Aufbau der Komponenten erlauben, gelten sie als Betriebsgeheimnis und sind leider NICHT offen, sondern werden mit den Komponenten fertig an die entspr. Hersteller mitgeliefert (sei es Fairphone, Samsung oder Motorola). Sie laufen dann NUR mit der entspr. Android-Version, für die sie gebaut wurden.

     

    Will ein Hersteller eine neue Android-Version ausliefern, muss er jeden einzelnen Komponenten-Hersteller um neue Treiber bitten. Da diese lieber neue Komponenten verkaufen wollen, sparen sie sich die Entwicklungskosten und bieten keine neuen Treiber an.

  • Nun ja, ein Dilemma ist das wirklich, aber es gibt genügend alternative Akkus für das FP1. Bei der Recherche vielleicht kurz ins Supportforum geschaut, da steht's nämlich!

  • Bei Firefox OS gab es viel Nachfrage in Südamerikanischen Ländern. Dass es eingestellt wurde, lag wohl eher daran, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung plötzlich IoT wollte ☹

  • Der Vollständigkeit halber: Lineage OS oder Firefox OS oder welches OS auch immer hätten die gleichen Probleme. Lineage OS im Besonderen ist ja auch nur eine Abwandlung von Android. Deswegen ist es falsch zu sagen das das eine bessere Alternative wäre. Wenn also Fairphone (oder jmd anders) kein Upgrade anbieten kann wegen fehlender Treiber, dann ist das bei Lineage OS etc genau so. Der Quellcode für die Anpassungen etc die Fairphone vorgenommen hat ist übrigens auch öffentlich, genau so wie bei Lineage.

    Und ich denke das den Fairphone Machern durchaus bewusst war das es Probleme mit Treibern geben kann z.B. beim Prozessor, es gab aber mit ziemlicher Sicherheit wenige oder keine Alternativen, also muss man halt irgendwie anfangen oder man lässt es. Deswegen haben sie wohl auch am Anfang verstärkt die Rohstoffkontrolle hervorgehoben, da sie da mehr Kontrolle hatten.