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Debatte EnergiewendeDie 3,5-Cent-Falle

Kommentar von Martin Unfried

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist der Schlüssel zum erfolgreichen Atomausstieg. Doch die schwarz-gelbe Regierung stellt die Weichen in die falsche Richtung.

Heftige Kürzungen: Die noch vor kurzem so heftig boomende Photovoltaik muss jetzt Einbrüche verkraften. Bild: dpa

A tom durch Kohle und Gas ersetzen, Riesen-Offshore-Parks bauen und dann beschleunigt Nord-Süd-Trassen aufstellen, die den Strom nach Süddeutschland schaffen: das scheinen die Prioritäten der Bundesregierung in Sachen Energiewende zu sein.

Dafür sprechen die Anpassungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Die Vergütung für Wind an Land wird stärker abgesenkt als geplant, der Systemdienstleistungsbonus fällt ganz weg. Offshore dagegen bekommt mehr Geld und wird als Priorität verkauft. Wer den dezentralen und kostengünstigen Ausbau der Windenergie im Süden, in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen als große Chance sah, reibt sich die Augen. Auch die im letzten Jahr boomende Photovoltaik (PV) wurde bereits so heftig gekürzt, dass der Zubau im ersten Halbjahr 2011 völlig eingebrochen ist.

Beschleunigte Energiewende? Fehlanzeige. Schon die Vorgabe "35 Prozent Erneuerbare bis 2020" erstaunt, ist doch das Ausbauziel mit und ohne Atomenergie gleich geblieben. Noch erstaunlicher: Merkel verkündete, dass die EEG-Umlage nicht über 3,5 Cent steigen darf. Dabei ist die Ausgestaltung des EEG für das Gelingen des Atomausstiegs wesentlicher als alles Gerede vom epochalen Ereignis Fukushima.

Zentral oder dezentral?

Das EEG ist der Schlüssel zur Energiewende. Hier werden Preissignale gesetzt, die entscheiden, welche Erneuerbaren wie schnell wachsen können, zentral oder dezentral. Die Offshore-Strategie der Bundesregierung scheint dabei eine Art Kompensation für den Atomausstieg zu sein, ein Zuckerl für die großen Konzerne, die sich bereits die meisten Standorte und Projekte gesichert haben. Weite Teile der Medien finden dies schlüssig - immerhin wehe der Wind auf See kräftiger. Dass Windenergie in Baden-Württemberg wesentlich günstiger ist als in der Nordsee, hat sich noch kaum rumgesprochen. Noch weniger ist bekannt, dass die Photovoltaik eine Chance bietet für eine neue, dezentrale Netz- und Produzentenstruktur.

Immerhin geht es jenseits des abstrakten Kilowattstundenpreises darum, wer die Märkte beherrscht. Aber die Erneuerbaren werden vor allem immer noch als teuer wahrgenommen, die EEG-Umlage gilt als Gradmesser: Steigt sie rasant an, heißen die Erneuerbaren Preistreiber. Auch in der taz las man schon, der Sonnenstrom fresse uns die Haare vom Kopf, 140 Euro mehr müssten wir zu Hause für die Erneuerbaren im Jahr hinblättern.

Das ist schon deswegen falsch, weil die Kosten der Energiewende die Kosten der schmutzigen Energien Kohle und Atom sind. Ihre Kilowattstunden haben eben keinen längerfristigen ökonomischen Wert, weil sie nicht nachhaltig sind.

Bild: taz

MARTIN UNFRIED, 43, ist Autor der taz. Er schreibt unter anderem die Kolumne "Öko-Sex".

Die EEG-Horrorrechnungen sind aber auch fachlich falsch. Die angeblichen Mehrkosten pro Haushalt sind nämlich plump die EEG-Umlage, multipliziert mit den verbrauchten Kilowattstunden. Dabei ist diese Umlage lediglich eine technische Berechnungsgrundlage für Netzbetreiber, aber kein präziser Indikator für damit verbundene Strompreiserhöhungen. Unser Strompreis zu Hause wäre im Jahr 2011 eben nicht 3,5 Cent billiger, wenn es die Förderung der Erneuerbaren nicht geben würde. Die Preisbildung auf dem deutschen Strommarkt ist schon etwas komplexer.

Verbrauchsspitzen rasieren

Matthias Kurth, Präsident der Netzagentur, hat immer wieder erklärt, dass die Steigerungen von Anfang des Jahres nicht mit der EEG-Umlage zu erklären waren, sondern damit, dass preisdämpfende Faktoren von den Konzernen nicht an Kunden weitergegeben wurden. Denn die zunehmende Menge an erneuerbarer Energie bewirkt zeitweise sinkende Großhandelspreise, weil teurere Kraftwerke aus dem Markt gedrängt werden.

Selbst RWE musste vor seinen Aktionären bekennen, dass die Erlöse gesunken seien, weil die Börsenpreise fielen. Ausdrücklich wurde als Grund die Photovoltaik genannt, die zu Spitzenlastzeiten einspeist. Gerade im Mai 2011 hat die PV eindrucksvoll gezeigt, dass sie Verbrauchsspitzen rasiert.

Netzbetreiber haben kein Interesse an hohen Erlösen

Diese Differenzierungen helfen im Mediengetöse nichts: Die Erneuerbaren sitzen in der 3,5-Cent-Kommunikationsfalle. Dabei bedeuten in der theoretischen Welt der Berechnung Preissenkungen an der Strombörse sogar eine höhere EEG-Umlage, weil die sogenannten Differenzkosten zur Vergütung höher sind. Da wird nämlich der Börsenpreis mit der Höhe der Einspeisevergütung verglichen. Die Netzbetreiber haben dabei kein eigenes Interesse an hohen Verkaufserlösen des EEG-Stroms, da sie die höheren Kosten über die Umlage bequem durchreichen können.

Und die Konzerne haben auch kein Interesse an der Speicherung erneuerbaren Stroms: Noch haben diese keinen Speichervorrang. Es kann also sein, dass Windstrom vom Netz genommen werden muss, weil keine Pumpspeicherkapazitäten frei sind. Die Stromkonzerne veredeln nämlich immer noch Atom- und Kohlestrom, um ihn als teure Spitzenlast zu verkaufen. Deshalb bedeutet Speicherbau nicht automatisch Speicherung von erneuerbaren Energien.

Hier steckt ein weiteres Kommunikationsproblem, da den Erneuerbaren häufig die hohen Kosten der Netzintegration einseitig angelastet werden. Wind- und Sonnenstrom seien nur mit riesigen und teuren Trassen einzubinden, da dezentrale Speicher zu teuer seien, heißt es. Dahinter schwelt der Streit zwischen zentraler und dezentraler Netz- und Speicherarchitektur. Natürlich können PV und Wind auch im großen Stil intelligenter in das Netz eingebettet werden. Oder besser gesagt: in regionale Netze. Stichworte sind regionale Wertschöpfung mit erneuerbaren Kombikraftwerken, dezentralen Speichern und solider Selbstvermarktung.

Gerade diese regionale Wertschöpfung hat zahlreiche positive Effekte, die beim Starren auf die EEG-Umlage regelmäßig unter den Tisch fallen. Das wird für jede künftige Regierung zum Problem, spätestens bei der nächsten Vergütungsdebattte. Denn in wenigen Jahren schon wird deutlich werden, dass die EEG-Umlage nicht mehr als Indikator für die wahren Kosten der Erneuerbaren taugt; insbesondere wenn sie den Strombörsenpreis noch stärker drücken als schon jetzt.

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16 Kommentare

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  • G
    gman

    Sehr einseitig und unvollständig. So toll ist das nicht mit den EE in Deutschland. Millarden werden für ein bisschen unzuverlässigen Strom verschwendet. Die Sonne scheint in unseren nördlichen Breiten nunmal unzuverlässig und nicht bedarfsgerecht nur zu einem Fünftel der Zeit. Hobbystormerzeugung in Klein- und Kleinstanlagen kann niemals wirtschaftlich sein. Die weltweit einmalige extreme Förderung zu Lasten der Verbraucher ist ein Skandal.

    Der Autor sollte doch mal erklären, wie es bei seiner Einschätzung sein kann, dass wir am 48./49. nördlichen Breitengrad Solarweltmeister sind, aber auch die höchsten Strompreise bezahlen. Wenn diese Stromerzeugung so ökonomisch sinnvoll ist, dann stimmt da doch etwas nicht. Diese Extremförderung ist und bleibt ökologisch und ökonomisch der größte Unfug aller Zeiten im Bereich der sogenannten erneuerbaren Energieerzeugung.

  • G
    gman

    Sehr einseitig und unvollständig. So toll ist das nicht mit den EE in Deutschland. Millarden werden für ein bisschen unzuverlässigen Strom verschwendet. Die Sonne scheint in unseren nördlichen Breiten nunmal unzuverlässig und nicht bedarfsgerecht nur zu einem Fünftel der Zeit. Hobbystormerzeugung in Klein- und Kleinstanlagen kann niemals wirtschaftlich sein. Die weltweit einmalige extreme Förderung zu Lasten der Verbraucher ist ein Skandal.

    Der Autor sollte doch mal erklären, wie es bei seiner Einschätzung sein kann, dass wir am 48./49. nördlichen Breitengrad Solarweltmeister sind, aber auch die höchsten Strompreise bezahlen. Wenn diese Stromerzeugung so ökonomisch sinnvoll ist, dann stimmt da doch etwas nicht. Diese Extremförderung ist und bleibt ökologisch und ökonomisch der größte Unfug aller Zeiten im Bereich der sogenannten erneuerbaren Energieerzeugung.

  • K
    KAR

    Es ist nun mal so wie immer auf der Welt. Die Einen sähen, (mit guten Ideen, am Anfang immer als Spinner verlacht) Die Anderen ernten. (indem Ideen so lange verdreht werden bis sich damit Geld verdienen läßt) Und trotzdem ist es ein Fortschritt. Merke: Nicht der/das Beste wird Sieger sein. Und: Es gibt nichts Gutes, außer; man(n)/frau tut es......

  • H
    hundertpro

    @ingrid werner und alle die es interessiert:

     

    Germanwatch wertet in einer kürzlich erschienen Meta-Studie aktuelle Forschungsergebnisse zu Kosten und Nutzen Erneuerbarer Energien aus. Neben den im Artikel angesprochenen Aspekten finden sich dort auch weitere gute Punkte:

     

    http://www.germanwatch.org/klima/energiekosten

  • G
    genaugenommen

    Herr Krause,

    Warum haben Sie die Mehrwertsteuer vergessen? Der Staat verdient an diesem Milliardenspiel auch mit, dann sind wir bei 4,2 Cent.

    Dem Netzbetreiber zu unterstellen, er würde sich nicht genügend um den Verkauf kümmern, ist nicht ganz fair, der ist mit seinen Netzen genug beschäftigt. Der Strom landet auf der Börse und da gilt das Spiel von Angebot und Nachfrage.

    Und konkrete Zahlen kann man ja mal nennen, damit der Horror mal Gestalt annimmt: 15 Milliarden kostet den deutschen Stromverbraucher der vom Gesetzgeber verordnete Spaß pro Jahr. Ziehen wir meinetwegen 2 Milliarden für die strompreissenkende Wirkung ab, mehr ist es nicht. Davon fließt die Hälfte an die Photovoltaikanlagenbesitzer vornehmlich im sonnigen Süden Deutschlands für gerade mal 3% der Stromerzeugung. Regionale Wertschöpfung, schöner Euphemismus, man könnte auch sagen: regionale Geldschröpfung.

  • W
    Waage

    Prima, "Ökosex" mausert sich zu einer ernstzunehmenden Kolummne.

    Der Text von Martin Unfried ist gut recherchiert & verständlich geschrieben - weiter so!

  • A
    Andreas

    Die dezentrale Erzeugung kann einen wesentlichen Beitrag in der Versorgung leisten. Auf der Intersolar wurden die ersten Redox Flow Batterien in der 200Kw kund 400 KW (rund 400 KWH Speicher bei ca. 200 KW) Klasse vorgestellt. Sie gehen derzeit in Serie und könnten hervorragend in einem virtuellen Kombikraftwerk eingesetzt werden.

     

    Die Frage die ich mir allerdings stelle ist, wie bekommen wir es hin das die Stadtwerke und ihre Kooperationsunternehmen endlich in die richtige Richtung strategisch entwickeln. Derzeit wurden in vielen Unternehmen die Leute förmlich weggebissen, die eine andere erneuerbar Strategie umsetzen wollen. Gezielt wurden Leute aus der alten Welt dorthin plaziert und werden es noch heute. Immer noch geistern Ideen von neuen Kohlekraftwerken in deren Köpfen und dezentrale Strukturen werden abgebügelt, leider. Hier gilt es auch neues Personal an die Spitze dieser Unternehmen zu etablieren, solange die am Hebel sitzen wird alles blockiert...

  • A
    Andreas

    Die dezentrale Erzeugung kann einen wesentlichen Beitrag in der Versorgung leisten. Auf der Intersolar wurden die ersten Redox Flow Batterien in der 200Kw kund 400 KW (rund 400 KWH Speicher bei ca. 200 KW) Klasse vorgestellt. Sie gehen derzeit in Serie und könnten hervorragend in einem virtuellen Kombikraftwerk eingesetzt werden.

     

    Die Frage die ich mir allerdings stelle ist, wie bekommen wir es hin das die Stadtwerke und ihre Kooperationsunternehmen endlich in die richtige Richtung strategisch entwickeln. Derzeit wurden in vielen Unternehmen die Leute förmlich weggebissen, die eine andere erneuerbar Strategie umsetzen wollen. Gezielt wurden Leute aus der alten Welt dorthin plaziert und werden es noch heute. Immer noch geistern Ideen von neuen Kohlekraftwerken in deren Köpfen und dezentrale Strukturen werden abgebügelt, leider. Hier gilt es auch neues Personal an die Spitze dieser Unternehmen zu etablieren, solange die am Hebel sitzen wird alles blockiert...

  • L
    Lucaus

    Na, Kollege Krause, wo haben wir denn diese Weisheit her. Garantiert nicht aus dem Artikel, den Du gerade kommentiert hast. Da wird argumentiert - ich wiederhole das mal hier, da du den Artikel offensichtlich nicht gelesen hast - dass eben nicht das Wehen des Windes auf dem Meer, sondern die Nähe zum Abnehmer und die leichtere Erschließbarkeit in den südlichen Bundesländern es effizient machen würde, hier zu investieren. Aber das könnten eben nicht nur die dicken Fische, sondern auch kleinere. Und da das nicht erwünscht ist (zumindest nicht von den dicken Fischen und ihren bezahlten Handlangern in Politik und Medien) wird das durch Subventionierung in die Taschen der dicken Fische und geeignete Berichterstattung versucht zu verhindern! Kapiert?

  • A
    Alex

    @Niko&Yannik

     

    so sieht es aus - eine Energiewende ist was anderes.

     

    Erst wenn sich die gesamte Wirtschaft dem Regionalisierungsprozess anschließt, ändert sich was.

     

    Allerdings - das typische Henne-Ei Problem. Habe ich erst eine regionale E-Versorgung zieht die Wirtschaft nach ? Oder "muß" erst die Wirtschaft wieder lokaler werden, damit sich der lokale Strom "lohnt" ?

  • N
    NoGo

    In den USA ist man viel später auf den Ökostrom-Zug aufgesprungen, dafür aber richtig.

     

    Sweetwater ist von der dem Untergang geweihten, von der Ölindustrie verlassenen Stadt zur Windstadt von Texas avanciert. Es bestehen Pläne, den gesamten mittleren Westen mit Windparks zu pflastern, und die Bauern ziehen mit Begeisterung mit weil sie pro Mast 10.000$ im Jahr bekommen, das sind stabile Einnahmen.

     

    Deutsche Stromkonzerne investieren fleissig und realisieren dort, was hier nicht geht.

     

    In dem ach so kapitalistischen USA stört sich auch kaum jemand daran dass 60% der Gewinne, die man mit Windenergie macht, aus Subventionen und Fördergeldern besteht. Es geht um einen schnellen, flächendeckenden Ausbau der den Energiehunger der USA in ein paar Jahren so weit wie möglich aus regenerativen Quellen gestillt werden kann, die nicht teurer werden.

     

    Bei uns muss dagegen um jedes Windrad gekämpft werden und die Fördermittel werden zusammen gestrichen.

  • IW
    ingrid werner

    Finde ich schön das mal ansatzweise erklärt zu bekommen. Aber verdammt wo haben sie ihre Informationsquellen? Ich fände es gut wenn Sie demnächst ein paar Infolinks drunter stellen, so dass wir mit ihrer Argumentation schritt halten können. Und wenn Sie dass getan haben, dann muss zu subversiveren Strategien übergegangen werden: etwas Initiativen zur Gründung von dezentralen Energieproduzenten (unter Umgehung sämtlicher v Politik und Stromkonzernen gesetzten Hürden) wie geht das? Beste Grüße, I. Werner

  • VA
    von ATK

    Biogas, bei aller Kritik und Diskussion, wäre im Gasnetz speicherbar. Es kann zudem dezentral erzeugt werden. Aber auch hier ist das neue EEG eher ein Hemmschuh.

  • K
    Krause

    Was soll man sagen: ohne Wind, keine Energie. Und wo weht der Wind - auf dem Meer. Eigentlich doch ganz logisch.

  • N
    Niko

    Eine dezentrale Stromerzeugung würde einen kompletten Strukturwandel bedeuten, bei dem die jetzigen Energieriesen die Verlierer wären - und die Gesellschaft der Gewinner.

     

    Um die Energieriesen davor zu bewahren, wird auf Offshore gesetzt, denn nur so können die großen Energieversorger von der "Energiewende" profitieren.

    Ausserdem wird dadurch erheblicher Leitungsbau notwendig gemacht, mit dem sich die Energiewende weiter verzögern lässt.

     

    Letztenendes geht es um den Machterhalt der 4 Energieriesen in Deutschland.

  • Y
    Yannick

    Danke für diesen schönen Artikel!

    Der jetzige Ruf nach Offshore-Parks ist nichts anderes als der Versuch das alte Energiesystem auf die Erneuerbaren Energien zu übertragen und so die Macht der großen EVUs beizubehalten.

    Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen!