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Debatte Deutsches MilitärBundeswehr auf neuem Kurs

Die Seemacht des Exportweltmeisters Deutschland rüstet auf - und will zukünftig, dass die Bundesmarine weltweit Handelswege sichert. Eine Tendenz, die das Parlament verhindern muss.

D eutschland ist eine Seemacht. Eine Tatsache, die selbst an der Waterkant von Bremen, Hamburg oder Rostock kaum wahrgenommen wird. Dabei ist die deutsche Containerflotte die größte auf den Weltmeeren: Jeder dritte Frachter der Globalisierung gehört hiesigem Kapital.

Der Hamburger Hafen hat längst London, Tokio und New York weit hinter sich gelassen, und in Duisburg pulsiert der weltweit gigantischste Binnenschiffhafen. Der Schiffbau, eine Hightech-Branche auf Augenhöhe mit der Luft- und Raumfahrtindustrie, liegt in Europa auf Platz eins. Schiffbau umfasst übrigens weit mehr als Werften: Wichtige Zulieferer wie MAN oder Siemens produzieren in Süddeutschland.

Handel und Krieg hängen seit je eng zusammen. Und so könnte aus der merkantilen Seemacht bald eine militärische Seemacht auftauchen. Doch das bundesdeutsche Flottenprogramm und der damit verbundene Rüstungsboom erregen bislang erstaunlich geringe Aufmerksamkeit. Dabei sind die neuen Hochtechnologie-Korvetten und Marathon-Fregatten die schlagkräftigsten und mit fünf Milliarden Euro teuersten Waffensysteme in der deutschen Geschichte.

Eine Koalition übrigens aus CDU/CSU, SPD und FDP hat im Haushaltsausschuss des Bundestages dem Fregattenauftrag an ThyssenKrupp zugestimmt. Trotz Kritik des Bundesrechnungshofes. Die Kriegsmarine wird damit erstmals seit dem kaiserlichen Flottenprogramm um 1900 wieder ins Zentrum der Militärstrategie und der Außenpolitik gerückt.

Einblicke in die aktuelle Strategie erlaubte unlängst die erste internationale Konferenz und Fachmesse "Maritime Security & Defence" (MS & D) in Hamburg, die vom Bundesverteidigungs- und Wirtschaftministerium unterstützt wird. Dort zeigten sich die Spitzenmilitärs zufrieden über technologischen Entwicklungen und kommende Kriegsszenarien jenseits von Irak und Afghanistan: Unbemannte Hubschrauber, die selbständig entscheiden und auf jeder Korvette landen können, sehende Flugkörper, die vom U-Boot aus Landziele anpeilen, und bahnbrechende Kriegsschiffe.

Im kommenden Jahr werden fünf neue Korvetten K 130 einsatzbereit sein. Sie können global operieren und erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg Landziele beschießen. Damit entsteht ein qualitativ neues Drohpotenzial, schließlich liegen acht von zehn der größten Städte auf der Erde am Meer. Voll zur Entfaltung werden die neuartigen militärischen Möglichkeiten durch weitere U-Boote und vor allem durch vier noch größere Fregatten F 125 kommen, mit deren Bau im Mai 2011 auf den ThyssenKrupp-Werften begonnen wird.

Diese Marathon-Fregatten werden sich extrem lange im Einsatzgebiet aufhalten können, vierundzwanzig Monate lang statt sechs. Damit schafft die Marine Fakten für die künftige deutsche Außenpolitik. Anders als mancher Außen- und Sicherheitspolitiker in Berlin kämpft die Chefetage der Marine allerdings mit offenem Visier: Mit der Aufrüstung würden zwei Leitlinien verfolgt, heißt es aus dem Flottenkommando.

Die internationale Krisenbewältigung werde zukünftig erstens noch stärker auf gemeinsame Aktionen von Heer, Luftwaffe und Marine setzen. Dabei soll die frei von Landesgrenzen und anderen Hemmnissen operierende Marine eine Schlüsselrolle spielen, und die See soll als Basis für zukünftige gemeinsame Operationen der Bundeswehr erschlossen werden. Der neue konzeptionelle Ansatz heißt darum "Basis See". Gemeinsam mit den "Landratten" vom Heer arbeitet die Admiralität an ihrem Projekt "Führen von See". Etwa die Feuerunterstützung vom Meer aus gewinnt militärstrategisch zunehmende Bedeutung. Darum wird die Marine ihre Fähigkeiten ausbauen, so Admiral Nolting, "Kräfte an Land von See aus zu unterstützen".

Ihren zweiten Schwerpunkt sieht die Marine künftig im Schutz der Handelswege. Fortan verteidigt die Marine damit nicht mehr allein den Ostseeraum und die Deutsche Bucht, sondern will die globalen Handelswege absichern. Da Deutschland hochgradig auf den Außenhandel und den Import von Rohstoffen angewiesen ist, befindet sich die Nation in einer "maritimen Abhängigkeit", hebt Marineinspekteur Wolfgang Nolting immer wieder hervor. Weltweit!

Bundeswehr vor fernen Küsten

Der oberste Marinesoldat kann sich auf das "Weißbuch" der schwarz-roten Bundesregierung stützen. Danach hat Deutschland infolge der Globalisierung "besonderes Interesse an ungehindertem Warenaustausch", und die sichere Energieversorgung sei von "strategischer Bedeutung". Darum müsse die Marine "in großer Entfernung vor fremden Küsten" operieren können, um Konflikte "bereits am Ort ihres Entstehens einzudämmen und zu bewältigen". Dazu soll sich die Marine zu einer "Expeditionary Navy" entwickeln.

Angesichts dieser modernen Kanonenboot-Politik könnte die Politik noch tiefer ins Kielwasser von Marine und Industrie geraten, denn die neuen militärischen Möglichkeiten werden neue Begehrlichkeiten bei Politikern und Nato-Partnern wecken. Das Kreuzen vor fremden Küsten könnte zur Standardaufgabe der Bundeswehr werden. Eine echte Globalisierung der deutschen Außenpolitik wäre Bedingung und Folge dieses Kurswechsels zugleich.

Alle wesentlichen Wünsche der Marine wurden in der vergangenen Legislaturperiode erfüllt. Weißbuch, Korvetten, Fregatten und Waffensysteme für den Landbeschuss werden die Marine bald zu einem potenziellen Global Player machen. Doch es ginge auch anders. Immer noch ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. In den aktuellen Koalitionsverhandlungen geht es zunächst nur darum, ob die Marine Polizeibefugnisse für die Seesicherheit erhält. Dazu wäre eine Änderung des Grundgesetzes nötig. Alternativ dazu könnte jedoch eine aufzubauende Bundespolizei-See diese Militarisierung nach innen stoppen.

Weit wichtiger: Die globale Ausdehnung der Seemacht sollte das Parlament beenden. Kernaufgabe der Marine muss wieder der militärische Schutz der heimischen Küste werden. Die Sicherheit Deutschlands sollte weder am Hindukusch noch am Horn von Afrika oder im chinesischen Meer verteidigt werden.

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Hermannus Pfeiffer
Autor
Soziologe und promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Spezialgebiete: Banken/Versicherungen/Finanzmärkte und maritime Industrie. Arbeitet seit 1995 als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt „Gewinn ist nicht genug! 21 Mythen über die Wirtschaft, die uns teuer zu stehen kommen“, Rowohlt Verlag, Reinbek 2021.
Hermannus Pfeiffer
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Soziologe und promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Spezialgebiete: Banken/Versicherungen/Finanzmärkte und maritime Industrie. Arbeitet seit 1995 als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt „Gewinn ist nicht genug! 21 Mythen über die Wirtschaft, die uns teuer zu stehen kommen“, Rowohlt Verlag, Reinbek 2021.
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4 Kommentare

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  • K
    Kate

    Das ist nichts neues, wer es wissen wollte, konnte es wissen. Die strategische Umorientierung der Bundeswehr interessiert nur kaum jemanden. Zukünftige Kriegseinsätze, äh, entschuldigung, Stabilisierungseinsätze, sind impliziert.

    Sicherung der Rohstoffversorgung, Sicherung der Handelswege, das läßt Raum für Einsätze. Das ist im übrigen eine politische Entscheidung aus der Kohl-Zeit. Sie wurde von rot/grün kontinuierlich fortgeführt.

    Wir dürfen gespannt sein, wie die politische Klasse in Deutschland zukünftig den Begriff Frieden wandelt und permanent neu definiert.

  • G
    gregor

    Das ist doch keine neue Qualität. Keine Flugzeugträger, keine Landungsschiffe, keine Atomboote mit strategischen Marschflugkörpern. Es ist doch wie gestern und heute nur ein Begleitfisch des dicken amerikanischen Haifisches.

  • F
    Fritz

    In diesem Land beschließt die Mehrheit des frei gewählten Parlaments, ob und wo Krieg geführt wird. Das ist gut so. Dann muss aber auch sichergestellt sein, dass unsere Soldaten von unseren Abgeordneten so ausgestattet werden, dass sie deren Aufträge erfüllen können. Dazu gehört auch das sichere und schlagkräftige Agieren auf den weltmeeren. Die kleingeistig-provinzielle Denkweise, man könne ja die eigene Küste (gegen wen oder was?) verteidigen, während der Rest der Welt die globalen Krisen und die Piraterie für uns bekämpft, ist ja zum Glück schon von Rot-Grün über Bord geworfen worden.

     

    Ich freue mich schon auf unseren ersten Flugzeugträger. Wir sollten ihn "Rosa Luxemburg" nennen und nur aus Ökostahl bauen, damit die dt. Linke nicht zu weinen anfängt.

  • V
    vic

    "Sie können global operieren und erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg Landziele beschießen."

    Ach, ich bin total begeistert.

    Erstaunlich, was sich kranke Hirne alles ausdenken.

    Hurra! Wir sind wieder wer.