Zunächst Dank an Herrn Blume für eine weitere interessante Facette im Bild der Behandlung des Themas "Wie soll oder kann man im Anschluss an die Unruhen in Tibet und Chinas Umgang damit mit China umgehen, sprechen und auf es einwirken?" Eigentlich sollte jedem klar sein, dass es in jedem um Differenzierung bemühten Beitrag immer auch Lücken geben wird, auch dass man die eine oder andere Einschätzung nicht teilen wird. Doch es wird die Argumentationslinie sehr gut nachvollziehbar, ja unterstrichen. Und ich verstehe nicht, warum häufige Reaktionen auf differenzierte Artikel immer Diffamierungen oder Lagerzuweisungen ("Nähe zur KP" oder KMT) nach sich ziehen müssen, anstatt die Darstellungen als wichtige ergänzende Aspekte zu sehen. Solche Rufe wie "Lang lebe die Freiheit", "Befreit Tibet!", "Boykottiert China!" sind doch nicht weniger hohle Parolen wie jene, die an der KP Chinas kritisert werden. Wer wirklich etwas verändern will, wer wirklich Probleme lösen will, der muss diese nun einmal zuerst verstehen lernen - und zu diesem Verständnis können nur Artikel wie die von Georg Blume beitragen, oder auch Thomas Heberer (in der gestrigen Ausgabe), aber natürlich auch viele mehr. Die üblichen Befreiungsparolen immer und immer wieder hinauszuschreien, aber nichts dazu lernen zu wollen, ist ebenso wirksam und hilfreich wie laut hupend aber ungebremst auf das Ende eines Staus zuzufahren.
Drum würde ich mir wünschen, dass mehr Menschen die Anregungen solcher Artikel aufgreifen und sich kritisch, aber nicht wie im Barrikadenkampf damit auseinanderzusetzen. Die französische Revolution hat wunderbare Ideale hervorgebracht, aber auch den allzu flotten Umgang mit der Guillotine. Es hat uns in Westen dann immer zwei Jahrhunderte Zeit gekostet, diese Ideale etwas stärker in unserer Lebenswirklichkeit zu verwurzeln (und haben wir das wirklich schon vollendet?) - geben wir doch auch China etwas Zeit! Das heißt nicht, dass wir es in allem kommentarlos gewähren lassen müssen. Doch Dialog hat unter den ehemals verfeindeten Nationen Europas zu besseren Ergebnissen geführt als (zu starke) Konfrontation, und so ist das auch mit China. Zum Dialog gehört aber auch Kennen- und Verstehen lernen (was durchaus die Beibehaltung des eigenen Standpunktes erlaubt), und dazu gehört viel Information, viel mehr, als Bild-Zeitungs-Journalismus und Parolenrufen. Natürlich mag es manchmal schwer fallen, sich an manche (gewiss nicht alle!) "Spielregeln" oder Verhaltensweisen des Gegenübers anzupassen - in diesem Fall Chinas. Doch darf man deshalb als selbstverständlich erachten, dass alles weiter nach den Spielregeln geht, nach denen die Europäer viele Jahrhunderte lang die Welt heimgesucht haben?
Man muss sich die anderen Spielregeln ja nicht zu eigen machen, aber sie zu verstehen bedeutet auch, Missverständnissen vurzubeugen, Missverständnissen und Fehlbewertungen. Und diese gab es in denletzten Wochen ja wohl zuhauf, auf allen Seiten: in Tibet, in China und im Westen.
Es sind aber gerade solche Artikel wie die von Herrn Blume, die und vor massiven Fehlbewertungen und Missverständnissen bewahren können. So können wir in Dialog mit Chinesen treten und sie damit erreichen - ich habe das persönlich zigtausendfach erlebt und habe dabei als Ausländer mit Kritik in China mit Sicherheit sehr viel öfter Gehör gefunden und sogar Zustimmung erfahren als es sich je ein Ausländer im heutigen Deutschland erträumen könnte...
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