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Debatte Abhören unter FreundenDoch, das geht!

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die US-Geheimdienste haben bei ihren Aktivitäten noch nie Rücksicht auf Verbündete genommen. Das wusste auch Angela Merkel.

Einfach mal zuhören. Bild: dpa

W irkliche Partnerschaft brauche Verbündete, die einander zuhören, hatte der damalige US-amerikanische Senator Barack Obama 2008 bei seiner Rede vor der Berliner Siegessäule gesagt. Dass dieser Satz fünf Jahre später eine unfreiwillige Tragikomik entfalten würde, hat damals niemand geahnt.

Dabei wurden die Grundlagen dessen, was seit dieser Woche als „Handygate“ die Bundesrepublik empört, schon vor vielen Jahren gelegt – und sie sind im Unterschied zu den konkreten Programmen keinesfalls geheim. Das Ausspionieren Europas, das im Zweiten Weltkrieg als eine geheimdienstliche Kooperation zwischen den USA und Großbritannien – vornehmlich bei der Dechiffrierung von Funksprüchen Nazi-Deutschlands – begonnen hatte, ist seither beständig ausgebaut worden, meist mit Einverständnis und Billigung der europäischen Regierungen, die ja auch ihrerseits ihre eigenen Fähigkeiten erweiterten.

Tatsächlich, so erläutert es eine vom EU-Parlament in Auftrag gegebene und jüngst erschienene Studie, haben die US-Geheimdienste eine lange Geschichte der Nichtachtung der Privatsphäre von Nicht-US-Bürgern. Nahezu alle Gesetze, in denen Aufgaben und Grenzen geheimdienstlicher Tätigkeiten in den USA definiert werden, ziehen einen klaren Unterschied zwischen Landsleuten und Nicht-US-Bürgern, keine allerdings zwischen Bürgern – oder Regierungen – verbündeter Staaten und anderer.

„Freunde abhören, das geht gar nicht“, sagte Angela Merkel in dieser Woche. Doch, das geht, und es ist sogar als denkbarer Tätigkeitsbereich geheimdienstlicher Aktivität im Ausland in einem der vielen Unterpunkte des 1978 verabschiedeten und seither mehrfach ergänzten „Foreign Intelligence Surveillance Act“ implizit beschrieben.

Generalvollmacht für Geheimdienste

Legitim sei, heißt es dort, die Beschaffung jeglicher Informationen, die der Außenpolitik der USA nutzen können. Das ist weit davon entfernt, sich auf den „Krieg gegen den Terror“ zu beschränken. Es ist im Gegenteil eine Generalvollmacht für Geheimdienste, ihr technisches Potenzial voll auszuschöpfen. Nichts anderes haben sie gemacht.

Das alles sind keine Geheiminformationen – auch die Bundesregierung verfügt über sie. Es ist ja kein Wunder, dass sie die Affäre kleinredete, als im Sommer erstmals die Öffentlichkeit von der großangelegten Überwachung von Telefon- und Internetkommunikation durch die NSA erfuhr. Erst nach der Enthüllung, dass auch Merkel selbst abgehört wurde, konnte sie nicht mehr stillhalten. Vermutlich: zu ihrem eigenen Leidwesen. Es dürfte Merkel mehr ausmachen, dass sie zur Reaktion gezwungen ist, als dass es überhaupt passiert ist.

Für Merkel und die anderen europäischen Regierungen, deren Ausspionierung bekannt geworden ist, gibt es bei dieser Affäre nichts zu gewinnen. Niemand wird die Zusammenarbeit auch nur in Gefahr bringen. Nicht einmal auf eine Unterbrechung der Freihandelsverhandlungen, wie sie der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz (SPD) angeregt hatte, konnten sich die EU-Außenminister in Brüssel einigen. Man muss sich glaubwürdig aufregen – gleichzeitig aber die Zusammenarbeit der Geheimdienste laut- und nahtlos fortsetzen.

Auch die ist nicht neu: Vor 1989 tauschte man Informationen im Rahmen des Kalten Krieges aus; Deutschland als Weltkriegsverlierer mit eingeschränkter Souveränität einerseits und Frontstaat zum Ostblock andererseits kam dabei eine zentrale Rolle zu. Nach dem 11. September 2001 – und mit dem schlechten Gewissen, der Hijacker-Zelle in Hamburg nicht auf die Spur gekommen zu sein – wurde der Austausch auch über in Deutschland selbst erhobene Daten zur Regel.

Man ärgert sich also über die NSA – und ärgert sich insgeheim viel mehr, dass man selbst nichts Vergleichbares hinkriegt. Man weiß, dass man in Sicherheitsfragen von den USA abhängig bleibt und die Übergriffigkeiten der Supermacht in Kauf nehmen muss: unter Freunden.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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16 Kommentare

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  • F
    FROST

    Als ob "Gundula" nicht wüsste, wo der Hund begraben liegt. "Ihr dürft alles abhorchen-, nur mich nicht".

  • Ich hätte ja nie gedacht, dass ich mal das ZDF empfehlen würde:

    http://www.heute.de/NSA-Aff%C3%A4re-Mindestens-eine-Entschuldigung-erwartet-30364052.html?tabNo=1

    Aber guckt euch das doch mal an - die USA dürfen ganz legal abhören. Die Frage ist nur noch: Weiß die gute Frau Merkel das nicht oder veräppelt sie die BürgerInnen ganz bewusst?

  • G
    Günter

    Die Nazis haben mich eines gelehrt. Je mehr die USA über Deutschland und über alle Bürger dieses Landes wissen, um so sicherer fühle ich mich. CIA und NSA sei Dank!

    Basta!!

  • AW
    Ach was

    Guter Artikel.

     

    Herr P. aus R. spielt jetzt ein wenig mit den sogenannten "Demokraten".

     

    Merkels Satz mit den Freunden kann man gut verkaufen in D.

     

    Um Merkel braucht man sich nicht zu sorgen.

     

    Eher um D, dass in seiner SekundärTugendlichkeit den ersten Platz erhält.

     

    Wache doch auf Bürger und denke und fühle selber.

  • P
    paul

    "haben die US-Geheimdienste eine lange Geschichte der Nichtachtung der Privatsphäre von Nicht-US-Bürgern."

     

    Die USA haben auch eine lange Tradition der Nichtachtung des Lebensrechts eines jeden Menschen. Und der restliche Westen hat eine lange Tradition des Nichtbeachtens dieser Tradition.

     

    Obama war lediglich die hübschere und für einige Zeit die passendere Fassade des Allmachtsbeanspruchers für die Lobbyisten im Hintergrund.

     

    Träumt alle schön weiter mit euren feinsinnigen politischen "Analysen". Man stelle sich das Geschrei vor, Putin oder wer anders würde solche Drohnenmorde im Wochenrhythmus anordnen. Die Titelseiten auch der taz könnte jeder halbwegs Kundige selbst schreiben. Bei Bush&Obama heißen solche Verbrechen dann war on terror. Beinah schon humanistische Einsätze.

     

    Gehirnwäsche, sonst nichts.

  • B
    Blechstein

    "Ach wie gut das niemand weiß,

    dass ich Abhör-Barack heiß!"

  • S
    sushi

    Was soll der Artikel eigentlich relativieren?

     

    Dass wir seit Jahrzehnten angelogen werden über massive Angriffe auf unsere Privatsphäre und unsere "Regierungen" ohne Ausnahme auch noch tatkräftig bei den Voraussetzungen dafür mitgewirkt haben? Dann besser gar keine Regierung als solche. Gilt für die Clowns in Brüssel ebenfalls.

     

    Und dass wir hier schnüffeltechnisch angeblich nichts auf die Reihe kriegen - wäre doch gut so. Es gibt Firmen wie Gamma, die allerhand auf die Reihe kriegen, viel zu viel für meinen Geschmack. Aber dass die deutsche Hackerszene zum großen Teil kein Interesse hat, für Dienste oder BKA zu arbeiten, macht mir dieses Land sympathisch. Das sind Freiheiten, die sich ergeben, wenn man sich für ein Stipendium für ein gewollt teures Studium nicht vom Militär o.ä. abhängig machen muss.

  • G
    gast

    scheinheilige funsn

  • Was macht eigentlich der BND so in letzter Zeit?

    • @bouleazero:

      Spioniert weiterhin die Kommunikation der afghanischen Regierung aus.

       

      Alle sind empört :-)

    • G
      gast
      @bouleazero:

      Der hofft auf die Fertigstellung seiner neuen 2-Mrd.-€-Zentrale in der Berliner Chausseestraße.

  • W
    Wolf

    Nein, das stimmt nicht. Wäre das so, so würden Deutsche Firmen nicht in die Vereingten Staaten exportieren dürfen.

  • H
    Hauke

    Der Artikel bringt es schön auf den Punkt. Bei der aktuellen politischen Ausrichtung Europas wird sich nichts an der Geheimdienstarbeit ändern - die Techniken zur Datenerhebeung werden immer besser - der Bürger wird immer gläserner.

  • B
    Blechstein

    Ich weiß, das ich nicht weiß (Sokrates)

    Es gibt nichts, was ich nicht weiß (Obama)

  • Herr Pickert, das klingt ein wenig nach Hilflosigkeit. Wollen wir diese Resignation wirklich zulassen?

  • L
    Louis

    Oh schubiduuh,

    ich weiß soviel wie du.

    genausoviel...genausoviel

    wiieh duuuuuh