Deal mit Oracle und Walmart: Tiktoks zweite Chance
Oracle und Walmart werden wohl die Geschäfte von TikTok in den USA leiten. Aus chinesischer Sicht ist es eine Kompromisslösung.
Der Deal grob umrissen: In Texas würde TikTok nun eine neue Zentrale errichten, 25.000 Mitarbeiter anstellen und die Nutzerdaten auf separaten Cloud-Systemen speichern. In trockenen Tüchern ist das Geschäft zwar noch nicht, doch TikTok hat bereits in einer Stellungnahme bestätigt, dass Oracle und Walmart 20 Prozent Unternehmensanteile erhalten werden. Washington gewährt der App zudem eine Fristverlängerung um eine Woche. Ursprünglich hätte TikTok bereits am Sonntag in den USA nicht mehr zum Download verfügbar sein sollen.
Seit Monaten bereits wirft die US-Regierung der Tech-Konkurrenz aus Fernost vor, Nutzerdaten an Chinas kommunistische Führung weiterzuleiten. Belege legte Washington bislang keine vor, genauso wenig wie übrigens im Fall Huawei – der Netzwerkausstatter hat mit identischen Spionage-Vorwürfen zu kämpfen.
Trump will Chinas erster weltweit erfolgreicher App schaden
Nachweisen lässt sich jedoch sehr wohl, dass TikTok immer wieder politische Inhalte zensiert hat, etwa bei Kurzvideos über die Situation der uigurischen Minderheit in der westchinesischen Provinz Xinjiang, die von der Zentralregierung systematisch unterdrückt und interniert wird.
Natürlich geht es Trump vor allem darum, Chinas erstem, uneingeschränkt erfolgreichem Unternehmen weltweit einen Riegel vorzuschieben. Keine App kann derzeit so viele Downloadzahlen vorweisen wie TikTok, allein in den USA nutzen über 100 Millionen Menschen die Videoplattform.
Dennoch kann sich Peking keinesfalls glaubhaft als Opfer inszenieren, schließlich hat es fast alle relevanten Apps aus dem Silicon Valley für den eigenen Markt gesperrt: Instagram über Twitter bis hin zu Youtube und Facebook lassen sich nur mit einer – de facto illegalen – VPN-Software benutzen. Chinas Führung zensiert sein Internet und duldet unter keinen Umständen eine Vernetzung von Aktivisten.
Was TikTok so besonders macht, ist sein auf künstlicher Intelligenz basierter Algorithmus, der nicht nur für eine rekordverdächtige Verweildauer seiner Nutzer sorgt, sondern auch dem seiner US-Konkurrenz wie Instagram und Facebook technisch überlegen ist.
Trump trifft falsches Unternehmen
Dabei trifft es mit TikTok im Grunde ein westlich geprägtes Unternehmen: Gründer Zhang Yiming ist im Gegensatz zu den meisten Firmenvorständen in China kein Parteimitglied der Kommunisten, ja nicht einmal ein strammer Patriot. Der 37-jährige Informatiker atmet mehr „Silicon Valley“ als jeder andere große Startup-Gründer in China.
Seine Idole, das schreibt er auch ganz offen, sitzen in Kalifornien – für den nationalistischen Internetmob in China galt Zhang damit tendenziell als Landesverräter. Dass nun ausgerechnet der in Fujian geborene Startup-Visionär zwischen die Fronten eines neuen Kalten Kriegs gerät, wundert wohl niemanden so sehr wie ihn selbst.
Chinas Zustimmung fehlt noch
Von den chinesischen Propagandamedien wird der TikTok-Deal mit gemischten Gefühlen betrachtet. Hu Xijin, Chefredakteur der Global Times, bezeichnet ihn zwar als „immer noch unfair“, jedoch „relativ vernünftig“ für den Mutterkonzern Bytedance. „Die jüngste Entscheidung der chinesischen Regierung, technologische Exporte einzuschränken, hat auch den Verlauf der Dinge beeinflusst“, schreibt Hu, der meist als publizistischer Seismograph der öffentlichen Parteilinie gilt.
Eine weitere chinesische App muss sich nun allerdings tatsächlich vom US-Markt verabschieden: Wechat ist ein digitales Hybrid, das im Alltag der Chinesen längst unabdingbar ist – vom Messenger-Dienst über Essensbestellungen hin zu mobilen Zahlungen.
Dass Einwohner der Vereinigten Staaten künftig kein Wechat mehr herunterladen dürfen, trifft zum einen die chinesische Diaspora, deren Kommunikation zu Freunden und Verwandten in der Volksrepublik erschwert wird. Zudem könnte das Verbot auch US-Unternehmen in China beeinträchtigen, die ohne Wechat erhebliche Wettbewerbsnachteile erleiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist