De Maizières Schläger: Polizei prügelt wohl öfter mal
Bundespolizisten aus Hannover sollen nicht nur am Hauptbahnhof, sondern auch im Polizeiwagen Festgenommene misshandelt haben.
Neue Übergriffsvorwürfe gegen Polizisten: Ein am Bahnhof in Gewahrsam genommener Mann soll in einem Polizeifahrzeug so schwer verprügelt worden sein, dass ihm hinterher ein Zahn fehlte und im Wagen Blut zu sehen war. Das berichtet der NDR unter Berufung auf Schilderungen „aus dem Kollegenkreis der Bundespolizeiinspektion Hannover“.
Bereits vor vier Wochen sorgten Misshandlungsvorwürfe gegen Beamte der Bundespolizeiwache im Hauptbahnhof von Hannover für großes Aufsehen. Zu den neuen Anschuldigungen macht nun auch das mutmaßliche Opfer selbst entsprechende Angaben, wie die Staatsanwaltschaft gestern bestätigte.
Zu dem Übergriff kam es demnach an einem Abend Anfang dieses Jahres. Der Zeugenaussage zufolge habe ein Polizist zunächst einen Kollegen aufgefordert, die Musik im Wagen lauter zu stellen, während der Mann geschlagen wurde. Später habe der Beamte das Blut im Bully weggewischt. Der Täter soll derselbe gewesen sein, der im Verdacht steht, im vergangenen Jahr einen Marokkaner und einen Afghanen gequält und gedemütigt zu haben.
Wer im aktuellen Fall der Betroffene ist und warum der Mann in Gewahrsam genommen wurde, ist bislang unbekannt. Nach Einschätzung von Holger Nitz, dem Vorsitzenden des Verbandes Niedersächsischer und Bremer Strafverteidiger, müssen sich - sofern die Vorwürfe bestätigt werden - mehrere Beamte die Frage gefallen lassen, warum sie den Vorfall nicht längst gemeldet haben. „Das ist aus meiner Sicht sogar eine Beihilfe, die da passiert, eine Beihilfe durch Unterlassen“, sagte Nitz dem NDR. „Jemand, der Kenntnis von solchen Handlungen nimmt und nicht einschreitet, und sogar aufgefordert wird, etwas zu tun, damit das nicht publik wird, der macht sich mitschuldig.“
Die Staatsanwaltschaft bestätigte inzwischen auch Fortschritte bei den Ermittlungen zu den vor vier Wochen bekannt gewordenen Vorgängen. So hat eines der wahrscheinlichen Misshandlungsopfer, ein 19 Jahre alter Marokkaner, inzwischen ausgesagt - er soll dabei die Vorwürfe im Kern bestätigt haben. Die Quälereien des Marokkaners haben sich demnach am 25. September 2014 ereignet. Bundespolizisten hatten den jungen Mann ohne Fahrschein aus einem Regionalzug geholt, in einem Strumpf soll eine geringe Menge Marihuana versteckt gewesen sein.
Ein angeblich mit dem Handy des beschuldigten Beamten aufgenommenes Foto soll den Festgenommenen in einer Zelle der Bahnhofs-Wache zeigen: Er ist an den Händen gefesselt, sitzt in gekrümmter Haltung auf gefliestem Boden, Kopf und Oberkörper sind an die Wand gepresst. „Das ist ein Marokkaner“, zitierten Medien aus einer SMS des Hauptbeschuldigten. „Den habe ich weiß bekommen. (xy) hat gesagt, dass er ihn oben gehört hat, dass er geqiekt hat, wie ein Schwein. Dann hat der Bastard erst mal den Rest gammeliges Schweinefleisch aus dem Kühlschrank gefressen. Vom Boden.“ Beamte derselben Bahnhofs-Dienststelle sollen im Internet außerdem menschenverachtende Posts und rassistische Kommentare verbreitet haben, wie Anfang Juni bekannt wurde.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer PolizistInnen ist von all den Vorgängen wenig überrascht. Solche Vorkommnisse seien keine Einzelfälle, sondern an der Tagesordnung, sagte Sprecher Thomas Wüppesahl gegenüber der taz.
Unterdessen hat sich auch der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, zu Wort gemeldet: „Wir werden alles tun, um die Vorfälle aufzuklären“, heißt es in einem Schreiben an die rund 40.000 Beamten. Gleichzeitig wendet sich Romann gegen „pauschale Vorverurteilungen“. Sie „diskreditieren unsere von Grund auf bescheidene und uneigennützige Bundespolizeifamilie völlig zu Unrecht und zur Unzeit“, erklärt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag