David Grubbs neues Soloalbum: Experiment verpflichtet
Der amerikanische Musiker David Grubbs kommt mit seinem aktuellen Soloalbum „The Plain Where the Palace Stood“ auf Deutschlandtour.
Mit 45 Jahren kann man schon mal als Legende gelten. In der Musik erst recht, da haben viele Legenden dieses Alter nicht einmal erreicht. Und nicht jeder Musiker ist mit 45 so produktiv wie der in Brooklyn lebende David Grubbs. Vor kurzem erschien sein zwölftes Soloalbum, „The Plain Where the Palace Stood“, daneben ist er in der einen oder anderen Form auf rund 150 weiteren Schallplatten zu hören.
Dass der Gitarrist, Sänger und Komponist David Grubbs einem mitunter sogar etwas älter vorkommen kann, hat vor allem damit zu tun, dass er seine ersten wichtigen Banderfahrungen in sehr jungen Jahren machte. Mit gerade einmal 15 war Grubbs unter den Mitgründern der wirkmächtigen US-amerikanischen Hardcoreband Squirrel Bait. Nach deren Auflösung folgte 1988 seine Band Bastro, die unter anderem eine wichtige Rolle für die Entstehung des Post-Rock spielte.
Einer größeren Popöffentlichkeit wurde Grubbs bekannt, nachdem er Bastro Anfang der Neunziger in Gastr del Sol umbenannte. Wenig später mutierte die Band zum Duoprojekt von Grubbs und dem ebenfalls hochproduktiven Jim O’Rourke und etablierte sich als Versuchslabor für Klangschichtungen aller Art, in dem abstrakte Folksongs neben emotional-suggestiven Tonbandcollagen ihren Platz hatten. Gastr del Sol wurden mit diesem offenen Konzept zum Inbegriff des experimentellen Post-Rock.
Großer Forscherdrang
Seinen Forscherdrang und das Bemühen um die ästhetische Integration von Extremen hat Grubbs auch nach der Auflösung von Gastr del Sol 1997 beibehalten, sei es solo oder in Kollaborationen mit so unterschiedlichen Künstlern wie dem Drone-Minimalisten Tony Conrad, der Deep-Listening-Pionierin Pauline Oliveros oder dem Songwriter Will Oldham. Auf seinem aktuellen Soloalbum wird er vom Gitarristen Stefano Pilia, dem Schlagzeuger Andrea Belfi und gelegentlich von C. Spencer Yeh an der Violine unterstützt, allesamt gestandene Experimentalmusiker.
„The Plain Where the Palace Stood“ versprüht in seinen Bandmomenten die gebrochene Energie von Experimentalrock, der reduzierte wie komplexe Bauweisen mit sehr bodenständigem Druck vereint. Grubbs’ Spiel kennt kein Sologegniedel, sondern höchstens Ausschmückungen oder Abschweifungen, die alle einem klaren Plan folgen. Nicht umsonst ist Grubbs mittlerweile Professor für Musikwissenschaften am Conservatory of Music des Brooklyn College, wo er auch Performance and Interactive Media Arts lehrt.
In den ruhigen Momenten der Platte verlässt sich Grubbs ganz auf seine Gitarre und seinen Gesang, wobei er kaum traditionelles Liedgut verfasst, sondern spartanische Songs in erweiterter Form mit eher schwer zugänglichen Texten darbietet, die er mit Titeln wie „I Started To Live When My Barber Died“ versieht. Grubbs, der zudem Creative Writing unterrichtet, hat wenig Berührungsängste mit Literaten.
Eine gewisse intellektuelle Sprödigkeit
Gemeinsam mit der Sängerin Hannah Marcus und dem Schriftsteller Rick Moody betreibt er das Projekt The Wingdale Community Singers, deren drittes Album „Night, Sleep, Death“ in diesem Frühjahr erschien. Hier beschränkt sich Grubbs auf Hintergrundgesang und Instrumente, das Mikrofon überlässt er seinen Partnern.
Grubbs’ Musik hat oft eine gewisse intellektuelle Sprödigkeit, die sich jedoch nie in rein akademischem Gestus verliert. Der Grundriss seiner Stücke beruht immer auf Pop- und Rockentwürfen, doch in der Art, wie er diese ausgestaltet, ist stets seine eigene Stimme zu vernehmen. Und die ist eben die eines Intellektuellen. Doch wer sagt, dass Musik ihre Hörer stets emotional einwickeln muss?
■ David Grubbs: „The Plain Where the Palace Stood“; The Wingdale Community Singers: „Night, Sleep, Death“ (beide Drag City/Rough Trade)
■ David Grubbs live 6. 6., West Germany, Berlin; 7. 6., Schocken, Stuttgart
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