piwik no script img

■ DaumenkinoEncore

Charmant: Valéria Bruni Tedeschi Foto: Verleih

Pascal Bonitzer, von 1969 bis Ende der 80er Redakteur der legendären Cahiers du Cinéma, gehört in Frankreich zu den wichtigsten Drehbuchautoren und das seit nunmehr 20 Jahren: Er schreibt vor allem für André Téchiné („Les Voleurs“, 1996) und Jacques Rivette („Haut Bas Fragile“, 1995) ein charmant-subtiles Szenario nach dem anderen. Ohne seine Erfahrungen als Autor hätte er niemals auf dem Regiestuhl Platz genommen, gestand er auf dem Filmfest München 1996. So schrieb er auch das Drehbuch zu seinem inszenatorischen Einstand selbst und hat bereits weitere Projekte in der Schublade. „Encore“, das mag sich der alternde Pariser Philosophie-Professor Abel Vichac (Jackie Berroyer) sagen, der von Krisen gebeutelt nicht mehr so recht weiß, wo er im Leben eigentlich steht. Seine zehnjährige Beziehung mit der zu Recht eifersüchtigen Aliette (gewohnt brisant: Valéria Bruni-Tedeschi) hat Staub angesetzt und ist längst nicht mehr das, was sie vielleicht einmal war, und am Dozieren hat er auch keine Freude mehr. So schlittert der schlaflose Abel mit schütterem Haar und Camus unterm Arm durch seine passionslose Post-Midlife-crisis, und nur die drei so belesenen Studentinnen Florence (Laurence Côte, eine von Téchinés kalten „Diebinnen der Nacht“), Catherine (Natacha Regnier) und Aurore (Hélène Filièrese) halten ihn noch auf Trab: Irritationen garantiert.

Ah non, autobiographische Bezüge gäbe es in dem Film nicht wirklich, so Monsieur Bonitzer, „auch wenn ich selbst zwischen zwei Altern stehe“, wie er dem Kritiker ins Ohr flüstert. Dafür aber belegt er seine Theorie des „With or without you“ mit melancholischem Understatement, in einem kleinen, feinen Kaleidoskop, in dem es allenthalben kriselt und menschelt. Prof. Abels Odyssee durch das moderne Paris mit seinen noch moderneren Studentinnen beglückt einen: „Encore“ ist in seiner Fotografie unprätentiös und schlicht gehalten, die Inszenierung kommt geradlinig und ohne Mätzchen daher, verkantete Close-ups der Protagonisten verdichten atmosphärisch deren Sinnsuche. Die Vielzahl der Dialoge erinnert an Bonitzers heimliche Vorbilder, an Woody Allen und Eric Rohmer: „Enore“ ist, wenn man so will, eine gekonnte Mixtur aus Rohmers „Conte d'été“ (1994) und Allens „Husbands and Wives“ (1992). Von Plagiat dennoch keine Spur. Thilo Wydra

„Encore“. Regie: Pascal Bonitzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen