■ Daumenkino: Der schöne Max
Männer laufen die Straßen entlang, es herrscht gefährliches Schweigen. Die Situation spitzt sich zu – das verraten diese ersten Einstellungen. Wenn auch nicht mehr. „Bent“ von Sean Mathias, ein Film über die Verfolgung der Homosexuellen unter der Naziherrschaft, läßt nur soviel durchblicken, daß der Blick gerade zur nächsten Szene findet. Hinein in den Zirkel eines schwulen Nachtlebens, das der Film noch einmal in aller Pracht und Geilheit feiert. Ein riesiger Nachtclub öffnet sich, in dem sich die Kerle durch Tabakdunst hindurch ihre Lust zu verstehen geben. Max ist einer von ihnen. Er ist schön, und wenn er will, kann er jeden haben. Max ist mit Rudy zusammen, schläft in dieser Nacht aber mit einem Mann von der SA. Der Film kommentiert diese Begegnung nicht, weil Sex die beste Begründung ist. Außerdem ist ihm diese Affäre der dramaturgische Einstieg in sein Thema der Gewalt. Am Morgen stürmt die SS die Wohnung und lyncht den SA- Mann. Hintergrund ist der „Röhm-Putsch“, das von Hitler gegen die SA-Führung und politische Gegner angeordnete Mordkommando vom Juni 1934. Röhms Homosexualität, seine Hinrichtung, die der Film stellvertretend an dem SA-Schergen vorführt, gibt den Startschuß zum offenen Krieg gegen Homosexuelle. Der Film zeigt das in äußerster Verknappung. So wie der SA-Günstling die Radikalisierung der Nazi-Politik repräsentieren muß, so müssen Max und Rudy, später dann Max und Horst, exemplarisch die Verfolgung der Homosexuellen erfahren. Offensichtlich konnte Mathias, der „Bent“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von Martin Sherman gedreht hat, sich von seiner Vorlage nicht befreien. Kurz gesagt: „Bent“ funktioniert nicht von der Kamera aus, sondern als dramatischer Dialog über Liebe und Tod. Die Leidenschaft diktiert das Bild, auch im KZ, das in nichts an die tatsächlichen Vernichtungslager erinnert. Eher an den Plan eines Bühnenbildners, der einen starken Ausdruck für Verzweiflung sucht. Dasselbe gilt für die Figuren: Max und Horst schleppen Steine hin und her. Sie stehen in glühender Hitze, in Kälte und Dunkelheit. Jede dieser Einstellungen erlahmt am eigenen Bild. Daran, daß sich der Regisseur nicht für die Wirklichkeit, sondern für das Symbol entschied. Elisabeth Wagner
„Bent“. Regie: Sean Mathias, GB 1997, 102 Min.
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