Dauerstreit um Reform: FDP schießt gegen Erbschaftssteuer
Die Liberalen wollen der Reform der Erbschaftssteuer im Bundesrat nicht zustimmen. Bayern würde sich also enthalten. Peinlich für die CSU - sie hatte den Beschluss ausgehandelt.
BERLIN taz Der Regierungskompromiss zur Erbschaftsteuer ist gerade erst mühsam gefunden, da wird er schon wieder in Frage gestellt. Die FDP rät ihren Landesverbänden, die in vier Bundesländern mit der Union koalieren, gegen die Neuregelung zu stimmen. Dann müssten sich diese Länder beim Votum im Bundesrat der Stimme enthalten. Die CSU will verhindern, sich bereits kurz nach der Regierungsbildung von ihrem neuen Partner vorführen zu lassen.
Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hermann Otto Solms, sagte der taz: "Das ist die Entscheidung der Landesverbände. Wir empfehlen ihnen aber, der Neuregelung nicht zuzustimmen." Solms kritisiert, der Kompromiss bei der Erbschaftsteuer bedrohe die Existenz von Unternehmen und könne Firmenerben in die private Überschuldung zwingen.
Die meisten Koalitionsverträge sehen vor, dass Landesregierungen sich bei Abstimmungen im Bundesrat der Stimme enthalten, wenn sie sich zuvor nicht einigen konnten. Die FDP regiert in vier Ländern mit der Union: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern. Gemeinsam kommen sie im Bundesrat auf 24 von 69 Stimmen. Damit können sie eine für Grundgesetzänderungen nötige Zweidrittelmehrheit verhindern, aber keine normalen Gesetzesänderungen.
Trotzdem könnte eine Enthaltung insbesondere für Bayern peinlich werden. Denn bereits am Montag hatte sich der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, weit vorgewagt: "Die Landesgruppe wird in Berlin nicht anders abstimmen als das Land Bayern." Das war ein Zugeständnis an die Parteifreunde: Bei einer gemeinsamen Sitzung von CSU-Vorstand und Bundestagsabgeordneten in München am Montag hatte sich Unmut über die Reform gezeigt.
Enthielten sich die Bayern im Bundestag, hieße das: Die Bundesregierung kann nicht einmal ihre eigenen Bundestagsfraktionen geschlossen hinter eines ihrer letzten Renommiervorhaben dieser Legislaturperiode scharen. Und die CSU, deren neuer Vorsitzender Horst Seehofer am Kompromiss selbst mitgewerkelt hat, müsste ihrer eigenen Reform am 19. Dezember im Bundesrat die Zustimmung verweigern. Ein Horrorszenario für die Bayern. Denen fällt es ohnehin schwer genug, sich im Freistaat ans Teilen ihrer Regierungsmacht zu gewöhnen.
Nun versucht Ramsauer, zu retten, was zu retten ist. Mit Blick auf die bayerische Landesregierung sagte der CSU-Landesgruppenchef: "Wir arbeiten auf ein einheitliches Stimmverhalten hin." Soll heißen: Die Bayern-FDP soll ihren Widerstand gegen den Kompromiss aufgeben. Deren Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte im Wahlkampf gefordert, die Bundesländer sollten Höhe und Umfang der Erbschaftsteuer selbst bestimmen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin