piwik no script img

Dauerhändeschütteln in Bagdad

Rußlands Regierung spricht den USA das Recht zum Angriff auf den Irak ab. Außenministerin Madeleine Albright wirbt mit wenig Erfolg um Verbündete  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Rußlands Regierung hat der Clinton-Administration das Recht abgesprochen, militärisch gegen den Irak vorzugehen. Die bestehenden UN-Resolutionen gäben den USA kein Recht zur Gewaltanwendung, sagte gestern ein Sprecher des russischen Außenministeriums. Die Nachrichtenagentur Interfax meldete gar, im russischen Unterhaus werde überlegt, im Fall eines Angriffs gegen den Irak auf die Ratifizierung des Start-II-Vertrages über die Abrüstung strategischer Atomwaffen zu verzichten.

Unterdessen bemühen sich in Bagdad Gesandte diverser Staaten, einen Angriff auf den Irak zu verhindern. Der russische Unterhändler Viktor Posuwaljuk versucht weiter, einen für Staatschef Saddam Hussein gesichtswahrenden Kompromiß zu finden. Montag nacht hatte sich ein von den Russen vermitteltes angebliches irakisches Zugeständnis als Flop erwiesen. Aus Moskau hatte es geheißen, Saddam Hussein habe der Inspektion von acht angeblichen Präsidentenpalästen zugestimmt. Doch die „Erfolgsmeldung“ wurde umgehend aus Bagdad dementiert.

Seit gestern versuchen auch der französische Gesandte Bertrand Dusourcq und ein Vertreter von PLO-Chef Jassir Arafat ihr Glück in der irakischen Hauptstadt. Auch der Vorsitzende der Arabischen Liga, Esmat Abdel Meguid, hat sich angemeldet. Selbst Tschetschenien bietet inzwischen Vermittlungsdienste an.

Parallel setzt US-Außenministerin Madeleine Albright ihre Bemühungen fort, Verbündete für einen Angriff zu gewinnen. In den arabischen Staaten stößt sie dabei auf gemischte Reaktionen. Kuwait und Bahrain haben Unterstützung angekündigt – allerdings unter der Bedingung, daß zuvor alle diplomatischen Möglichkeiten zur Beilegung der Krise ausgeschöpft werden. Saudi-Arabien, der wichtigste Golfstaat, verweigert dagegen den USA, Militärbasen für einen Angriff zur Verfügung zu stellen.

Auch in Ägypten, wo Albright gestern abend erwartet wurde, ist die Stimmung gegen einen Angriff. Gestern hieß es in einem Leitartikel der Tageszeitung al-Ahram, dem offiziellen Sprachrohr der Regierung, die politische Landkarte des Nahen Ostens habe sich seit dem letzten Golfkrieg grundlegend verändert. Sei der Irak nach der Invasion Kuwaits von den arabischen Staaten weitgehend als „Täter“ betrachtet worden, so sehe man ihn heute als „Opfer der amerikanischen Arroganz“.

Der Kommentar kritisiert aber auch die irakische Führung, die mit der gleichen Rhetorik fortfahre wie vor dem Golfkrieg. Darauf bauend, daß sich die arabischen Länder gegen einen Militärschlag aussprächen, verkünde sie die Bereitschaft zur großen Schlacht. Dazu passend lehnte die irakische Führung gestern einen Vorschlag von UN-Generalsekretär Kofi Annan ab, das Abkommen „Öl für Lebensmittel“ auszuweiten. Demnach darf der Irak innerhalb von sechs Monaten Öl im Wert von zwei Milliarden US-Dollar verkaufen. Von dem Erlös sollen Lebensmittel und Medikamente gekauft, Golfkriegsopfer entschädigt und die UN-Waffeninspektionen im Irak finanziert werden. Annan hatte empfohlen, die Fördermenge aus humanitären Gründen auf eine Menge im Wert von 5,2 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. „Die Empfehlung geht auf die USA und Großbritannien zurück und dient nur dazu, mehr als 50 Prozent der irakischen Öleinnahmen zu stehlen“, hieß es dazu gestern von Iraks Informationsminister.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen