Datensicherheit bei Change.org: Protest mit unangenehmen Folgen
Datenschützer kritisieren den Umgang des Portals mit Nutzerdaten: Diese würden zu Werbezwecken verwendet und nicht ausreichend geschützt.
3,5 Millionen Menschen sind den Betreibern zufolge in Deutschland auf dem Portal aktiv, jeden Monat würden 600 Petitionen eingereicht, weltweit seien es 30.000. Zum Vergleich: Die Konkurrenz von avaaz.org hat laut eigener Auskunft gut 2 Millionen Mitglieder in Deutschland.
In dem Gutachten, das das Netzwerk Datenschutzexpertise nun veröffentlicht hat, sind eine Reihe an Kritikpunkten aufgeführt: So würden Nutzerdaten unter anderem ohne rechtliche Grundlage in die USA übermittelt und für Werbezwecke genutzt. Darüber hinaus verwendet das Portal Dienste wie Google Analytics und Facebook. Die erlauben es den Konzernen, das Nutzerverhalten auch über mehrere Webseiten hinweg zu verfolgen. Zwar erklären die Betreiber des Portals in ihren Datenschutzbestimmungen, welche Informationen sie sammeln – doch Umfragen zeigen immer wieder, dass kaum ein Verbraucher diese Seiten liest.
„Bei jeder politischen Meinungsäußerung ist der Schutz der Daten vor Missbrauch besonders wichtig“, sagt Thilo Weichert, der bis zum Sommer Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein war. Weichert ist Vorstandsmitglied des frisch gegründeten Netzwerks, das Gutachten zu change.org erstellt. Politische Meinungsäußerungen sind ihm zufolge vor allem deshalb so sensibel, weil nicht jede Regierung viel von kritischen Stimmen halte und Nutzer so Repressalien fürchten müssten, wenn Daten in falsche Hände geraten.
Thilo Weichert
Die Plattformbetreiber betonen, dass Nutzer sich nicht mit ihrem tatsächlichem Namen anmelden müssten – das mache eine pseudonyme Nutzung möglich. Was die Übermittlung von Daten in die USA angeht, räumen sie tatsächlich ein rechtliches Problem ein. Die sei aber nur deshalb zustande gekommen, weil der Europäische Gerichtshof im Oktober das entsprechende Abkommen zwischen der EU und den USA gekippt hatte. Derzeit arbeite man an einer Lösung. Geprüft werde laut Sprecherin Jeannette Gusko auch, die Server in die EU zu verlegen.
Allerdings: Eine Berliner Adresse, die laut Weichert vor wenigen Tagen ins Impressum aufgenommen wurde, ist mittlerweile wieder verschwunden. Weicherts Vermutung: Das Unternehmen wolle sich einer Überprüfung durch deutsche Behörden entziehen. Gusko erklärt, das Berliner Büro sei eine Filiale des britischen, daher die Änderung. So oder so: Der Berliner Datenschutzbeauftragte gab gegenüber der taz an, sich den Fall anschauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?