Datenschutz-Affäre bei der Deutschen Bank: Spitzelei wird zur Chefsache
Wer ist für die Bespitzelung bei der Deutschen Bank zuständig? Laut einem Gutachten soll der Aufsichtsratschef Börsig die Überwachung selbst angeordnet haben.
Am Freitag wird die Klage des gekündigten ehemaligen Sicherheitschefs der Deutschen Bank, Rafael Schenz, vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt verhandelt. Er wurde wegen der Datenaffäre entlassen. Doch es wird nicht nur um ihn gehen, sondern auch um die Rolle von Aufsichtsratschef Clemens Börsig, zu der es neue Erkenntnisse gibt.
Noch im Juni hatte die Deutsche Bank mit Verweis auf ein Gutachten externer Anwälte erklärt, dass die Maßnahmen zur Überwachung und Ausspionierung eines Gewerkschaftsvertreters im Aufsichtsrat der Bank und eines auf Ibiza lebenden kritischen Aktionärs und Advokaten "nicht von Mitgliedern des Aufsichtsrates oder des Vorstandes legitimiert" gewesen sein. In dem nach einer Indiskretion jetzt zum Teil öffentlich gewordenen Gutachten der Kanzlei Cleary, Gottlieb, Steen & Hamilton steht allerdings genau das Gegenteil.
Demnach soll sich Aufsichtsratschef Börsig nach einer Rede des kritischen Aktionärs Michael Bohndorf auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank im Mai 2006 so echauffiert haben, dass er umgehend habe wissen wollen, "wer denn dieser Bohndorf sei und ob die Bank über ihn alles wisse, was man über ihn wissen könnte".
Der Chef Investor-Relations bei der Deutschen Bank, Wolfram Schmitt, ein Vertrauter von Börsig, habe dann alle relevanten Leute - unter ihnen auch der Sicherheitsbeauftragte Rafael Schenz - zusammengetrommelt. Nach einer Woche hektischer Betriebsamkeit hätten dann die beiden "Teams Balearen und Deutschland" im Komplex Bohndorf die Ermittlungsarbeit aufgenommen.
Im September habe Schmitt Börsig referiert, was die Detektive über Bohndorf alles herausgefunden hätten: Der klagefreudige Anwalt und Aktionär sei "nur aufs Geld aus" und unterhalte keine Kontakte zu Medienmogul Leo Kirch, der seinerzeit die Deutsche Bank und den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Rolf-E. Breuer wegen Rufschädigung verklagt hatte, hieß es.
Als die Bespitzelungen auch gegen den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat im Frühsommer öffentlich wurden, versprach Bankenchef Josef Ackermann die lückenlose Aufklärung der Affäre. Er feuerte seinen Chef Investor-Relations Schmitt und seinen Sicherheitsbeauftragen Schenz.
Zudem veröffentlichte die Deutsche Bank eine Erklärung, wonach Aufsichtsratschef Börsig bei Schmitt auf der Hauptversammlung 2006 die Überwachung von Bohndorf angeregt haben soll. Erst später hieß es dann in einer weiteren Erklärung der Bank, dass weder Mitglieder des Aufsichtsrates noch des Vorstandes jemanden dazu legitimiert hätten, den kritischen Aktionär Bohndorf zu bespitzeln.
Ackermann war nach der ersten Erklärung intern vorgeworfen worden, den ihm nicht gerade freundschaftlich verbundenen Aufsichtsratsvorsitzenden Börsig ans Messer liefern zu wollen. Börsig hatte Vorstandschef Ackermann, der für 2010 schon seinen Rücktritt avisiert hatte, eigentlich beerben wollen. Ackermann trat dann jedoch überraschend von seiner Rücktrittsankündigung zurück - und Börsig war der Düpierte.
Nach Sicherheitschef Rafael Schenz hat auch der geschasste Wolfram Schmitt Gelegenheit, den Sachverhalt aus seiner Sicht zu schildern. Auch er klagte gegen seine Entlassung. Der Prozess beginnt in der nächsten Woche. Beide werden den mächtigen Aufsichtsratschef Börsig schwer belasten, um sich selbst in der Affäre zu entlasten und damit auch ihre Wiedereinstellung zu erreichen. Auf die Deutsche Bank kommen jedenfalls keine lustigen Tage zu. Ihre Reputation steht auf dem Spiel - und Börsigs Job vielleicht bald zur Disposition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich