Datenschützer über Spitzelei in Firmen: "Wir brauchen enge Grenzen"
Wie weit darf die Überwachung in den Unternehmen gehen? Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht die Pläne der Regierung kritisch.
taz: Herr Schaar, mit seinem Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz reagiert der Innenminister auf die Überwachungsskandale in der Wirtschaft. Gebietet er auch Einhalt?
Peter Schaar: Bisher sind ja nur Eckpunkte veröffentlicht worden. Dass ein solches Gesetz überfällig ist, ist aber mittlerweile fast jedem klar.
Schaar ist seit 2003 Bundesdatenschutzbeauftragter. Für "Das Ende der Privatsphäre" erhielt er 2008 den Preis "Das politische Buch" der Ebert-Stiftung.
Die Eckpunkte sehen in erster Linie vor, die schon heute gängige Praxis der Gerichte zu fixieren. Was wäre damit für den Datenschutz gewonnen?
Das wäre schon ein Fortschritt, weil einige Fragen bei Gericht noch umstritten sind. Beim Thema Gesundheitsdaten zum Beispiel heißt es jetzt in den Eckpunkten, dass dem Arbeitgeber nur noch die Tatsache der Tauglichkeit eines Beschäftigten für einen bestimmten Arbeitsplatz mitgeteilt werden darf, nicht aber die ärztliche Diagnose im Einzelnen. Das räumt Unklarheiten aus. Außerdem wird durch die gesetzliche Fixierung die Lage für alle transparenter.
Wenn Arbeitnehmer - und besonders Bewerber - derzeit nur selten von ihren Rechten Gebrauch machen, dann könnte man nicht nur an Intransparenz denken, sondern auch an ein Machtgefälle im Betrieb.
Man hat es sicherlich mit beidem zu tun. Konkret sieht man die Problematik des Machtgefälles an der Frage der Einwilligung: Früher wurde oft gesagt, dass die Beschäftigten ihrem Chef eine sehr weitgehende Überwachung gestatten dürfen. Wie freiwillig diese Einwilligung tatsächlich ist, ist aber immer fraglich gewesen. Insofern waren die Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen Einwilligung oft berechtigt. Hier erwarte ich vom Gesetzgeber, dass er die Grenzen sehr eng zieht.
Die zwei wichtigsten geplanten Änderungen scheinen die Überwachungsmöglichkeiten aber eher zu erweitern. Die offene Videoüberwachung in Betrieben soll erleichtert werden, ebenso die Rasterfahndung innerhalb der Belegschaft, die bei der Bahn zuletzt für Aufregung sorgte.
Diese beiden Punkte haben mich auch überrascht. Dies muss man sich noch mal sehr genau ansehen. Hier sollten klare Vorgaben gemacht werden, um die derzeitige Praxis einzuschränken.
Warum überlasst man Rasterfahndungen nicht der Polizei?
Es geht nicht nur um Rasterfahndungen, sondern ganz allgemein um die Möglichkeit, private Daten der Beschäftigten für eigene Ermittlungen zu nutzen. Aber man muss in der Tat sehr genau fragen, wo künftig die Grenzen der Ermittlungsmöglichkeiten von Arbeitgebern auf der einen Seite und der Polizei auf der anderen Seite verlaufen. Ich will nicht ausschließen, dass es zur Korruptionsbekämpfung notwendig ist, Buchungsdaten auf Auffälligkeiten zu durchsuchen. Ich sehe aber mit großer Sorge, dass viele Unternehmen Ermittlungsabteilungen einrichten, die über Befugnisse verfügen, die Strafermittler nicht hätten. Dem muss man Einhalt gebieten.
Tut dies der Entwurf von de Maizière?
Die Eckpunkte sind noch sehr allgemein gehalten. Unter anderem sollen Datenabgleiche danach nicht nur gegen Korruption, sondern auch gegen bloße Vertragsverletzungen zulässig sein. Das ginge mir zu weit.
Was würde das in der Praxis bedeuten?
Die Fahndung nach Vertragsverletzungen könnte ganz erhebliche Auswirkungen haben. Heißt das etwa, dass auch die Leistungs- und Verhaltenswerte von Mitarbeitern automatisch abgeglichen werden dürfen, um sogenannte Minderleistungen im Betrieb künftig schneller aufzuspüren? Das Gesetz muss derartige exzessive Nutzungsmöglichkeiten ausschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos