piwik no script img

DatendiebstahlNeonazis gegen Multikulti-Fans

Eine Liste mit Unterschriften und Adressen von GegnerInnen der Schließung von Radio Multikulti taucht auf einer Neonazi-Website auf. Angeblich wurde sie an der TU geklaut

Hämisch klingt die Schlagzeile, unter der die Diebe auf der Neonazi-Website Altermedia ihren Triumph verkünden: "Liebe ,radiomultikulti'-Fans: Das wars mit Euern Soli-Unterschriften!!!" Das Foto darunter zeigt unscharf eine Unterschriftenliste gegen die Schließung des RBB-Radios Multikulti, die laut Text "aufmerksame Bürger" aus einem Studentencafé der Technischen Universität (TU) "mitgehen" ließen. Schwer, aber mit etwas Mühe durchaus leserlich sind auch die Adressen der UnterzeichnerInnen auf der Liste zu erkennen.

Dass sich an der TU, einer Universität mit laut Altermedia-Beitrag immerhin "mehreren tausend Studenten", nur 30 für Radio Multikulti Unterzeichnende gefunden hätten, ist ein weiterer Grund zur Häme für den rechten Schreiber, der das Programm des Integrationssenders so "hundsmiserabel und grottenschlecht" findet, dass "selbst die zum Erbrechen langweiligen Einkaufssender im Fernsehen bessere Quoten erzielen". Wer die Liste geklaut hat, ist bisher völlig unklar. Es könnte auch sein, dass sie lediglich abfotografiert wurde.

Die Reaktionen der Nutzer der Neonazi-Seite auf den Datendiebstahl sind durchaus gespalten: Von Sätzen wie "Es ist die Zeit gekommen wo wir alle sehr wachsam sein müssen und uns Namen und Adressen merken sollten von den Totengräbern des Deutschen Volkes" bis zu "Klauen ist unterste Schublade" und "eines Deutschen nicht würdig" reichen die Kommentare.

Altermedia gilt als die derzeit wichtigste Seite der rechtsextremen Szene im Internet. Da die Webseite von einem US-amerikanischen Server aus betrieben werde, habe man hier keine Möglichkeit, gegen die Veröffentlichung der Adressenlisten vorzugehen, sagt Philippa Ebéné, Geschäftsführerin der Werkstatt der Kulturen, von der aus die Soliaktionen für Radio Multikulti mit koordiniert werden. "Aber wir werden das weiter beobachten und uns an die Staatsanwaltschaft wenden, sobald die Möglichkeit dazu besteht."

Zudem werde man in Zukunft darauf achten, dass Unterschriftenlisten besser beaufsichtigt würden: "Die Veröffentlichung ist möglicherweise beängstigend für einige Unterzeichner", so Ebéné. Aber solche Drohgebärden seien auch "ein Sport" von Neonazis: "Es ist nicht davon auszugehen, dass tatsächlich etwas passiert." Insgesamt sind bereits mehrere tausend Unterschriften für den Erhalt von Multikulti gesammelt worden. Ende des Jahres soll der Sender laut einem Beschluss des RBB abgeschaltet werden.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • MP
    Michael Pinetzki

    Die Liste wurde tatsächlich aus einem studentischen Café gestohlen, das Café und die Betroffenen werden nun Anzeige gegen Unbekannt wegen der Verletzung der Persönlickeitsrechte erstatten. Nach Durchsicht der Kommentare auf der angesprochenen Neonazi-Seite wurde dann noch deutlich, dass entsprechende Leute regelmäßig das Café aufsuchen müssen, da von einer anderen, vergangenen Unterschriftenaktion auf dem Tresen berichtet wird (Zitat): "Übrigens hat mich hier vor Ort beim letzten (rein Verkehrsthemen betreffenden) Bürgerbegehren auch gewundert, dass viele Unterschriftenlisten tag und nacht offen und für jeden zugänglich auslagen (...)"

    Besorgte Grüße, micha.