Daten-Kassetten: DNA als Rechenzentrum
Eine revolutionäre Idee aus China nutzt das älteste Speichersystem der Natur für künftige Datenzentren. Welche Vorteile hätte das?

Rund 2,5 Trillionen Byte an Daten produziert die Menschheit jeden Tag. Um sie zu speichern, bauen Tech-Unternehmen weltweit Rechenzentren; das größte davon soll bald in China stehen – auf einer Grundfläche von 110 Fußballfeldern. Um die Datenmengen zu speichern, braucht es immer effizientere Lösungen.
Herkömmliche Datenzentren sind nicht nur besonders raum-, sondern auch ressourcenintensiv. Die handelsüblichen Speichermedien sind anfällig für Umwelteinflüsse wie Magnetfelder, Staub und Temperaturschwankungen – und erfordern daher aufwändigen Unterhalt.
Die Studie
Dem setzt eine in der Fachzeitschrift Science Advances erschienene Studie aus China nun etwas Ausgefallenes entgegen: DNA-Kassetten. Auf einer Art Magnetstreifen sind DNA-Schnipsel so angeordnet, dass ein Scanner mittels lichtgesteuerter Enzyme die Datenstränge durchforsten und die gesuchte Information hervorholen kann.
Eigentlich naheliegend, schließlich ist DNA das über Millionen Jahre evolutionär entstandene Speichermedium der Natur: Die spiralförmigen Molekülketten konservieren Erbinformation und das mit minimaler Fehleranfälligkeit. Handelsüblichen Festplatten ist DNA als Speichermedium in vielerlei Hinsicht überlegen. Denn die Informationsspeicherung findet auf atomarem Level statt und ist dadurch extrem platzsparend. Hinzu kommt die sehr lange Haltbarkeit von bis zu tausend Jahren.
Bereits 1959 beschrieb der Quantenphysiker Richard Feynman das Potenzial von DNA als Datenträger. Einen frühen Forschungserfolg verzeichnete ein Harvard-Team in den 80er Jahren, als sie die Daten eines Lichtbilds in der DNA von E.coli-Bakterien fehlerfrei speichern und wiedergewinnen konnten.
Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.
Lebendige Datenträger bleiben zwar weiterhin möglich, die chinesische Studie fokussiert jedoch auf die praktischen Aspekte der Dateienverwaltung, also deren Lagerung und Zugänglichkeit. Die Errungenschaft liegt in der Idee, Kassetten als physische Träger zu verwenden. Damit ist die DNA-Technologie der alltäglichen Anwendung einen wichtigen Schritt näher.
Was bringt’s?
Wegen hohen Produktions- und Anwendungskosten sind die DNA-Kassetten jedoch noch nicht marktreif. Mindestens 16 weitere Jahre Forschung dürfte es dafür brauchen, sagt Thomas Dandekar von der Uni Würzburg gegenüber dem Science Media Center. Zu gut und günstig seien die aktuell verfügbaren Mikrochips.
Einen wissenschaftlichen Erfolg stellen die DNA-Kassetten dennoch dar. Das Sammeln von personenbezogenen Daten ist zwar ein lukratives Geschäftsmodell, allerdings dürfte es im Hinblick auf die Explosion im Datenwachstum irgendwann an die Grenzen natürlicher Ressourcen stoßen. Sobald Tech-Unternehmen sich gezwungen sehen, Nachhaltigkeit über Profit zu stellen, hat die Wissenschaft Alternativen bereit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert