Das war die Woche in Berlin II: Berlin als Ort des Versuchs
Das neue Festival Pop-Kultur, unterstützt vom Senat, bringt zeitgenössische Kunst und Pop zusammen. Das ist mehr als popkulturelles Stadtmarketing.
Es herrscht in diesen Wochen kein Mangel an Musikfestivals in Berlin. Doch das neue Format „Pop-Kultur“ von Mittwoch bis Freitag war jenes, das die meiste Aufmerksamkeit auf sich zog und das am kritischsten beäugt wurde. Kein Wunder: Die „Pop-Kultur“ löst den jährlichen Branchentreff Berlin Music Week ab und ersetzt ihn durch ein Diskurs-, Pop- und Kunstfestival. Es wird vom Senat mit 660.000 Euro gefördert und vom senatseigenen Musicboard veranstaltet. Dafür zog man an einen neuen Ort – ins Berghain – und bespielte rund um die Berliner Clubinstitution alles, was bespielbar ist.
Es schien so, als könnten dabei viele nur verlieren: Das Musicboard etwa, das sich in den zweieinhalb Jahren seines Bestehens als Helfer der Musikszene der Stadt einen guten Ruf erarbeitet hat; auch das Berghain, das in den vergangenen Jahren den Weg vom verruchten Technoklub zum Veranstaltungsort für Avantgarde aller Art gegangen war.
Man kann nun nicht sagen, dass alle Akteure auf ganzer Linie gewonnen hätten mit der „Pop-Kultur“. Aber das Festival ist auf einem guten Weg. Als Brancentreff fällt es nahezu ganz aus, aber in der Form, wie es ihn zuletzt gab – mit den immergleichen Debatten – braucht ihn auch niemand. Trotzdem klafft nun an dieser Stelle eine Lücke. Man setzte Pop- und Musikdiskurs sowie Lesungen dagegen – mal mehr, mal weniger gelungen.
Das Wichtigste aber: Berlin als Musik- und Kunststadt wird gut abgebildet – als Ort der Kollaboration, des Versuches, des Nebeneinanders. Ein Beispiel: Während in einem Festivalraum – der Panorama-Bar – die Estin Inga Copeland Dub, Breakbeat und Bässe durch die Wände pumpt, als wäre es ein übliches Berghain-Partywochenende, spielt nebenan der Kanadier Owen Pallett ein Klassikkonzert mit Orchester. Angesichts der sorgsamen Auswahl der Künstlerinnen und Künstler, angesichts des eindrucksvollen Programms ist es zu billig, das Festival nur als offensives popkulturelles Stadtmarketing zu schmähen.
Bei einigen Kollaborationen – etwa bei jener von Berlins dunkelster Sängerin Anika und dem Elektropunker T.Raumschmiere oder bei der Lyriklesung von Balbina – blieb der Essaycharakter zwar allzu offensichtlich bestehen. Versuche können eben auch scheitern. Dieses Festival aber ist, wenn es zeitgenössische Kunst und Pop in Berlin so zusammenbringt, jeden weiteren Versuch wert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!