Das war die Woche in Berlin I: Droht die politische Spaltung?
Aktuellen Umfragen zufolge steuert Berlin auf die zweite linke Landesregierung nach der Wende zu.
Renate Künast ist Geschichte – und prompt setzen die Berliner Grünen zum Höhenflug an. Selbst für den Fall der Fälle sind sie gerüstet: Zwar treten die Grünen im Wahlkampf mit einem Vererteam an; sollte die Partei bei den Abgeordnetenhauswahlen am 18. September aber die Nase vorn haben, zählt Listenplatz eins. Und den hat Ramona Pop inne. Sie wäre damit die erste grüne Regierende Bürgermeisterin in Berlin.
So weit die grünen Träumereien. Die Realität spiegeln derzeit die Umfragen wider. In der Insa-Umfrage vom Freitag liegen die Grünen mit 19 Prozent zwar vor der CDU (18 Prozent), aber immerhin vier Punkte hinter der SPD, die bei der Sonntagsfrage auf 23 Prozent käme. Die Linken lägen mit 15 Prozent knapp vor der AfD (14).
Damit verfestigt sich ein Trend, der schon nach den zurückliegenden Umfragen zu erkennen war. Die SPD dürfte mit Michael Müller weiter den Regierungschef stellen, verfehlt aber das selbst gestellte Wahlziel einer Zweierkoalition. Rot-Grün-Rot in Berlin wird immer wahrscheinlicher.
Berlin hätte damit nach 2001, als Rot-Rot sein Projekt der Versöhnung zwischen Ost und West begann, die zweite linke Landesregierung seit der Wende. Auch für den Bund wäre eine Koalition aus SPD, Grünen und Linker ein spannendes Signal. Was aber würde Rot-Grün-Rot für die politische Kultur der Hauptstadt bedeuten?
Trotz eines Dreierbündnisses würde es eine solche Senatskoalition lediglich auf 57 Prozent der Stimmen bringen. Das ist weniger als manches Zweierbündnis, das in der Vergangenheit den Namen Große Koalition trug. Die Opposition aus CDU und AfD käme auf 32 Prozent, zählt man die FDP noch dazu, wären es 37 Prozent. Mit Frank Henkel als Oppositionsführer und Georg Pazderski als Antreiber von rechts stünde Berlin vor politisch polarisierenden Jahren.
Droht der Stadt damit eine politische Spaltung wie in Österreich? Vielleicht. Muss aber nicht. Je weniger Stimmen die AfD bekommt, desto geringer die Gefahr. Und sollten die Grünen die CDU weit hinter sich lassen, wird die CDU sich eh fragen, ob Frank Henkel der Richtige für sie war und ist.
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