Das war die Woche in Berlin I: Zwei Welten treffen aufeinander

Bei der versuchten Besetzung des Roma-Mahnmals zeigte sich erneut, dass es fast unmöglich ist, mit der existenziellen Verzweiflung von Menschen umzugehen.

Roma-Mahnmal in Berlin

Das Roma-Mahnmal in Berlin, nur mit Touristen, ohne Besetzer Foto: dpa

Und wieder diese Szene: Da steht ein junger Mann, dessen Haut dunkler ist als die der Umstehenden; er gestikuliert wild. Seine Stimme klingt rau, in seinen Augen stehen Tränen. Er sieht abgekämpft aus, sein T-Shirt ist dreckig, die Augen blutunterlaufen, vielleicht hat er Alkohol getrunken, vielleicht auch nicht.

Um ihn herum JournalistInnen, Polizeibeamte und Menschen, denen man ansieht, dass sie einen wichtigen Job haben. Einige schauen peinlich berührt zu Boden, andere wiegen bedauernd den Kopf, manche schauen leicht spöttisch. Das Muster ihrer Sätze variiert kaum: „Wir haben doch Verständnis für Ihre Situation.“ „Wir sind doch gar nicht zuständig.“ „Das ist hier wirklich nicht der richtige Ort.“

Der Mann ist ein Romaaktivist aus Hamburg. Er steht am Montagmorgen vor dem Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma nahe dem Brandenburger Tor. Doch er darf das Denkmal nicht betreten, weil er am Vorabend mit 60 weiteren Roma versucht hat, es zu besetzen, um gegen die drohende Abschiebung der Gruppe zu protestieren. Er wirkt hier an diesem sonnigen Morgen zwischen den Touristengruppen im Tiergarten fehl am Platz, unangenehm für die Umstehenden.

So erging es auch schon anderen, die mit einem ähnlichen Anliegen in diese Stadt kamen: den Hungerstreikenden vom Brandenburger Tor im Herbst 2013, den Oranienplatz-Besetzern bis Frühling 2014, den ­Menschen, die immer noch in der einstigen Schule in der ­Ohlauer Straße leben.

Diese Menschen lösen Unbehagen aus: Ihre Mittel sind zu drastisch, ihre Blicke zu verzweifelt, ihre Forderungen zu radikal für diejenigen, an die sie sich wenden. Wir, die wir hier in Frieden leben können, sind es nicht gewohnt, dass Menschen aus einem so enormen Leidensdruck heraus handeln, dass existenzielle Verzweiflung so sichtbar wird. Es ist unangenehm, weil es im Widerspruch zu einer Illusion steht, an der wir so gerne festhalten würden: dass wir unser Leben unbehelligt von diesem Leid leben könnten, dass es uns gelingt, das herauszuhalten aus Europa, Deutschland, Berlin.

Fast gelingt das ja auch. Die europäischen Grenzen sind so gut wie dicht, der in dieser Woche vom Senat verabschiedete Berliner Masterplan für Integration sieht vor, die Abschiebungszahlen 2016 noch einmal deutlich zu erhöhen. Und auch am Montag fiel mehrfach dieser Satz: Einen zweiten Oranienplatz wird es nicht geben. Das Kunststück, eine Gruppe Roma aus einem Denkmal für ihre Vorfahren räumen zu lassen, weil sie mit ihrem Protest die Würde des Ortes stören würden, und sich dafür noch nicht einmal rechtfertigen zu müssen, wird da plötzlich ganz einfach.

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