Das war die Woche in Berlin I: Leider nur eine Trotzreaktion
Der Senat beschließt, die Früheinschulung mit fünf Jahren abzuschaffen. Auf eine flexible Lösung, die Wünsche der Eltern berücksichtigt, verzichtet er. Schade.
Kinder, geht spielen! Am Dienstag hat der Senat beschlossen, dass die 2005 von der SPD eingeführte Früheinschulung wieder abgeschafft wird. Zum Schuljahr 2017/18 gilt nun der 30. September als Stichtag. Wer erst danach seinen sechsten Geburtstag feiert, darf noch ein Jahr länger in der Kita spielen.
Derzeit müssen alle zur Schule, die im laufenden Kalenderjahr sechs werden – ob im Februar oder erst im Dezember. Vor zehn Jahren, aufgescheucht von miesen Pisa-Ergebnissen, hielt man das für einen schlauen Schachzug: Wer früher zur Schule geht, wird schneller schlau und weiß am Ende mehr, oder?
Offenbar nicht. LehrerInnen klagten immer wieder über Kindergarten in den Klassenzimmern: zappelige Fünfjährige, die lieber mit Buntstiften malen als mit dem Füller das Alphabet ins Schulheft zu krakeln.
Nun kann man sich ja mal irren – und für sehr viele Kinder war die Früheinschulung genau das: ein Irrtum. Nur sollte man aus Fehlern auch lernen. Die einfache Rolle rückwärts, die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) – Freundin der frühen Schulpflicht – nun vollzieht, ist aber nicht mehr als eine Trotzreaktion. Es verwundere sie, sagte Scheeres am Dienstag leicht süffisant, dass ausgerechnet diejenigen, die am lautesten nach der Früheinschulung gerufen hätten, nun am ehesten ihre Kinder für ein Jahr von der Schulpflicht zurückstellen ließen. Gemeint war das bildungsbürgerliche Pankow, wo es besonders viele Sitzenbleiber in den Kitas gibt.
Nur sind die Rückstellerzahlen – 6.000 berlinweit – aber kein Signal für eine spätere Einschulung. Wohl aber eine Forderung danach, selbst entscheiden zu können, wann das eigene Kind in die Schule kommt. Das eine möchte mit fünf noch spielen, das andere langweilt sich in der Kita. Scheeres hat damit die Chance vertan, eine starre Regelung flexibler zu machen. So macht man erneut nicht das Schulgesetz passend für die Kinder – sondern umgekehrt.
Auch im Hinblick auf die Wahlen 2016 hätte die Senatorin für die SPD punkten können. Denn wenn Eltern eins nicht wollen, dann sich bei ihren Kindern bevormunden lassen.
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