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Das war auchMeyer-Werft muss nicht zahlen

Kein grobes oder vorsätzliches Fehlverhalten nachzuweisen

Das Verfahren zog sich seit Mitte der 90er durch die Instanzen. Wen die Schuld am Untergang der „Estonia“ mit 989 Menschen an Bord trifft, wurde nie endgültig geklärt. Nur 137 Passagiere überlebten die Katastrophennacht des 28. September 1994. Von den 852 Toten konnten nur 49 geborgen werden, die restlichen Opfer wurden im Schiffswrack in 80 Metern Tiefe eingeschlossen. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Stockholm stellte 1998 die Ermittlungen bezüglich der Schuldfrage ein. Am Freitag kam ein Gericht in Nanterre bei Paris in dem Zivilprozess zu einem Ergebnis: Den Überlebenden des Unglücks und den Angehörigen der Opfer steht kein Entschädigungsanspruch zu, ihre Zivilklagen wurden abgewiesen.

Die über tausend Betroffenen hatten 40 Millionen Euro Schmerzensgeld für erlittene psychische Schäden eingeklagt. Zahlen sollte die in Papenburg im Emsland ansässige Meyer-Werft, die das zehnstöckige Passagierschiff 1980 baute und die französische Klassifikationsgesellschaft Bureau Veritas, die die Fähre als seetüchtig einstufte. Die Reederei Estline, die das Schiff damals betrieb, zahlte bereits 130 Millionen Euro Entschädigung.

Experten*innen aus Estland, Schweden und Finnland kamen 1997 im Abschlussbericht der offiziellen Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass das Unglück aufgrund eines Konstruktionsfehlers der Bugklappe passierte. Damit nahmen die Forscher*innen die Meyer-Werft in die Verantwortung, die die Vorwürfe bestritt.

In einer eigenen Untersuchungskommission befanden unabhängige Forscher*innen die estnische Reederei und die Besatzung für verantwortlich. Nach dem Untergang der Ostsee-Fähre wurden neue Mindeststandards für Passagierfähren ausgearbeitet. „Ein solches Unglück ist heutzutage in Europa sehr unwahrscheinlich“, sagt Stefan Krüger, Professor am Institut für das Entwerfen von Schiffen und Schiffssicherheit der Technischen Universität Hamburg.

Das Gericht in Nanterre begründete seine Entscheidung damit, dass Überlebende und Hinterbliebene weder der Meyer-Werft noch der französischen Prüfungsstelle ein grobes oder vorsätzliches Fehlverhalten nachweisen konnten. Ein Sprecher der Meyer-Werft äußerte sich am Freitag zu der Entscheidung aus Respekt vor den Überlebenden und Hinterbliebenen nicht.

Zum Thema Katharina Gebauer

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