Nachgefragt: „Das schadet Bremen“
■ Dieter Mützelburg (Grüne) über den Koalitionsstreit um die Finanzen
taz: Stimmt der Eindruck, daß es mit Finanzsenator Hartmut Perschau eine Wende der bremischen Sanierungs- und Finanzpolitik gibt?
Dieter Mützelburg, grüner Fraktionssprecher: Ja. Früher wurde gesagt, wir brauchen die Verkaufserlöse, um die Substanz von Vermögen zu erhalten, also Stahlwerke zu retten, Schulen sanieren. Heute wird gesagt, wir müssen verkaufen, um Löcher zu stopfen, die die Steuerrückgänge und Veränderungen beim Länderfinanzausgleich in die Planungen reißen.
Wie lange trägt die Strategie?
Zwei Jahre, maximal bis zu den Bürgerschaftswahlen trägt die, weil dann so gut wie nichts mehr zu verkaufen ist.
Das bedeutet Ausverkauf.
Schlimmer. Das ist eine richtige Anti-Bremen-Politik. Gesetzt den Fall, Bremen müßte tatsächlich seine Selbständigkeit im Zuge einer Neugliederung der Bundesländer aufgeben, dann hätte Bremen als Kommune nichts mehr.
Bisher sagen alle Politiker, daß das nicht passieren wird...
Ich weiß, daß es eine Menge leitender Beamte in den wichtigsten Behörden gibt, die die Alternative – Bremen ist nicht mehr Bundesland – längst in ihre Planungen aufgenommen haben.
In bezug auf die stadtbremischen Häfen in Bremerhaven wird argumentiert, daß die Stadtgemeinde Bremen die Verfügung darüber behalten muß für den Fall X der Auflösung des Bundeslandes – die Häfen blieben dann im stadtbremischen Vermögen, die Landesschulden dagegen würden mit Niedersachsen verschmolzen. Warum gilt das Argument nicht für die Stadtwerke?
So kurzatmig sind politische Argumente eben. Entweder gilt das Argument für alle Vermögen, oder es gilt nicht.
In dem Zahlenwerk für den Haushaltsentwurf 1999 geht das Finanzressort davon aus, daß die geforderten 6 Milliarden Mark Sanierungs-Nachschlag nicht kommen.
Die Haushaltspläne dürfen das im Moment nicht einrechnen, aber Perschau geht davon aus, daß er die Summe kriegt.
Aber wenn es 6 Milliarden weniger Schulden im Jahre 1999 gäbe, müßten die Stadtwerke nicht verkauft werden.
Wenn es Bonner Milliardenzahlungen gibt, dann muß Bremen um die 500 Millionen, grob geschätzt, weniger Zinsen Jahr für Jahr an die Banken zahlen. Das reicht über Jahre.
Und wenn das Geld nicht kommt?
... dann würde der Verzicht auf Ocean- und Space-Park viel bringen.
Darüber redet niemand.
Das ist ein Phänomen. Es gibt mittlerweise heilige Kühe. Der Glaube an die belebende Wirkung dieser beiden Projekte ist offenbar größer als die wirtschaftliche Vernunft.
Das Timing ist auch so, daß die Unterschrift für Space- und Ocean-Park fällig wird, bevor man weiß, ob es die sechs Sanierungs-Milliarden gibt.
Das ist ja die Katastrophe.
Wird darüber in den Finanz- und Haushaltsausschuß-Sitzungen intern geredet?
Nein. Im Augenblick versuchen sich CDU und SPD nur noch gegenseitig zu profilieren: Haust du meinen Senator, haue ich deinen.
Hält die Koalition das noch lange aus?
Ja. Sie kann gar nicht anders als sich bis zur Wahl zu schleppen, zumindest bis zur Bundestagswahl 1998.
Sie prügelt sich zur Wahl.
Wer Wahlen gewinnen will, muß sich streiten. Aber ich fürchte, irgendwann haben die Leute die Schnauze voll davon. Wir wissen das ja von der vorherigen Regierung, daß das nicht populär ist.
Wie geht es nach der Bundestagswahl weiter?
Das hängt dann vom Ergebnis ab. Fragen: K.W.
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