„Das muß beseitigt werden“

Gericht kann Polizeipinsel nicht mehr stoppen: Wandmalerei mit Fakten über CDU-Landowsky, Goebbels und Strauß erneut beseitigt  ■ Von Hannes Koch

Nicht einmal 24 Stunden prangte das überlebensgroße Konterfei von CDU-Chef Klaus-Rüdiger Landowsky an der Brandmauer hoch über dem Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg. Unter seinem – nicht mal besonders gut gelungenen – Gesicht das umstrittene Zitat, mit dem Landowsky unlängst den Zusammenhang zwischen „Ratten“, „Gesindel“ und der „Beseitigung“ unliebsamer Bevölkerungsgruppen hergestellt hatte. Neben dem Porträt die Bildnisse von Franz Josef Strauß und Joseph Goebbels, die nach Meinung der PlakatmalerInnen früher ähnliche Äußerungen hatten hören lassen. Doch gestern mittag rollte eine eilends herbeigeholte Hebebühne der Feuerwehr in die Manteuffelstraße. Zwei Polizisten stiegen hinauf und übermalten das drei mal sieben Meter große Politkunstwerk.

Dies war bereits der zweite Akt des Lehrstücks „Was ist freie Meinungsäußerung?“. Am 18. April 1997 hatte die Staatsmacht ein inhaltlich gleiches, ästhetisch aber wertvolleres Agitprop-Plakat mit weißer Farbe überpinselt. Im zweiten Anlauf wollte die Brücken-Ini, bekannt geworden durch ihre Aktivitäten für die Verkehrsberuhigung der Oberbaumbrücke, ihr Plakat durch das Verwaltungsgericht schützen lassen.

Dieser Versuch allerdings mißlang gründlich. Als die Ordnungshüter anrückten, setzten die AktivistInnen ihren Rechtsanwalt in Bewegung, dieser das Gericht. Doch wenn es um Landowsky geht, ist die Polizei schnell. Binnen einer halben Stunde verschwand „Landos“ Konterfei – noch bevor der Gerichtsbeschluß fertig war. Nur zwei stilisierte Ratten mit Steinschleudern blieben und folgender Satz: „Eine Zensur findet nicht statt. Artikel 5, Grundgesetz.“ Wie ironisch Polizisten doch sein können!

Klaus-Rüdiger Landowsky – Fraktionsführer der CDU im Abgeordnetenhaus, Populist und Rechtsausleger seiner Partei, Vorstand der Berliner Hypothekenbank, dort zuständig für das weltweite Immobiliengeschäft, kurz: einer der mächtigsten Männer der Stadt – sei „verunglimpft“ worden, begründete die Polizeipressestelle die staatliche Übermalaktion. Der Straftatbestand liege „in der Aneinanderreihung der Fakten auf dem Plakat“ (!), hieß es: Goebbels, Strauß, Landowsky. Ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wurde eingeleitet. Einen Strafantrag (vulgo: Anzeige) haben übrigens weder die CDU noch Landowsky eingereicht. Die Eigentümerin der Hauswand, die Genossenschaft Luisenstadt, hatte das Plakat ausdrücklich toleriert.

Benjamin Raabe, Rechtsanwalt der PlakatiererInnen, kritisiert das Vorgehen der Polizei. Die Äußerung an der Hauswand sei durch das Grundgesetz geschützt und stelle – dabei verweist er auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – politische Satire dar.

Selbst wenn sich das Verwaltungsgericht dieser Sicht der Dinge nachträglich noch anschließen sollte, muß die Polizei das Plakat nicht wieder aufhängen. Auch Schadenersatz wird einstweilen nicht fällig. Die Kreuzberger KiezmalerInnen halten im besten Fall ein Blatt Papier in der Hand, das ihnen Recht bescheinigt. Es bleibt einem dritten Akt vorbehalten, dieses auch durchzusetzen – aber nur, wenn die Justizmühlen schneller mahlen, als die Polizei pinselt.