■ Standbild: Das häßliche Deutsche
„Die ,Bild‘-Schlagerkönige“, Sa., 20.15 Uhr, RTL
Man könnte es sich prima einfach machen: wie dumm Feldbusch sei, wie himmelweit die Bild-Zeitung den Arsch offen hätte, und wer Schlager höre, der sei entweder Magazin-Redakteur oder völlig stulle. Doch es ist auf wundersame Weise noch dümmer, noch schlimmer, noch ekliger. Karaoke wird gemacht. Von Bild landesweit inszeniert, und eine 15köpfige Jury hat zielsicher die zwölf Schlechtesten ausgewählt. Keiner fragt, wie die Siegerin (Jeannette Biedermann, 18, aus Berlin, mit „Er gehört zu mir“), ein verwackeltes Crossover aus Madonna und Stefanie Hertel, zu ihren Ehren kommt. Doch ihre Strafe folgt auf dem Fuß: ein Plattenvertrag bei Polygram und die Teilnahme am Vorentscheid für den Grand Prix. Die Moderatoren Feldbusch und Morgenstern kokettieren mit der eigenen Prasseldummheit und tapsen durch ein einziges ABM für abgefuckte Schlagerfittis, denn die Originalinterpreten (Roberto Blanco, Costa Cordalis, Jürgen Drews, Rex Gildo, Ibo...) haben heute Freigang. Die aberwitzigsten Ausschreitungen seit Erfindung der Tonaufzeichnung, zelebriert in der Erfurter Diskothek „Mad“ vor augenscheinlich niederen Lebensformen quer durchs Parteienspektrum. Das häßliche Deutsche, die neue Mitte – wie frisch aus dem Kaffeefahrtenbus gepurzelt. Nicht mal zum 4/4 können sie exakt mitklatschen. Keine Ahnung haben als Gesellschaftsentwurf. Gegenkultur von oben. Schröder macht's vor. Ich sag' euch eins: So eine Gelegenheit wäre singulär. Ausgänge verrammeln, Handgranaten mit Beruhigungsmitteln rein, dann von außen sorgfältig mit Stahlbeton sarkophagisieren. Ein Anfang wäre gemacht. Reine Notwehr. Michael Rudolf
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