: Das Zukunftsmodell heißt Ökolandbau
Nachweisbare Vorteile für Umwelt und Verbraucher. Bei Umweltmesse Änderung der Förderpolitik gefordert ■ Aus Münster Michael Franken
Ulrich Köpke, Direktor des Instituts für Organischen Landbau in Bonn, rührt seit Jahren die Werbetrommel für eine ökologische und nachhaltige Landwirtschaft. „Die Verantwortung für eine intakte Umwelt erfordert eine rasche Umstellung in der landwirtschaftlichen Produktion“, erklärte der Agrarexperte bei der 2. Internationalen Umweltmesse, die gestern in Münster zu Ende gegangen ist.
Für Köpke ist längst klar, daß allein der Blick auf die zunehmende Verschlechterung der Trinkwasserqualität an Rhein und Weser schnelles Umsteuern erforderlich macht. Bisher haben die Wasserwerke in Regionen mit hochbelasteten Grundwasservorkommen im Regelfall Ackerflächen von Landwirten gekauft. Die Nutzflächen wurden stillgelegt. Durch weniger Düngereintrag konnten die Belastungen des Grundwassers so zumindest regional reduziert werden. Rund 65 Prozent der Stickstoffeinträge in Deutschlands Flüsse werden durch die Landwirtschaft verursacht.
Alarmierend sind auch die in Münster vorgelegten Zahlen zur Belastung des Grundwassers durch Pflanzenschutzmittel. Jede dritte Meßstelle in Deutschland registriert in schöner Regelmäßigkeit Rückstände der chemischen Keulen, die die Bauern großzügig auf ihren Anbauflächen verteilen. „Die Landwirtschaft ist der wesentliche Verursacher für Pflanzenschutzmitteleinträge in die Gewässer“, konstatierte Guido Haas, Forscher am Institut für Organischen Landbau. Er fordert eine gewässerschutzorientierte Landbewirtschaftung. Zwar könnten noch bessere Filter bei den Wasser- und Abwasserwerken Abhilfe schaffen, so Haas. Doch das sei lediglich eine End-of-the-Pipe-Strategie.
Als dauerhaft sinnvolle Lösung auch der Gewässerüberdüngung und -belastung biete sich demgegenüber der ökologische Landbau an. Hier werde auf den Einsatz von Kunstdünger verzichtet; statt dessen setze man auf die eigene Futtererzeugung und den Anbau von Zwischenfrüchten. „Der Nitratgehalt des Bodens wird so kontinuierlich verringert“, so Haas. Und nicht nur die Wasserqualität wird durch den Verzicht auf Kunstdünger und chemische Pflanzenschutzmittel besser. Nachweislich steigt auch die Zahl der Ackerwildkräuter auf organisch bewirtschafteten Flächen um ein Drittel bis zum Dreieinhalbfachen. „Im Feldinneren können sogar bis zu sechsmal mehr Kräuter auftauchen als in benachbarten, konventionell bewirtschafteten Äckern“, erklärt die Biologin Bettina Frieben. Selbst die Kleintierwelt profitiere vom organischen Landbau.
Doch von Tier- und Pflanzenvielfalt oder auch der besseren Wasserqualität können Ökolandwirte nicht leben. In Münster waren sich die Experten schnell einig: Beim derzeitigen Überangebot an ökologisch erzeugten Lebensmitteln liegt das entscheidende Entwicklungspotential für den ökologischen Landbau vor allem in der regional ausgerichteten Erzeugung und Veredelung tierischer Produkte. „Darin sehen wir eine echte Chance für Ökobauern in Nordrhein-Westfalen“, sagt Albert Sundrum vom Bonner Institut für Organischen Landbau.
Im Vergleich zu konventionellen Betrieben erzielen Biofleisch- Hersteller trotz des höheren Arbeitsaufwandes bessere Verkaufserlöse. Auch sei, so Sundrum, die Verlustrate bei den Tieren durch die artgerechte Haltung wesentlich niedriger als bei konventioneller Haltung. Für die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft spreche daneben aber vor allem die wachsende Zahl von Verbrauchern, „die die Qualität der Produktionsweise mit dem Produkt in Verbindung bringt“.
Doch das allein reicht noch nicht. Entscheidend für die Weiterentwicklung der ökologischen Tierhaltung wird sein, ob dauerhaft eine ausreichend große Zahl der Verbraucher bereit ist, höhere Preise für ökologisch erzeugte Produkte zu zahlen. Mit anderen Worten: Wenn der Verbraucher nicht mitzieht, kommen die Ökobauern nicht aus ihrem Schattendasein heraus.
Und, so ein weiteres Fazit der 2. Internationalen Umweltmesse in Münster, die besten regionalen Vermarktungsprogramme bringen nichts, wenn die Subventionspolitik der Europäischen Union nicht auch radikal geändert wird. Statt lange Tiertransporte finanziell zu stützen, sollten die regionalen Marketingkonzepte aus Brüsseler Töpfen gefördert werden. Nur so könne die ökologische Landwirtschaft einen Modellcharakter für die Zukunft bekommen.
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