■ Das Urteil: Die Eltern werden zu Illegalen erklärt
Berlin (taz) – Mehmet bleibt zunächst. Aber seine letzte Frist ist angebrochen. Über den sofortigen Vollzug seiner Abschiebung muß nur noch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheiden. Und der hat Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) erfolgreich gebeten, Mehmet bis dahin nicht auszuweisen. Mit den Beschlüssen des obersten Verwaltungsgerichts in Bayern wird in einer Zeitspanne von drei Wochen bis zu einem Jahr gerechnet.
Der Gerichtshof wird die juristische Konstruktion der Verwaltungsrichter prüfen, die es am Dienstag für Rechtens erklärten, daß Mehmet sofort abgeschoben werden darf. Die Richter der 17.Kammer des Münchner Verwaltungsgerichts begründeten dies zum einen mit der Gefährlichkeit Mehmets, zum anderen aber mit dem Status seiner Eltern.
Die Gefährlichkeit Mehmets, der 1984 in München geboren wurde, war auch für die Richter unbestritten. Sie schreiben Mehmet folgendes zu: „mehrere Raubtaten, schwere Körperverletzungen, räuberische Erpressung, räuberischer Diebstahl, besonders schwere Fälle des Diebstahls und zahlreiche weitere Diebstähle und andere Straftaten“. Doch weder dies noch die „letzte schwere Straftat“ (begangen am 3. Juli 1998), ein „gemeinschaftlicher schwerer Raub und gemeinschaftliche schwere Körperverletzung“, hätten annähernd gereicht, um den 14jährigen Mehmet ausweisen zu können. Denn für all das ist Mehmet nicht rechtskräftig verurteilt.
In den Mittelpunkt rückte also der Status der Eltern. Die leben seit 30 Jahren in Deutschland. Straffällig geworden sind sie nicht. Das aber heißt, daß Mehmet, wie kriminell er auch sein mag, laut Ausländergesetz (Paragraph 84) einen besonderen Ausweisungsschutz genießt: Ein minderjähriger Ausländer, „dessen Eltern (...) sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, wird nicht ausgewiesen“.
Um Mehmet abschieben zu können, hatte Kreisverwaltungsreferent Hans-Peter Uhl (CSU) zweierlei in Gang gesetzt: Er stellte Vater und Mutter erstens einen Ausweisungsbescheid zu, gegen den die Eltern einen noch nicht entschiedenen Widerspruch eingelegt haben. Und zweitens erhob Uhl strafrechtlich Anklage – weil die Eltern ihr Kind „durch Untätigkeit und Billigung“ in seinen Taten unterstützt hätten. Damit war der offizielle Status der Eltern kein rechtmäßiger mehr, begründete der Kreisverwaltungsreferent – und holte sich so die Legitimation für die sofortige Ausweisung Mehmets.
Die Richter der 17. Kammer stimmten dem zu. Sie prüften zusammenfassend und stellten fest: Die Ausweisung der Eltern erweise sich „als nicht offensichtlich rechtswidrig“. Sie genössen zwar gleichfalls einen besonderen Ausweisungsschutz; außerdem sei das Ende des gegen sie angestrengten Strafverfahrens abzuwarten. Aber: Wegen der „erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit (...) müssen die Belange des Antragstellers [Mehmet, die Red.] und seiner Eltern (...) zurücktreten.“ (Az: M 17 S 98.2640)
Der Verwaltungsgerichtshof muß nun nach Aussagen einer Sprecherin zweierlei prüfen: ob er die von Mehmets Anwalt eingelegte Beschwerde gegen den Beschluß der 17. Kammer überhaupt zuläßt; und zweitens, wie er die Beschwerde inhaltlich beurteilt. Christian Füller
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