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■ Das UN-Tribunal verurteilt ruandische VölkermordverantwortlicheSeltener Lichtblick

Lebenslänglich für Jean Kambanda, Premierminister Ruandas während des Völkermordes: Das zweite Urteil des internationalen Ruanda-Tribunals läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der erste Schuldspruch am Mittwoch gegen Ex-Bürgermeister Jean-Paul Akayesu betraf einen eher untergeordneten Täter – Kambanda, in seiner Stellung während des Genozids in Ruanda 1994 vergleichbar mit Radovan Karadžić bei den bosnischen Serben, ist voraussichtlich der wichtigste Völkermordtäter, der beim Tribunal in Arusha jemals abgeurteilt werden wird. Und indem die Richter dem Antrag der Anklage stattgaben, anstatt, wie von der Verteidigung gewünscht, gegen Kambanda wegen seines Schuldbekenntnisses im Mai nur zwei Jahre Haft zu verhängen, haben sie klare Position bezogen.

Tritt nun ein, was sich die Befürworter einer internationalen Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhoffen? Seit Jahren sagen Rechtsexperten, eine Aburteilung der Drahtzieher des Völkermordes sei Voraussetzung für die juristischen und politischen Schritte, die Ruanda braucht, um zu einer Art Normalität zurückzufinden. Ihre Argumente sind vielfältig: Erst wenn das UN-Tribunal mit seiner Arbeit Ernst macht, wird die internationale Gemeinschaft im Afrika der Großen Seen glaubwürdig sein und damit wieder Partner im politischen Dialog und in der Entwicklungszusammenarbeit werden. Erst wenn die Organisatoren des Genozids unschädlich gemacht worden sind, vermindert sich in Ruanda die Gefahr eines zweiten Völkermordes durch ewiggestrige übriggebliebene Extremisten, so daß Schritte zur politischen Entspannung möglich werden. Erst wenn die Großen im Gefängnis sitzen, kann die ruandische Justiz mit den Kleinen weniger hart umspringen und beginnen, die Zehntausenden Mittäter zu begnadigen. Solche Fortschritte werden natürlich nicht durch bloße Urteile durch das UN-Tribunal in die Wege geleitet. Aber ohne diese Urteile wären sie unmöglich. In einer Zeit, in der in Zentralafrika Bürgerkriege und sogar zwischenstaatliche Konflikte wieder zunehmen, ist Arusha ein seltener Lichtblick.

Deutlich wird so aber auch, wo die größten Versäumnisse bei der Aufarbeitung des Völkermordes liegen. Sie sind weder in Ruanda noch bei der UNO zu suchen, sondern liegen bei jenen Ländern, die immer noch den auf ihrem Staatsgebiet lebenden Völkermordverantwortlichen Asyl gewähren und ihnen damit einen mörderischen politischen Handlungsspielraum überlassen. Dominic Johnson

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