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Das Treiben

Anke Geberts zweiter Roman beginnt mit einer Rückblende: Des nächtens wird eine Frau auf einer Straße abgelegt, sie ist bereits tot. Die Vertuschung des Mordes gelingt nicht, und so kann Nora, die Heldin von Das Treiben, sich Jahre später auf die Suche machen. Kaum volljährig fährt sie zurück in ihr Heimatdorf, um den Tod ihrer Mutter aufzuklären. Nora will an die Unschuld ihres Vaters glauben, gerade weil sie als Kind unabsichtlich mit ihrer Aussage zu dessen Verurteilung beigetragen hatte.

Soweit der Plot. Das Verhängnis steckt im erzählerischen Detail: Noch bevor Nora Hamburg verlassen hat, rutscht ihre alte Kinderpuppe vom Auto-Rücksitz und schreit laut „Mamaaa“. Schlimm. Das Leserherz bleibt stehen. Kann man da einfach weiterlesen, als hätte es diesen Einbruch der Symbolik nie gegeben?

Leider setzt sich diese Bedeutungsschwere auf den folgenden Seiten fort. Während der Fahrt nach Wolfshagen regnet es in Strömen. Mit dabei hat Nora ihren Kater, dem sie nie einen Namen gegeben hat. Spätestens hier drängt sich die Verbindung dieses Romans zum Medium Film auf: Einen Kater ohne Namen hatte schon Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany.

Gebert schreibt auch Drehbücher. Dies erklärt vielleicht, warum die Erzählperspektive hier an ein Filmscript erinnert. Der Erzähler erscheint durch das verwendete Präsens distanziert. Viele Gefühle werden einfach benannt, quasi als Regieanweisung verordnet, anstatt sie dem Leser durch Beschreibung nahe zu bringen. Erst in der zweiten Hälfte des Romans gewinnt die Schilderung von Noras Erleben an Dichte und die Erzählung an Sogwirkung. Schließlich ist man doch gespannt, wer der Mörder ist. Es ist nicht der Gärtner.

Christian Rubinstein

Anke Gebert, Das Treiben, Scherz Verlag 2001, 175 S., 15,45 Mark / 7,90 Euro

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