: Das Straßenbild
Die Reklamerezension Heute: Traditionsverein auf Probe
Nicht, dass Hausfrauenlogik grundsätzlich etwas Schlechtes wäre. Bei Gott, manchmal ist die einfachste Analogie die beste. Sie öffnet die Augen, und plötzlich versteht man alles, was einem zuvor ein Rätsel war. Manchmal zumindest.
Nun also die Union. Politik, will sie dem Laien unter den Wählern sagen, ist wie das wirkliche, alltägliche Leben, unser Leben. Um Politik zu verstehen, braucht’s kein anderes Sensorium als unseren Alltagsverstand. „Wenn mein Freund so viele Versprechen brechen würde wie der Kanzler, würde ich ihn rauswerfen.“ Oho, aha, die sympathische junge Frau auf dem Endspurtplakat der Christdemokraten lebt also mit ihrem Freund zusammen, nicht mit ihrem Mann! Zur Probe gewissermaßen. Uiuiui! Aber stimmt ja, die CDU und selbst die CSU sind ja neuerdings nicht mehr so stramm auf Ehekurs. Wir flüstern nur: Katherina Reiche!
Prinzipien aber müssen sein. Wer Versprechen bricht, fliegt. Erst gar, wenn’s „so viele“ sind. Bloß, was raunt uns da unser wachgerüttelter Hausfrauenverstand zu: Wenn man in der Liebe schon mit Ausdrücken wie „Versprechen“ operiert, ist doch längst der Wurm drin. Das kannste knicken. Aber wir wollen nicht mäkeln, wenn sich die Christlichen der wilden Ehe zuwenden. (Den Ehemann dürfte Madame aber wohl nicht rauswerfen …?)
Wir sollten über dem Plakat allerdings auch die Parteihistorie nicht ganz vergessen. Hat nicht neulich erst der einstige Ehrenvorsitzende K. wahrhaft standhaft vorgeführt, was in seinen Kreisen ein einmal gegebenes Versprechen zählt? Dass man seine liebsten Freunde nicht einfach verrät, selbst wenn ein Untersuchungsausschuss das verlangt? Das Wort Versprechen mag in der modernen Liebe altbacken klingen, hier aber verweist es darauf, dass die CDU noch immer ein Traditionsclub ist. Helmut, fand dann ja auch die lange ledige Mutter Uschi G., du bist doch der Beste!
Und weil sich die CDU-Werber wohl gesagt haben „Au fein, da schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe!“, wirbt dieses Plakat zugleich für eine kostenlose Probemitgliedschaft in der Partei. Was das Plakat allerdings nicht verrät: Wer legt in dieser Versuchskonstellation wem Versprechen auf? Wer darf nörgeln? Wer ist der Hauptmieter, wer nur geduldet? Anders gefragt: Wer wirft wen raus, wenn die Probe aufs Exempel am Ende doch misslingt: die Partei das Mitglied, das Mitglied die Partei? Da stehen wir Hausfrauen nun und wissen nicht weiter. RKR
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