Das Star-Album zur Berlinale (1): Der unbekannte Söldner der Stones

Daryl Jones, 40, von den Rolling Stones angemieteter Bassist, spielt die beste Rolle in Scorseses Stones-Doku "Shine a light".

Der Unbekannte: Stones-Bassist Daryl Jones - ganz rechts. Bild: ap

"Leute, er ist kein Bill Wyman", postete ein beleidigter Fan im vergangenen Jahr in einem Rolling-Stones-Chat. "Und außerdem ist er nicht mal ein echtes Bandmitglied, sondern nur ein Söldner …". Zum Glück ist er kein Bill Wyman!

Bill Wyman, der ursprüngliche Stones-Bassist, heiratete mit 53 eine 19-Jährige, die er kennengelernt hatte, als sie verbotene 14 war! Bill Wyman ließ sich in "One plus One", Godards hübsch überspanntem Musikfilm-Experiment, andauernd von Keith Richards seinen Bass wegnehmen, weil Richards die Basslinie zu "Sympathy for the devil" einfach groovier spielen konnte!

Daryl Jones dagegen, der Stones-Mietbassist, durfte als offizielles Nichtbandmitglied gestern Abend vielleicht nicht mit zur Berlinale, um Martin Scorseses Doku "Shine a light" vorzustellen - sonst würde ihn womöglich noch jemand fragen, ob er zur Security gehört, so als junger Hüpfer um die Ende 40.

Trotzdem sollte man Daryl Jones ob seines zurückhaltenden Zuhausebleibens nur warme Gedanken schicken, denn der Eintritt des Bassisten in die viel zu lange Rolling-Stones-Geschichte markiert eine der ersten Sollbruchstellen.

Allerspätestens seit 1994, als Voodoo Lounge, das erste Album mit dem Mietbassisten herauskam, braucht man Rolling-Stones-Platten eigentlich nicht mehr zu hören (Puritaner mit gutem Geschmack behaupten sogar, schon seit "Emotional Rescue"). Das liegt selbstverständlich nicht an dem sympathischen Jones, der einerseits mit der Miles Davis Band spielte, mit Herbie Hancock und Gil Evans, andererseits aber auch mit Sting, Madonna und dem gruseligen Peter Gabriel, und damit abgebrüht und unverfroren beweist, dass Rock n Roll ab einer bestimmten Stadiongröße und Ticketpreishöhe wahrlich nichts mehr mit Authentizität zu tun hat. Sondern an der Redundanz, deren Meister die Rolling Stones sind.

Während aber Mick, Keith, Ron und Charly noch immer versuchen, jene Redundanz als großväterliche Wildheit zu verkleiden und zu entschuldigen, fährt das Stones-Mietküken Daryl Jones gar nicht erst mit nach Berlin, sondern verkauft lieber zu Hause, in den USA, ein paar "Lakland Skyline J-Style" Bassgitarren mit seiner Unterschrift drauf, spielt in schönen Filmen mit (wie weiland in der knallharten Drogenkomödie "Gridlockd" mit Tim Roth und Tupac Shakur) und hat überhaupt keine Lust, sein Gesicht der versammelten "I cant get no Satisfaction!" brüllenden Altrocker-Community zu präsentieren.

Wenn die Stones sich je auflösen, was wohl erst passiert, wenn Freund Hein Mick UND Keith zu sich bestellt, dann wird Jones der Einzige sein, der unbeschwert und glücklich seiner Wege geht. Das sei ihm aber auch so was von gegönnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.