Das Portrait: Pastorin unterm Bundesadler
■ Christel Hanewickel
Christel Hanewinckel hat die doppelte Quote auf ihrer Seite. Die SPD-Bundestags- abgeordnete ist aus dem Osten und noch viel wichtiger: sie ist eine Frau. Die 51jährige Pastorin aus Sachsen-Anhalt liegt im Rennen um das Amt der Bundestagspräsidentin derzeit vorn. Im Vergleich zu ihrem Konkurrenten Wolfgang Thierse ist der Name Hanewinckel bisher zwar weitgehend unbekannt. Das wird sich künftig ändern. Zehn Jahre nach dem SPD-Parteitagsbeschluß zur Frauenquote weiß man in Bonn, daß neben dem Bundeskanzler Schröder und dem voraussichtlichen Bundespräsidenten Rau rein rechnerisch eine Frau in der ersten Reihe fehlt. 1994 hatte Christel Hanewinckel fraktionsintern schon gegen Hans-Ulrich Klose um das Amt des Bundestagsvize kandidiert – und nur knapp gegen den Hanseaten verloren. Ihr Interesse an einem Posten in der Parlamentsspitze ist seitdem bekannt. Sie selbst sagte gestern zu einer neuen Kandidatur: „Ich bin bereit.“ Für Hanewinckel spricht auch, daß die gebürtige Thüringerin für den Osten spricht. Bis zur Wende arbeitete die Theologin als Klinikseelsorgerin und engagierte sich seit 1980 unter dem Dach der evangelischen Kirche in der DDR-Friedensbewegung. Sie gehörte zu den ersten, die im Oktober 1989 die SDP, die Vorläuferpartei der SPD in der untergehenden DDR, begründeten.
Seit 1990 sitzt Hanewinckel im Bundestag, seit 1991 ist sie Vorsitzende des SPD- Stadtverbandes von Halle. 1994 und 98 wurde sie in ihrem Wahlkreis Halle-Altstadt direkt gewählt – zuletzt mit 40,7 Prozent der Stimmen. In der SPD wird Hanewinckel zum linken Flügel gezählt, die Fraktionssprecherin für Familie-, Senioren-, Frauen- und Jugendpolitik erhält Lob für ihre Rolle als Moderatorin. Vor allem in der Familienförderung hat sie politische Konzepte auf den Weg gebracht und sich in der Partei für ein steuerfreies Existenzminimum und die Erhöhung des Kindergeldes stark gemacht.
Hanewinckel will, daß bei der Besetzung der führenden Posten „die Interessen der Ostdeutschen und Frauen angemessen vertreten werden“. So trifft es sich günstig, daß sich dieses Anliegen auch durch die eigene Kandidatur trefflich befördern läßt. „Aber noch“, sagt sie über ihr Interesse an dem Posten, „sind wir in den Zeiten, wo nur geredet wird.“ Tina Hüttl
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