Das Portrait: Verteidiger der Republik
■ Ahmet Taner Kislali
Er gehörte zu den kompromisslosesten Laizisten der Türkei. Höflich im Ton, aber hart in der Sache plädierte er immer wieder dafür, dass der Staat gegenüber dem politischen Islam keine Zugeständnisse macht. In der Auseinandersetzung mit der islamischen Fazilet-Partei gehörte er zu den wichtigsten Publizisten der Kemalisten. Gestern Morgen um halb zehn wurde er durch eine ferngezündete Bombe, die an seinem Auto deponiert war, in die Luft gesprengt. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus.
Der türkische Politologe und Journalist Ahmet Taner Kislali wurde Opfer eines Bombenanschlages
Foto: xx
Kislali unterrichtete an der Universität Ankara Politologie. Er hatte in Paris promoviert. 1978 war er im Kabinett des damaligen und heutigen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit Kulturminister, zu dessen engen Freunden er sich bis zuletzt zählen durfte. Entsprechend geschockt erschien Ecevit gestern auf dem Bildschirm, um den Mord zu verurteilen.
Der breiten Öffentlichkeit war Kislali aber vor allem als Kolumnist der Tageszeitung Cumhuriyet bekannt. Immer wieder verteidigte er im Hausblatt der Kemalisten die laizistische Republik und die Armee als deren Hüterin. Ahmet Taner Kislali zeichnete ein klassisch linkes Politikverständnis aus. In seiner letzten, Anfang der Woche erschienenen Kolumne bezichtigte Kislali verschiedene islamistische Führer der Anstiftung zum religiösen Hass, wegen deren Kampagne, in der sie das Erdbeben vom August als die Strafe Gottes gegen die Ungläubigen bezeichnen.
In ersten Reaktionen auf das Attentat wurde immer wieder die Vermutung geäußert, dass der Anschlag auf Kislali eigentlich ein Anschlag auf den laizistischen Staat gewesen sei. Obwohl es bislang kein Bekenntnis über die Urheberschaft der Bombe gibt, wird allgemein davon ausgegangen, dass die Attentäter aus der islamistischen Ecke stammen. Als der Vorsitzende der islamischen Fazilet-Partei sich von dem Attentat distanzierte, wurde er ausgebuht.
Kislali ist nicht der erste Cumhuriyet-Autor, der Opfer eines Attentats wurde. Vor sechs Jahren wurde der bekannteste Cumhuriyet-Journalist, Ugur Mumcu, ebenfalls durch eine Autobombe in die Luft gesprengt. Die Täter hat man bis heute nicht gefasst. Kollegen und Freunde sind verbittert, dass Kislali nicht geschützt wurde, viele fühlen sich selbst bedroht. „Die Türkei treibt auf algerische Verhältnisse zu, und der Staat tut nichts dagegen“, sagte einer von Kislalis Freunden.
Jürgen Gottschlich
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