Das Gutachten des Botschafters: Nicht zu viel polnisch-jüdischen Dialog
Der Botschafter der Republik Polen hat eine Stellungnahme zu den Zielvorgaben des Polnischen Instituts abgegeben. Hier in deutscher Übersetzung.
Mit Interesse habe ich die Zielvorgaben des Polnischen Instituts in Berlin und seiner Filiale in Leipzig zur Kenntnis genommen. Es ist anzuerkennen, dass sich die Leitung des Instituts darüber im Klaren ist, dass ein Teil der Meinungsmacher in Deutschland Polen unfreundlich, mindestens aber kritisch gegenüber steht. Die Informationen über das Geschehen in Polen beziehen sie aus ausgewählten Quellen, und auf dieser Grundlage kommen sie zu ihrer völlig falschen Einschätzung des Wandels in Polen. In diesem Zusammenhang beabsichtigt das Polnische Institut, dies künftig zu verhindern oder einzugrenzen. Ob und wie das gelingen wird, wird sich zeigen.
Wichtig ist in der gegenwärtigen Situation, solche Gäste aus dem Land einzuladen, die die Lage in Polen richtig verstehen und in der Lage sind, in überzeugender Art und Weise darüber zu sprechen. Eher seltener sind das meiner Ansicht nach Künstler oder Musiker, und dennoch stellt das Polnische Institut in Berlin besonders stark die Arbeit von Bildhauern und Avantgardemusikern in den Vordergrund. Entschieden besser machen das die Literaten. In diesem Kontext erscheint mir deren Präsenz im Programm des Polnischen Instituts zu kurz zu kommen. Ich rede von Prosa und historischer Literatur. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang auch, an die Werbung für jene Verlage zu denken, die seit Jahren diese Art von Literatur herausgeben. Ich hoffe, dass ein solches Unterfangen sich in den Programmpunkten unter der Rubrik „vorrangige Aufgaben“ wiederfindet, die in den Positionen des „Erfurter Europagesprächs“ oder in der „Poniatowski-Vorlesung“ festgehalten sind.
In den „Vorschlägen“ wird die Arbeit des Berliner Instituts als „Zentrum einer für neue Initiativen und Experimente offenen Kultur“ unterstrichen. Das muss man natürlich berücksichtigen, wenn man zu den hiesigen Zuschauern, Lesern und Zuhörern vordringen möchte. Man sollte sich aber daran erinnern, dass sich Polen im Lichte der jüngsten politischen Entscheidungen entschieden hat, die Präsentation seiner eigenen Kultur hervorzuheben. Polen bemüht sich um einen bestimmten, und wie ich finde, nicht nur grundsätzlichen, sondern geradezu überfälligen Wandel der Europäischen Union. Damit sind auch diese Experimente unter dem Blickwinkel ihrer historiosophischen, ethischen und pädagogischen Aspekte auf den Prüfstand zu stellen. Die blinde Nachahmung nihilistischer und hedonistischer Trends ist ein zivilisatorischer Irrweg. Polen muss sich diesen Trends entgegenstellen. Auch durch die im Polnischen Institut repräsentierte Kultur. In diesem Zusammenhang sollte man auch die Aktivitäten von AfD und Pegida nicht verdammen, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen – als ernsthafte Stimme eines Teils der deutschen Gesellschaft, die in Erwägung gezogen werden muss.
Im Teil II Punkt 4 fehlt mir ein Vortrag oder eine Reihe von Vorträgen renommierter polnischer Denker, Politologen oder Literaten, die Wissen über das zeitgenössische Polen verbreiten können.
Im Teil II. 2, wo es um die Schönen (und Bildenden) Künste geht, scheint mir die Rolle des Designs überakzentuiert zu sein. (Aber das ist gewissermaßen das „Markenzeichen“ des Polnischen Instituts in Berlin).
Was die „dauerhaften Aufgaben“ betrifft, habe ich eigentlich keine Anmerkungen, da das Standardthemen sind und erst ihre inhaltliche Ausgestaltung zeigt, wie sie das Polnische Institut realisiert.
Die einzige wichtige Frage scheint mir zu sein, es mit der Hervorhebung des polnisch-jüdischen Dialogs nicht zu übertreiben – als wichtigstem der interkulturellen Dialoge in Polen. Vor allem nicht in Deutschland, das nicht die Rolle eines Mediators einnehmen sollte. Dieser Dialog ist schon weit fortgeschritten (Museen, Festivals, Publikationen, Debatten), darunter gibt es kaum noch neue Elemente. Wichtig ist hingegen der polnisch-ukrainische und polnisch-litauische Dialog, aus Gründen, die ich hier nicht näher vorstellen muss.
Positiv bewerte ich die Auswahl dreier Elemente, auf deren Präsentation sich das Polnische Institut in Berlin konzentriert. Ein richtiger Schritt ist die Kombination der Internetausstellung zum Thema Piłsudski mit dem Bildungsprogramm (Debatten/Workshops), ohne die diese nahezu unbeachtet vorbeigehen würde. (Die Verbreitung von Informationen über die polnische Kultur via Internet/Facebook und dergleichen wird meiner Meinung nach überschätzt).
Ich schätze die Bemühung um die Position des Polnischen Instituts in Berlin wie auch um die nachhaltigen Effekte (Vernetzung, Verbindung verschiedener Milieus und Institutionen) unter der Bedingung, dass dieser Austausch um ein breites Spektrum polnischer Kulturschaffender erweitert wird, die bisher nicht berücksichtigt wurden (Rymkiewicz, Połkowski, Wildstein, Libera, Ziemkiewicz, Lisicki und so weiter).
Wichtig sind auch Studienreisen, um die es im Teil VI. geht. (Es wurde jedoch nicht angeführt, ob und wenn ja, welche Reisen im Jahr 2017 stattfinden sollen oder geplant sind).
A. Przyłębski, Berlin, 17. Oktober 2016
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