Das Ding, das kommt: Bilder mit besonderer Ausstrahlung
Die Hans am Ende zugeschriebenen „Birken“ oder „Rotbraune Wiesenlandschaft“, „März an der Wümme“ und „Weite Landschaft“ von Christian Modersohn: Vielleicht mal ein Segelboot, aber bloß keine Menschen sieht man auf den Bildern, die Alt-Kanzler Helmut Schmidt noch zu Lebzeiten seiner letzten Lebensgefährtin Ruth Loah schenkte und die an diesem Samstag im Hamburger Auktionshaus Stahl unter den Hammer kommen.
Vor allem Landschaftsbilder von Worpsweder Künstlern hingen in Schmidts Doppelhaushälfte im Hamburger Stadtteil Langenhorn: düstere Moore, wolkenverhangene Himmel, lichte Heide, Wasser- und Hafenszenen. Überhaupt die deutschen Expressionisten, allen voran Nolde, von dem er „ein Anhänger“ gewesen sei, seit er 13 Jahre war – und dessen damaliges nationalsozialistisches Engagement für ihn keine Rolle gespielt habe.
Noch einen, der erst mit den Nazis anbandelte und dessen Kunst später als „entartet“ verfemt wurde, schätzte Schmidt sehr: Ernst Barlach, von dem nun die Plastik „Schlafende Vagabunden“ versteigert wird.
Mit all dem, was nach dem Zweiten Weltkrieg gemalt oder in Stein gehauen wurde, konnte er nicht mehr viel anfangen. Selbst Picasso blieb ihm fremd, obwohl auch Grafiken von ihm entlang der Treppe hingen. „Das bleibt für mich eine nicht ganz verstandene Welt“, gab er Zeit-Journalist Hanno Rautenberg, der den Kunstsammler Schmidt zwei Jahre vor dessen Tod besucht hat, zu Protokoll.
Einen aber, der fast nie Landschaften malte, sondern, wie Schmidt in seinem Nachruf 2011 für die Zeit schrieb, als „fortschrittsungläubiger, geschichtspessimistischer Ankläger“ die „Tragik der Geschichte“ – Gewalt, Krieg, Brutalität und das Aufbegehren dagegen – thematisierte, lernte er spät schätzen: Bernhard Heisig, von dem er sich 1986 für die Galerie der ehemaligen Bundeskanzler im Kanzleramt porträtieren ließ und mit dem ihm eine Freundschaft verband. Eine Skizze Heisigs kommt auch unter den Hammer. Die Skizze könnte die eine Vorstudie zum Kanzleramts-Porträt sein; und doch wieder ein Landschaftsbild: Mit 9.000 Euro ist „Im Wald“ taxiert.
Für die Auktion aber, schreibt Auktionator Michael Kerle, sei die künstlerische Wirkung ohnehin nicht so wichtig. Ihre Provenienz aus dem Hause Schmidt/Loah sei es eben, die ihnen eine besondere Ausstrahlung verleihe „und den Betrachter unmittelbar ergreift“. MATT
Auktion am Sa, 29. April, Auktionshaus Stahl, Graumannsweg 54, Hamburg
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