piwik no script img

Das Ding, das kommtSiebensterne in der Nacht

Brauchtum entsteht spontan: Etwas wird gemacht, weil’s passt. Wenn die Situation im nächsten Jahr wieder eintritt – passt die Verhaltensweise auch wieder. Und im Jahr drauf auch. Und dann ist es schon immer so gewesen. Und schön ist es ja, wenn an Weihnachten das ganze Dorf mit heimischen Kerzenleuchtern in die Frühmette, seit 1972 wegen des touristischen Erfolgs auch an den Adventssonntagen zu den Vespern pilgert und die Kirche selbst erhellt.

Vor allem aber spart es kirchliches Wachs – also Geld: Diese Überlegung stand, auch nach offizieller Darstellung, am Anfang der Bad Bevensener Tradition der Siebenstern-Gottesdienste. Im Jahr 1842 hatte die kurhannöversche Kirchenverwaltung die Mittel für die Frühmette gestrichen: zu katholisch. „Denn bringt doch jo Söbensterns mit, de jüt to Huus hebt!“, hat der Ortsgeistliche laut Bevensen-Website die Dörfler aufgefordert, für Abhilfe zu sorgen.

Eine Primärquelle fehlt und auch sonst ist vom Pastor Collaborator Herbst nur überliefert, dass er 1852 die Stelle in Lamspringe übernimmt. Sonst: alles dunkel, so wie die Herkunft des Siebensterns. Der war wohl schon im 18. Jhd. in der Lüneburger Heide gebräuchlich. Es handelt sich dabei um einen aus Eiche gedrechselten Kerzenhalter für sieben Lichter.

Dessen sechs Arme ordnen sich auf hexagonalem Grundriss um einen Zentralstab herum an: Eine Flamme pro Ecke, eine in der Mitte: Man kann die Punkte auch zum Davidsstern verbinden. Und so scheint neben astronomischen Deutungen – früher hießen die Plejaden Siebenstern – oder der Anspielung auf die Apokalypse eine antisemitische Stoßrichtung des Objekts sehr denkbar.

Die siebenarmige Menora im Jerusalemer Tempel ist seit dessen Zerstörung Symbol der Diaspora des Judentums: ein Leuchter, der bis zur Ankunft des Messias nicht brennt. Außerhalb des Heiligtums ist nach dem Talmud die Verwendung eines siebenarmigen Leuchters verboten. Ihn demonstrativ zu nutzen wäre dann triumphalistischer Spott.

Es muss nicht so sein. Und lieber möchte man sich nicht ausmalen, was nach dieser Interpretation die Aussage der Siebenstern-Gottesdienste wäre. Wobei festzuhalten bleibt, dass sie schon zu dem Ort passen würde, an dem die Deutsch- Christen 1934 ihre Theologenschule einrichteten. bes

Dreikönigskirche Bad Bevensen, So, 20. 12., 17 Uhr + Fr, 25.12., 6 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen