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Das Comeback des FilterkaffeesKaramellespresso? Nicht die Bohne!

Kaffeeliebhaber entdecken den Filterkaffee wieder. Sie sitzen in Milchschaumbezirken, verpacken die alte Technik in neue Begriffe und preisen ihre beerigen Aromen.

Gar nicht nur für Omas, sondern der neue heiße Scheiß: Filterkaffee. Bild: jala / photocase.com

BERLIN taz | Es gibt beim Kaffee ein paar Dinge, die Cory Andreen, der deutsche „Cup-Tasting-Meister 2012“, nicht ganz versteht. Espresso beispielsweise. „Ich weiß nicht“, sagt Andreen, der amtierende deutsche Champion der Kaffeeverkostung, „warum die Italiener so bekannt sind für ihren Kaffee.“

Andreen arbeitet in einem Café namens CK in Berlin-Prenzlauer Berg. Wenn Journalisten über den Bezirk schreiben, machen sie oft Milchschaumanspielungen oder Witze über den Latte-macchiato-Konsum. Vielleicht ist Prenzlauer Berg die deutsche Hochburg der italienischen Kaffeevariationen: Espresso, Cappuccino und der ordentlich mit Bedeutung aufgeschäumte Latte macchiato.

Ausgerechnet hier, wo Espressozubereiter nicht Espressozubereiter, sondern Baristi heißen, sitzt nun der Kaffeeverkoster Cory Andreen, schlägt die Beine übereinander und sagt mit zarter Stimme, sehr bestimmt: „Die besten Kaffees sind Filterkaffees.“

Filterkaffee? Ist das nicht dieses Mehrzweckhallengetränk, das man aus Plastikbechern nippt, diese Brühe, die Großmütter in Blümchentassen gießen? Ist Filterkaffee nicht das Gegenteil eines edlen, eines modernen Kaffees?

„Keine Espressomaschine“

Nein, das sieht Andreen anders. Um aus einem guten Kaffee alles herauszuholen, dürfe man keine Espressomaschine benutzen, die das Wasser mit Hochdruck durch das gepresste Kaffeepulver schießt. Espresso – und andere mit ihm zubereitete Milchgetränke wie Cappuccino – entstünden in einem industriellen Prozess. „Die Maschine schafft es nicht, die Komplexität eines richtig schönen Kaffees herauszuziehen.“

Andreen serviert eine Tasse Filterkaffee. Keine tiefschwarze Brühe, bei der sich ohne Milch und Zucker die Mundwinkel nach unten ziehen, sondern bräunlich schimmernder, duftender Kaffee. Er riecht etwas fruchtig, etwas beerig, aber doch nach Kaffee. Und der derbe Geschmack, der nach dem Kaffeekränzchen nicht von der Zunge weichen will? Fehlt.

„Brewed Coffee“, sagen Andreen und seine Kollegen, das klingt nicht so nach Mehrzweckhalle.

Bild: taz

sonntaz

Diesen und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 9./10. Juni 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Ein kleines Café in Berlin-Kreuzberg. In der Mitte ein Tisch, darauf ein Gerät mit drei bauchigen Glasfläschchen. Auf eines stülpt Björn Köpke einen gläsernen Trichter und drückt einen Knopf. Blendend orangenfarbiges Licht strahlt das Fläschchen von unten an. Zwischen den beiden Glaskammern: ein Filter.

Auch Björn Köpke ist einer dieser Filterkaffeeverfechter. „Das ist eine Siphon-Kaffeemaschine“, erklärt er. „Durch die Hitze des Lichts steigt das Wasser nach oben.“ In den Glastrichter. „Unten entsteht ein Vakuum.“ Seine Kollegin Nora Smahelová gibt Kaffeepulver in das aufgestiegene Wasser im Trichter. „Wenn wir die Hitze reduzieren, sinkt der aufgebrühte Kaffee durch den Filter nach unten.“ Der Kaffeesatz bleibt im Trichter.

Bewegter Kaffee schmeckt besser

„Diese Espressogeschichten wurden mir irgendwann zu langweilig“, erzählt Köpke. In seinem Café Chapter One, das er mit Smahelová im Dezember aufgemacht hat, steht Filterkaffee im Vordergrund. Cory Andreen aus dem Café CK, der im Frühjahr beim Erschnüffeln und Erschmecken Cup-Tasting-Meister wurde, sagt: „Mit Melitta-Filtern kann man durchaus guten Kaffee machen.“ Er selbst benutzt japanische Filter aus Keramik, Hario V60. Da verlaufen die Rippen nicht senkrecht, sondern geschwungen. Fließt der Kaffee in die Tasse, entsteht eine Kreisströmung, das Gebräu bleibt in Bewegung. Das soll besser schmecken.

Die Filterfreunde sind die Innovativen in der Barista-Szene, der „Third Wave“-Bewegung. Die „Dritte Welle des Kaffees“ kann man als Trend und Philosophie verstehen: Guter Kaffee ist einfach – kein Chococinopresso mit Karamellhaselnussaroma – und wird mit besten Zutaten zubereitet.

Das war bei der ersten Welle noch anders, als Kaffee nach dem Zweiten Weltkrieg zum Massenprodukt wurde. Nicht vorzustellen, der täglich gedeckte Kuchentisch der Wirtschaftswunderjahre ohne ein Kännchen Kaffee. Aber Anbaugebiete, Erntezeiten und Mahlgrade interessierten die Konsumenten da noch nicht.

In den achtziger Jahren: die zweite Welle. Sie war von der italienischen Espressokultur inspiriert. Coffee to go folgte, Pads, Kapseln. „Starbucks, Expressotrinken und so“, sagt Andreen. Italienische Kaffeespezialitäten, amerikanisch vermarktet.

Baristi-Meisterschaften

Dann die dritte Welle: Seit den Neunzigern messen sich Baristi in Meisterschaften, seit 2000 auch in Weltmeisterschaften, um jeder Bohne ihr vollstes Potenzial zu entlocken. Wer Champion werden will, muss Espressi und Cappuccini zubereiten. Von der Königsdisziplin spricht man in der Szene, wenn es um Espresso geht. Filterkaffee ist wie das Cup-Tasting eine Unterdisziplin.

„Für mich ist Barista nicht die Königsdisziplin“, sagt dagegen Nora Smahelová aus dem Chapter One. 2002, mit 21 Jahren, gewann sie die Meisterschaft. Von Filterkaffee wollte damals noch niemand etwas hören. „Die Szene hat sich weiterentwickelt“, stellt sie nun fest.

Bei der Barista-WM in Wien vom 12. bis 15. Juni wird sie in der Jury sitzen. „Kaffeepolizei“, sagt sie. Allerdings in der Hauptdisziplin bei Espressi und Cappuccini, nicht bei der Brühmeisterschaft, dem World Brewers Cup, der dieses Jahr erst zum zweiten Mal veranstaltet wird.

Langfristig wollen Smahelová und ihr Kollege Köpke einen Coffeeshop aufmachen, der nur Filterkaffee anbietet. „Wir wissen aber nicht, ob Berlin dafür schon bereit ist“, sagt Köpke. Mainstream ist ihr Brewed Coffee noch nicht. Auch wenn der Filterkaffee aus der geblümten Oma-Kaffeetasse nie verschwunden ist.

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9 Kommentare

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  • K
    KaffeeSternchen

    Wenn man von Filterkaffee spricht, dann sollte man nicht die gute alte Wigomat vergessen, mit der die automatische Filterkaffeezubereitung überhaupt begann. So manch altes Maschinchen tut noch seinen Dienst. Als Linktip sei auf http://wigomat.de/ verwiesen ;-)

  • A
    Adrian

    Es ist natürlich schon eine Herausforderung einen perfekten Espresso zu machen. Da geht Filterkaffee schon viel einfacher, auch wenn er mit der Aufsehen erheischenden Halogenherdplatte hergestellt wird. Auch ist es einfacher und risikofreier die Bohnen im Röstprozess vor dem zweiten "Crack" rauszunehmen und dadurch die Säuren beizubehalten, als fertig zu rösten aber doch nicht zu verbrennen. Zwischendurch ist so ein "Fruchtiges-Heissgetränk" ja ganz nett, aber einen richtig guten Espresso ersetzt es nicht. Ein neuer Trend könnte sich tatsächlich entwickeln, aber muss denn alles gegeneinander ausgespielt werden? Ich denke die beiden Welten können ganz gut ergänzend zusammen leben!

  • P
    petronius

    ah, jetzt muß es also auf einmal wieder filterplörre sein... aber natürlich nicht aus dem melitta-filteraufsatz, sondern aus einem japanischen, weil der der brühe noch so eine drehung mitgibt

     

    passend dazu der heißeste scheiß in deer kolumne "wie bescheuert ist das denn" 8oder so...)

     

    kinder, könnt ihr in der sonntaz nicht wieder was schreiben, was außer den selbsternannten berlin-hipsters jemanden interessiert?

     

    demnächst schwadroniert noch einer über das politische an jeansmarken... hoppla, schon passiert

     

    langsam wirds peinlich, sich mit einer sonntaz erwischen zu lassen. wie schwach die "titanic" auch ist, so ist die satirische kraft der sonntaz doch noch bescheidener. oder sollte das am ende alles tatsächlich ernst gemeint gewesen sein?

  • AH
    Achim H.

    Noch nie mochte ich anderen als den echten, selbst und mit Liebe filtergebrühten Kaffee. Jeden Morgen eine große Tasse, bio natürlich.

  • OM
    Olaf Mertens

    Da sieht man's mal wieder... Man kann Trends ganz locker aussitzen - kommt sowieso alles zurück. Mein Tip für das nächste Comeback: Das Wählscheibentelefon! Third-Wave-Dial-Phoning - Yeah!

  • S
    Schlürf

    Schade. Netter Artikel, der aber einige Aspekte der filternden Kaffekultur werden nicht erwähnt. Beispielsweise die Aeropress Methode, die schon länger ausserhalb von Deutschland auch auf Wettbewerben und im Privaten grossen Erfolg hat. Tim Wendelboe aus Oslo, einer der weltbesten und preisgekrönten Microroaster und Barista preist schon seit Jahren die Qualität von mit Aeropress gefiltertem Kaffee. Ich hätte mir etwas mehr internationale Recherche in der Kaffeeszene gewünscht und weniger Berliner Kiez-Werbung. Einfach mal über den Tellerrand schauen.

  • K
    Kaffeegeschmack

    Hallo andere Leser und Leserinnen,

     

    erst einmal zu Kathrin N.: Was machen Sie eigentlich beruflich? Kaffee verkaufen?

     

    Dann meine Meinung zu Filterkaffee: Blääähiiiih! Das ist das Getränk, dass ich tagsüber mangels anderer Möglichkeiten oft trinke. Vorteile: Macht wach. Kann man sich dran gewöhnen. Bei Kälte ist das schön warm. Gibt es an vielen Orten. Verscheucht das Thema Sex vom Arbeitsplatz.

     

    Nachteile: Hat hier jemand Sex und einen Geruchssinn? Ehrlich, Filterkaffee gehört einfach zu den Getränken, die mit am meisten im Urin unangenehm riechen (neben Spargel und Bier). Meterweit. Auch wenn da irgendein Sirup drin ist. Kann jedeR selbst feststellen. Besonders bei Frauen hilft dann kein aufgetragener Duft oder Duschzeug, jedenfalls beim Sex. Bei Espresso oder anderen Getränken ist dem nicht so. Das ist ein wichtiger Grund, warum Filterkaffee den Rückzug antrat, meine These. Damit die Chemie besser stimmt.

  • M
    Miriquido

    Richtig so. Fairer Kaffee hat doch nur genervt. In Wirklichkeit gehen uns die Kaffeebauern am Arsch vorbei. Wir wollen einfach im Café sitzen und das Leben genießen und nichts mit irgendwelchen Armen zu tun haben, ganz egal, ob sie nun in Ostberlin oder in Honduras sitzen.

  • KN
    Kathrin N.

    Toller Artikel, schön, dass immer mehr Menschen erkennen, was wirklich guten Kaffee ausmacht. Hab dazu gestern den Coffee Guide von CoffeeCircle entdeckt, mit den besten Cafés der Stadt! Die beiden erwähnten Cafés, CK und Chapter One, sind auch dabei... Super Sache! Muss ich alles bald ausprobieren :) http://www.coffeecircle.com/blog/coffee-guide-berlin/