piwik no script img

Das Büro auf dem Prüfstand

Business-Center, Teleworking und Teamwork: Die Gestaltung der Arbeitsumgebung muss dem Wandel der Arbeitsweisen angeglichen werden. Neue Bürokonzepte im Überblick  ■   Von Anja Dilk

Sie bollern mit mobilen Boxen durch die Firmenflure und klappen ihr Laptop am nächstbesten Schreibtisch auf. Sie hocken in gläsernen Kuben des High-Tech-Büros, während die Konkurrenz hinter alten, hölzernen Schreibtischen in dunklen Ecken grübelt. Das Büro, zentrale Spielstätte der Dienstleistungsgesellschaft, steht auf dem Prüfstand. Seit Kommunikation, Flexibilität und Wissensaustausch zur Maxime der Unternehmensführung werden, ist klar: Die Gestaltung der Arbeitsumgebung muss dem Wandel der Anforderungen gerecht werden.

Im Trend: das Business-Center. Arbeiten, Lernen, Austausch sind hier leichter und angenehmer als in den klassischen Zellenbüros, in denen die Angestellten sauber getrennt hinter dicken Wänden sitzen und sich möglicherweise in der engen Kaffeeküche am Ende des Ganges begegnen. „In den meisten Büros gibt es zu wenig Kommunikationsmöglichkeiten, keine zentralen Zonen, in denen man sich zufällig trifft“, sagt Stephan Zinser, Leiter Marktstrategie, Team, New Work Development beim Fraunhofer-Institut in Stuttgart. „Die Teeküche liegt versteckt abseits statt in der Mitte. Das ist auch eine Frage der Kultur. Es gilt immer noch: Die Leute sollen nicht schwatze, sondern schaffe. Dabei ist nur so Wissensaustausch möglich.“

Seit 1996 erforscht das Fraunhofer-Institut in einem Verbundprojekt mit 21 Unternehmen, von der Deutschen Bank über die Telekom bis Compac/Digital, die Anforderungen des Büros der Zukunft in verschiedenen Bereichen. Einmal im Monat treffen sich die Forscher mit Vertretern der beteiligten Unternehmen zu Brainstorming und Workshops. „Wir haben erst eine Bestandsaufnahme gemacht und Szenarien für das Büro der Zukunft entwickelt“, sagt Projektleiter Zinser.

Ergebnis: Es gibt vier Trends, zu mehr Kommunikation, Mobilität, Flexibilität und zu mehr Projektarbeit. Das erfordert neues Design. Nicht eine Büroform wird in Zukunft gefragt sein, so Zinser, sondern viele, die je nach Bedarf eingesetzt werden können. Projektarbeit zum Beispiel ist am besten in flexiblen Zonen machbar. Konferenzräume und Entspannungszimmer mit Kicker und Sofa etwa. Je mehr Unternehmen virtuell arbeiten, desto wichtiger wird das Büro in der Westentasche.

Gemeinsam mit den Firmen entwickelte Zinsers Team flexible Raumgleitsysteme mit Trennwänden, die auf Schienen rollen. Steckdosen und PC-Zugänge sind überall eingelassen. Die Forscher gestalteten Multimediaräume und transparente Großraumbüros, mit Bistro in der Mitte und einer Technik, die ohne Kabel auskommt. Alles läuft über Funk. „Das heißt zwar erst mal Investition, aber man kann alte und neue Systeme parallel laufen lassen. Unterm Strich zahlt es sich aus“, sagt Zinser.

Solche Umstrukturierungen sind gewöhnungsbedürftig. Beim Münchener Unternehmen „PC Compac“ (siehe Seite 22), das Business-Center mit völlig flexibler Arbeitsumgebung eingeführt hat, gewöhnten sich die Mitarbeiter erst allmählich an die neue Struktur der Papierablage. Die Kundenablage in den Büros war fortan zentral sortiert, die persönlichen Papiere tragen die Angestellten im Aluköfferchen mit sich herum.

Der Weg der Zukunft sind Standardlösungen nicht. Desksharing oder virtuelles Klassenzimmer werden nur bestimmten Arbeits- und Lernformen gerecht. „Plötzlich sprechen alle davon, wie toll Glaswände sind, dabei ist auch Glas eine Wand, die isoliert“, sagt Karl-Heinz Fischbach von Siemens Business Service (SBS) in München. „Geht es um ein Büro für Musikredakteure, sieht das wieder ganz anders aus.“ Bei SBS ist das virtuell office Alltag an vielen Standorten, setzt auf eine Kombination verschiedener Ansätze: Teleworking, Desksharing, Mobile Working und Organisationsentwicklung. Die Großraumbüros mutieren zu PC-gerechten großen Raumbüros, mit Infobar, Meeting-Point, Besprechungs- und Technikecken. „Die Leute sollen lernen, ihren Arbeitsplatz loszulassen. Und themenbezogen zusammenarbeiten“, glaubt Fischbach. „Wissen Sie, wo ich bei diesem Telefonat sitze? Nicht im Siemens-Büro, wo Sie angerufen haben. Ich sitze zu Hause mit Tee und Keksen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen