Das Bremer Brudermahl wird weiblicher: Frauen dürfen Herrenrunde zahlen
Das jahrhundertealte Bremer Schaffermahl wird erstmals von einer Unternehmerin mitorganisiert. In der Welt der Männerbünde ist das ein Fortschritt.
Das älteste Brudermahl der Welt geht bis auf das Jahr 1545 zurück und verfolgt zunächst einen karitativen Zweck: Hier werden Spenden für die „Arme Seefahrt“ gesammelt, für die heutige „Stiftung Haus Seefahrt“, die Seeleute, ihre Familien sowie Nautik-Studierende unterstützt.
Bei der Veranstaltung, die fünf Stunden dauert, treffen sich 300 Menschen – 100 Kapitäne, 100 Kaufleute und 100 auswärtige Gäste – zum Essen im Bremer Rathaus und halten oder hören dabei Reden. Ausgerichtet und bezahlt wird das Ganze von drei Schaffer:innen, Marahrens-Hashagen ist 2023 eine von ihnen.
Die um 14:28 Uhr beginnende Veranstaltung folgt einer seit Langem streng festgelegten Zeremonie. Es gibt sechs Gänge, Pflichtgetränk ist süßes Malzbier, mit dem mehrfach angestoßen werden muss.
Für Frauen sind schwarze Abendkleider verpflichtend
Auf der unumstößlichen Speisekarte folgt auf Hühnersuppe ein Stockfisch in Senfsauce, es schließt sich an Braunkohl mit Pinkel, Rauchfleisch und Maronen, dann Kalbsbraten an Selleriesalat mit Katharinenpflaumen und Äpfeln, später kommt ein Rigaer Butt mit Sardellen, Wurst und Chesterkäse auf den Teller.
Zum Schluss gibt es dann Kaffee und einen Obstkorb, dazu werden Tonpfeifen und Tabak gereicht. Für Frauen sind übrigens lange schwarze Abendkleider verpflichtend, für Männer ist es der Frack.
„Dass sich so ein Festmahl in so hohem Maße ritualisiert, liegt vermutlich daran, dass sein ursprünglicher Zweck verloren gegangen ist“, sagt der Historiker Konrad Elmshäuser, Leiter des Bremer Staatsarchivs. „Das Menü läuft unseren Vorstellungen von einem guten Essen einigermaßen zuwider.“ Einen Sinn habe das Schaffermahl dann, wenn man sich dessen ursprünglichen Anlass vergegenwärtige: „Das ist das letzte Treffen zwischen Kaufleuten und Kapitänen, bevor die nach dem Frost wieder in See stechen können“.
Männerbündisches Netzwerk
Tatsächlich ist das Schaffermahl längst nicht mehr das einfache Abschiedsessen, das Kaufleute vor 400 Jahren für ihre Kapitäne gaben. Es ist vielmehr ein wichtiges Netzwerktreffen von Unternehmern und Politikern, bei dem Kontakte gepflegt, Aufträge besprochen, Karrieren gefördert werden. Hier bilden sich Machtzirkel, die Exklusivität beanspruchen und bestehende Herrschaftsverhältnisse reproduzieren – ein klassischer Männerbund, wie auch die „Bremer Eiswette von 1829“, ein patriarchaler Klub mit höchst zweifelhafter, kolonialistischer, antidemokratischer und judenfeindlicher Geschichte.
Konstitutiv für Männerbünde sind die „räumliche und gesellschaftliche Absonderung“, schrieb Helmut Blazek 1999 in seiner einschlägigen Studie „Männerbünde – eine Geschichte von Faszination und Macht“. Verbunden sei dies mit der „Ausgrenzung und/oder Abwertung von Frauen“.
Das galt bis vor ein paar Jahren geradezu exemplarisch für das Schaffermahl. Als erste Frau überhaupt hatte – qua Beruf – Kapitänin Barbara Massing 2004 bei der Schaffermahlzeit mitessen dürfen. 2007 wurde die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als erster weiblicher Ehrengast eingeladen. Erst seit 2015 sind regulär weibliche Gäste zugelassen.
Auch in diesem Jahr werden welche dabei sein. Insgesamt sind Frauen aber weiterhin deutlich in der Minderheit: Nur 20 der 300 Teilnehmenden sind weiblich.
Ehrengast Volker Wissing
Auswärtige Gäste dürfen nur ein einziges Mal in ihrem Leben teilnehmen, weshalb eine Einladung als große Ehre gilt. Am 10. Februar wird Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) der Ehrengast des Schaffermahls sein, er reiht sich ein in eine lange Riege von Bundesministern, Bundes-, Minister- sowie anderen Präsidenten.
Wissing hat sich gerade gegen die Pläne der EU-Kommission für eine neue Abgasnorm Euro 7 ab 2025 starkgemacht. Im Autoland Bremen, in dem Mercedes-Benz der größte private Arbeitgeber ist, dürfte das auch Thema beim Schaffermahl sein – Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen fürchten erhebliche Nachteile für die deutsche Autoindustrie. Das Thema könnte am Freitag in Bremen auch Klimaaktivist:innen auf den Plan rufen.
2021 und 2022 war das Schaffermahl der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Für Janina Marahrens-Hashagen, Chefin einer Firma für Beschilderungen und Werbetechnik mit 200 Mitarbeitenden, steht übrigens fest, dass ab jetzt Frauen mit zum Bild der Traditionsveranstaltung gehören. Immerhin soll es mit der Bremer Unternehmerin Heidi Armbruster-Domeyer auch im nächsten Jahr eine Schafferin geben.
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