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■ Damit im Osten die Landschaften nicht rot, sondern möglichst schwarz aufblühten, düngte Helmut Kohl die Ost-CDU mit illegalen Spenden. Scheibchenweise gibt er nun zu, was man ihm sowieso schon nachsagte. Kritische Parteifreunde hegen schlimme Befürchtungen:Was gesteht dieser Mann noch alles?

Helmut Kohl hat sich mit einem Paukenschlag zurückgemeldet. Die Gegenoffensive in Sachen Parteispendenaffäre hat begonnen: Strategisch geschickt wird er in den nächsten Tagen seine Sicht der Dinge der breiten Öffentlichkeit darlegen. Kohl kämpft offensiv um seine Reputation und um seinen ihm so wichtigen Platz in der Geschichte. Mediale Ouvertüre im ZDF: Der Kanzler der Einheit gab zu, höchstselbst zwischen 1993 und 1998 schwarze Spenden von 1,5 bis 2 Millionen Mark angenommen zu haben. Diese sind aber nie in einem Rechenschaftsbericht der Partei aufgetaucht. Das zweite öffentliche Geständnis.

Aber wieder mal nicht mehr als das, was schon allgemein, wenn nicht bewiesen, so doch vermutet worden war. Kohl gibt immer nur das zu, was unvermeidlich ist. Auf neue Offenbarungen kann man sich gefasst machen.

Fast zeitgleich, ebenfalls am Donnerstag, hat sich bei der Staatsanwaltschaft in Bonn die Anwaltskanzlei Holthoff-Pförtner aus Essen gemeldet. Die Anwälte teilten mit, dass sie im Falle eines Verfahrens den Altkanzler vertreten würden. Außerdem kündigten sie an, der Justizbehörde neues entlastendes Material bis kommenden Dienstag zur Verfügung zu stellen. Offensichtlich wird es eng für Kohl.

Doch das hindert die Partei nicht daran, weiter an ihrem Übervater festzuhalten. Erste Versuche des jetzigen Parteivorsitzenden Wolfgang Schäuble, mit dem System Kohl aufzuräumen, liefen ins Leere: Kaum hat Schäuble den Kohl-Vertrauten und Verwaltungschef des Adenauer-Hauses, Hans Terlinden, beurlaubt, weil er das Vernehmnungsprotokoll des einstigen CDU-Beraters Horst Weyrauch statt an ihn an Kohl weitergegeben hatte, formierte sich bei den Christdemokraten die Kohl-Fraktion. Schäuble hörte die Signale und ruderte zurück. Er stellt sich demonstrativ hinter Kohl, weil er – so Beobachter – fürchte, dass der Rausschmiss von Terlinden die Partei spalten könnte. Schäuble hat seinen Vorgänger nicht gedrängt, endlich alles auf den Tisch zu legen. Vielmehr machte er deutlich, dass es nicht Aufgabe der Partei sei, aufzuklären, sondern Sache der von der Union beauftragten Wirtschaftsprüfungskanzlei.

Danach konnte auch Angela Merkel nicht mehr so massiv wie zuvor auf eine rückhaltlose Aufklärung drängen. Öffentlich hat sich die Parteispitze auch jetzt nicht zu Kohl geäußert. „Man zieht halt den Kopf ein und hofft, dass das Gewitter vorüberzieht“, sagt einer. In der Tat droht die Partei an der Affäre Kohl zu zerbrechen. Jene, die immer noch glühende Anhänger des „Alten“ sind, ärgern sich, dass die SPD-Affären nicht stärker vom CDU-Sumpf ablenken. Kohl wird zum Opfer der „linken Kampfpresse“ stilisiert.

Er weiß die Melodie perfekt zu singen: „In den neuen Ländern war die PDS so stark wie nie zuvor, auch finanziell ... mir ging es darum, unseren Leuten vor Ort zu helfen“, tönte er im ZDF.

Seine Anhänger – in der CDU nach wie vor in der Mehrheit – werden sich nun noch dichter hinter ihn stellen. Seine parteiinternen Gegner hat er mit seinem Auftritt weiter zum Schweigen verdonnert. Um des Zusammenhalts der Partei willen wagen sie nicht, sich öffentlich zu äußern. Je mehr es Kohl im Moment gelingt, die Reihen seiner Anhänger zu schließen, umso mehr schafft er es auch, seine Kritiker mundtot zu machen. Der Auftritt am Donnerstag war dafür ein guter Einstieg. Den Kritikern bleiben nur Befürchtungen: Was gibt es noch an illegalen Spenden? Was an schwarzen Kassen? Wurden doch Schmiergelder gezahlt, wenn nicht an Kohl, dann vielleicht an andere? „Keiner weiß, wer noch alles mit drinhängen könnte“, sagt ein CDU-Abgeordneter. Bleierne Zeit bei der CDU: Misstrauen und Hilflosigkeit haben sich breit gemacht.

Inwieweit Kohls Äußerungen von Donnerstag strafrechtliche Relevanz haben, bleibt umstritten. Manche glauben, dass er versucht, sich am Tatbestand der Untreue vorbeizulavieren, weil bei den Spenden, die er gesammelt hat, für niemanden ein Nachteil entstanden ist. Somit hätte er „nur“ gegen das Parteispendengesetz verstoßen – strafrechtlich nicht relevant.

Christian Ströbele, Anwalt und grüner Bundestagsabgeordneter, hält die Tatbestände der Untreue und Bestechlichkeit dennoch nicht für ausgeschlossen. Er sagt: „Kohl hat zugegeben, dass er seinen Amtseid gebrochen hat. Er hat 1994 den Eid gesprochen wohlwissend, dass er gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik verstößt. Wäre er noch Kanzler müsste er jetzt zurücktreten.“ Eine so saubere Lösung ist nicht in Sicht. Stattdessen zieht der Einheitskanzler, 25 Jahre an der Spitze der CDU, seine Partei immer weiter mit in den Spendensumpf.

Karin Nink, Berlin

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